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    „Die Diagnose war eine Erleichterung“

    Wann und wie wurde bei dir die Diagnose „Rheuma“ gestellt, wie hat sich die Krankheit bemerkbar gemacht?

    Angefangen hat alles mit Schmerzen in meinem kleinen Finger, da war ich etwa 14 Jahre alt, mit der Zeit kamen dann immer mehr Gelenke dazu. Ein Jahr lang habe ich versucht, alles zu verdrängen und die Schmerzen zu ignorieren. Erst als es unerträglich wurde, habe ich meinen Eltern davon erzählt, die noch am selben Tag mit mir zu einem Kinderrheumatologen gefahren sind. Normalerweise sind die Wartezeiten für einen Termin sehr lang, aber ich war sozusagen ein Notfall und kam schnell dran. Auf die Diagnose „Juvenile idiopathische Polyarthritis“ musste ich dann zum Glück auch nicht mehr lange warten, die hohen Entzündungswerte, der positive Rheumafaktor und meine geschwollenen Gelenke ließen keinen Zweifel zu.

    Welche Gedanken gingen dir als Erstes durch den Kopf? Hattest du vorher überhaupt schon einmal von der Erkrankung gehört?

    Die Diagnose war viel mehr eine Erleichterung als ein Schock. Zu dem Zeitpunkt war mir schon lange klar, dass etwas nicht stimmt, und ich war einfach froh, diese Sache endlich benennen zu können und Hilfe zu bekommen. Erst mit der Zeit habe ich realisiert, was die Diagnose bedeutet und dass es sich um eine chronische Krankheit handelt, die mich nun mein Leben lang begleiten würde. Rheuma kannte ich bisher nur von alten Menschen, weshalb es mir irgendwie unfair vorkam, jetzt schon damit leben zu müssen.

    Wie hat dein Umfeld auf die Diagnose reagiert?

    Meine Eltern haben sich schreckliche Vorwürfe gemacht, nicht schon vorher etwas bemerkt und die Anzeichen der Krankheit früher erkannt zu haben.

    Mir fiel es damals noch sehr schwer, über die Krankheit zu reden, meine Freunde haben es deshalb erst erfahren, als ich ins Krankenhaus musste. Sie haben mich dort besucht und waren bemüht, für mich da zu sein. Trotzdem habe ich mich mit der Diagnose alleingelassen gefühlt, weil doch irgendwie keiner richtig verstehen konnte, wie es mir ging.
    Am schlimmsten war es in der Schule, als ich den Lehrern davon erzählen musste. Viele haben nicht verstanden, dass eine 15-Jährige Rheuma hat, sodass ich fast das Gefühl hatte, mich für die Krankheit rechtfertigen zu müssen.

    Welche Therapien wurden angewandt?

    Kurz nach der Diagnose habe ich im Krankenhaus Kortison in die insgesamt 43 betroffenen Gelenke gespritzt bekommen. Am Tag nach der Punktion ging es mir dann einfach großartig, ich war es gar nicht mehr gewohnt, fast ganz ohne Schmerzen aufzuwachen. Außerdem habe ich mir bereits im Krankenhaus das erste Mal MTX gespritzt; Methotrexat ist eines der Basismedikamente bei Rheuma. Leider machte mein rechtes Handgelenk weiterhin Probleme, weshalb ich nach mehreren Kortisonstößen (kurzzeitige hoch dosierte Einnahme von Kortison) auch noch das Biologikum Etanercept dazubekam. Natürlich gehörte auch die Einnahme von NSAR, also entzündungshemmenden Schmerzmitteln wie Diclofenac oder Ibuprofen, dazu sowie wöchentliche Physiotherapie. Wegen der Beschwerden in meinem Handgelenk habe ich auch schon eine RSO (Radiosynoviorthese) versucht.

    Mittlerweile nehme ich „nur“ noch Etanercept als Monotherapie, hin und wieder NSAR, und akut entzündete Gelenke werden von meinem Rheumatologen punktiert. Auf die Physiotherapie muss ich leider verzichten, da die im Erwachsenenalter nicht mehr so regelmäßig verschrieben wird.

    Bist du im Alltag durch die Krankheit in irgendeiner Weise eingeschränkt? Wenn ja, wie?

