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    „Bewegung und Ruhe im Wechsel – ich brauche beides.“

    Frau Pump, wann und wie fing das an mit Ihren Rückenschmerzen?

    Wahrscheinlich ist vieles geerbt. Ich bin schon mit 21 Jahren das erste Mal zur Reha und hatte im Prinzip mein ganzes Leben lang mit Schmerzen zu tun. Und im Alter wird’s nicht besser (lacht)!

    Sie haben sich eine bewundernswerte, positive Einstellung bewahrt. Wie machen Sie das? Was verschafft Ihnen Linderung?

    Ganz wichtig ist für mich Entspannung. Mir helfen verschiedene CDs: mal meditative Klänge, mal Tiefensuggestion – manchmal 15 Minuten, manchmal eine halbe Stunde. Kopfhörer auf, und dann entspannt sich mein ganzer Körper. Sich fallen lassen ist wichtig. Wärme ist wichtig, Bewegung ist aber genauso wichtig!

    Also eine Balance aus „seelischen“ und körperlichen Maßnahmen.

    Unbedingt. Ich mache schon seit 20 Jahren Krafttraining für den Rücken, weil ich das einfach brauche für die Muskulatur. Bewegung und Ruhe im Wechsel – ich brauche beides. Ein drittes Element bleibt eine gute Behandlung. Ich habe seit Jahren eine ganz tolle Physiotherapeutin, die mich einmal in der Woche „massakriert“ (lacht). Also da muss ich immer ganz tief Luft holen; aber ich weiß, dass es mir guttut. Man kann nicht alles alleine machen – und an manche Stellen kommt man eben einfach nicht ran!

    Nutzen Sie in solchen Fällen zu Hause spezielle Hilfsmittel?

    Na klar! Im Alltag benutze ich oft eine Variante der Faszienrolle, sogenannte Duobälle, damit kriege ich akute Schmerzen oft ziemlich gut in den Griff.

    Wie kann es eigentlich sein, dass auch nach Jahrzehnten und Erfahrungen mit buchstäblich Millionen Betroffenen kein „flächendeckender“ Fortschritt bei der Behandlung von Rückenschmerzen erzielt wird?

    Das hat bestimmt viele Gründe, ich habe allerdings nach all den Jahren persönlicher Erfahrung und direktem Kontakt mit Betroffenen eine überraschend kurze Antwort: Die Ärzte haben nicht genug Zeit. Beim Orthopäden wird nicht mehr viel geredet – und noch weniger zugehört.

    Außerdem gibt es schlicht und einfach viel zu wenige echte Schmerztherapeuten. Das weiß auch jeder, da gibt’s Studien ohne Ende. Trotzdem müssen Schmerztherapeuten viele Weiterbildungsmaßnahmen selbst bezahlen, und am anderen Ende können sie vieles nicht abrechnen. Die werden ja oft fast bestraft für ihr Engagement, dabei ist allen Seiten völlig klar: Wer zu einem richtigen Schmerztherapeuten geht, der hat wirklich schon jahrelang Schmerzen und braucht eine richtige Therapie. Trotzdem gibt es das viel zu wenig, das ist ein großes Manko in Deutschland.

    Falsch gelegen, verhoben, krumm gesessen – „ein bisschen Rückenschmerzen“ hat wohl jeder manchmal. Nach dem Motto „Ach, morgen geht’s wieder“ ignorieren wir das meiste. Andererseits fangen auch die längsten Leiden oft mit einem kleinen „Zipperlein“ an. Wie können wir wissen, ab wann es sich worum handelt?

    Ganz heikle Frage. Weil es individuell so unterschiedlich sein kann. Als Erstes würde ich sagen, man sollte möglichst viel selbst machen, das heißt Bewegung, Sport, Ernährung – man kann unglaublich viel selbst machen, man muss nicht gleich Medikamente nehmen. Wenn es schlimm ist – und schlimm bleibt –, muss man das natürlich abklären lassen. Am besten erst mal vom Hausarzt. Nicht gleich zum Orthopäden! Der Hausarzt kennt Sie und kann schon mal einiges ausschließen, ob zum Beispiel eine Arthrose vorliegt. Wenn Sie mit Rückenschmerzen zum Arzt gehen und der zeigt Ihnen ein Röntgenbild und empfiehlt, sich möglichst schnell operieren zu lassen – da wäre ich vorsichtig. Da gilt wie immer die alte Regel: Immer eine zweite Meinung einholen!

    Erzählen Sie von Ihrer Arbeit bei der SchmerzLOS Selbsthilfegruppe in Lübeck. Was ist da los?

    (lacht) Da ist ziemlich viel los! Ich leite inzwischen schon zwei Gruppen, weil mit mehr als zehn Teilnehmern einfach das Vertrauensverhältnis leidet, das da entsteht und ganz entscheidend ist. Da kommen nicht nur von Rückenschmerzen Betroffene, sondern allgemein chronische Schmerzpatienten, die dort in einer vertrauten, geschützten Umgebung über ihre Beschwerden reden können. Denn es ist oft so, dass Familie, Freunde und Partner es „einfach nicht mehr hören“ wollen oder können. Teils fehlt einfach das Verständnis, weil man es ja auch nicht jedem ansieht, der starke Schmerzen hat. Da wird natürlich viel versteckt. Andererseits muss man auch verstehen, wie es andere belasten kann.

    Man will ja auch – gerade die Liebsten – nicht immer damit „nerven“, wie schlecht es einem geht.

    Ganz genau. Viele ziehen sich dadurch ganz weit zurück, und das kann es ja auch nicht sein. In der Gruppe erzählen wir ganz offen von positiven und negativen Erfahrungen, und das gibt so viel Kraft! Sich auszutauschen und zu sehen, dass man nicht alleine ist, ist ganz wichtig.

    Es wird mehr geredet als gedehnt und gestreckt?

    Absolut. Wir sind ja auch gar nicht da, um Arzt oder Behandlung zu ersetzen. Offiziell treffen wir uns einmal im Monat, aber da ist inzwischen so viel Kontakt, man geht Kaffee trinken und so, das ist einfach toll! Insofern lenkt mich diese „Arbeit“ auch von meiner Krankheit ab, ich glaube, das geht uns in den Gruppen allen so.

    Rückenschmerzen verursachen Jahr für Jahr nur in Deutschland fast 30 Milliarden Euro Kosten allein aufgrund von Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung. Müsste da nicht allen Seiten – und sei es aus finanziellen Gründen – an einer schnellen Verbesserung der Lage gelegen sein?

    Das ist es ja. Die Krankenkassen zahlen lieber teure Rücken-OPs und Schmerzmittel, bevor sie zum Beispiel ein Dauerrezept für meine manuelle Therapie übernehmen. Dabei hilft mir das seit Jahren! Einerseits werden teuerste Methoden angeboten, von denen man gar nicht unbedingt überzeugt ist – andererseits wird aufs „Budget“ verwiesen, wenn es um langfristige, tatsächliche Hilfen geht. Diese Erfahrung machen leider die meisten Betroffenen.

    Wie bitte? Der naheliegende, „zwischenmenschliche“ Ansatz würde nicht nur mehr nützen, sondern auch weniger kosten?

    In vielen Fällen, ja klar! Wenn mehr spezialisierte Ärzte mehr Zeit hätten, würden mehr Beschwerden genauer erkannt und besser kommuniziert. Insgesamt wüssten mehr Patienten besser Bescheid und könnten selbst aktiv werden. Das kann einfach öfter mal schwimmen oder spazieren gehen sein, mit Yoga anfangen, sich mit anderen Betroffenen austauschen, ganz verschieden – wir sind alle Menschen! Also ich bin jedenfalls mehr als mein – ziemlich schlimmes – Röntgenbild (lacht)! Wenn ich danach gehen würde, hätte ich mich schon so oft operieren lassen müssen!

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