    Es gibt bessere und schlechtere Tage, deshalb lässt sich die Frage so pauschal gar nicht beantworten. Generell geht es mir die meiste Zeit sehr gut, sodass ich kaum Einschränkungen im Alltag habe, allerdings merke ich schnell, wenn ich meine Gelenke zu sehr belaste, beispielsweise beim Sport. Die Beschwerden sind dann zwar meist moderat und lassen sich mit den NSAR ganz gut in den Griff bekommen, trotzdem stört es mich als junger aktiver Mensch, dass ich dann ein paar Tage keinen Sport machen kann und mich müde und erschöpft fühle.

    Richtige Einschränkungen im Alltag erlebe ich eigentlich nur bei einem akuten Schub. Von einem Tag auf den anderen können plötzlich mehrere Gelenke stark schmerzen und anschwellen. Bei meinem letzten Schub waren überwiegend Hand- und Fingergelenke betroffen, da haben mich dann selbst einfache Dinge wie Abwaschen oder Zähneputzen vor Herausforderungen gestellt. Glücklicherweise erlebe ich solche Schübe sehr selten, weshalb ich wirklich dankbar dafür bin, wie gut die Medikamente bei mir wirken.

    Kannst du die Krankheit mit Alltagsgewohnheiten wie der Ernährung beeinflussen?

    Über das Thema Ernährung und Rheuma ließe sich vermutlich eine Doktorarbeit schreiben, so viele verschiedene Meinungen und Ansätze gibt es. Ich persönlich habe für mich keine Auswirkungen meiner Ernährung auf die Krankheitsaktivität feststellen können. Allerdings ernähre ich mich sowieso aus verschiedenen Gründen vegetarisch und achte auf eine gesunde Ernährungsweise, denn damit fühle ich mich generell einfach wohler. Ich kenne aber auch einige, die sich beispielsweise seit dem Verzicht auf Fleisch oder Zucker viel besser fühlen und weniger Beschwerden haben. Ich denke also, dass es von Person zu Person unterschiedlich ist, ob sich eine bestimmte Ernährungsweise positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt oder nicht.

    Musst du regelmäßig zum Arzt oder ins Krankenhaus, oder wie sieht deine Behandlung heute aus?

    Im Krankenhaus war ich glücklicherweise schon sehr lange nicht mehr, das hängt aber auch damit zusammen, dass in der Erwachsenenrheumatologie stationäre Aufenthalte generell eher seltener Teil der Therapie sind.

    Meinen Rheumatologen sehe ich dafür regelmäßig, zurzeit alle vier Monate. Zusätzlich wird mir in der Praxis alle sechs Wochen Blut abgenommen, Angst vor Spritzen sollte man mit Rheuma also wirklich nicht haben. Darüber hinaus gehe ich noch ein- bis zweimal im Jahr zu einem Augenarzt, damit eine mögliche Beteiligung der Augen ausgeschlossen werden kann.

    Im Falle eines Schubs kann ich versuchen, kurzfristig einen Termin zu bekommen oder meinen Rheumatologen in der Telefonsprechstunde zu erreichen.

    Du engagierst dich bei dem Projekt „Mein Rheuma wird erwachsen“ von der Deutschen Rheuma-Liga und hilfst somit anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, besser mit ihrer Krankheit zurechtzukommen. Was ist deine Intention beziehungsweise was bedeutet dir diese gemeinnützige Arbeit?

    Im Rahmen des Projekts unterstützen wir junge Erwachsene als Transition-Peers bei ihrem Übergang von der Kinder- zur Erwachsenenrheumatologie. Das ist deshalb so wichtig, weil ein Drittel der jugendlichen Rheumatiker/-innen die Therapie abbricht und somit nie in der Erwachsenenversorgung ankommt. Ein Therapieabbruch kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen, was vielen jungen Erwachsenen zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst ist. Das Projekt ist mir besonders wichtig, weil auch mein Übergang in die Erwachsenenmedizin nicht optimal verlaufen ist. Auf unserer Website „mein-rheuma-wird-erwachsen.de“ geben wir Tipps zur Transition und zum Thema Erwachsenwerden mit Rheuma allgemein. Außerdem kann man uns Peers auch per E-Mail oder WhatsApp erreichen und Fragen stellen.

    Mir persönlich hat das Projekt gezeigt, dass es wichtig ist, positiv mit der Krankheit umzugehen. Aus meiner eigentlichen Schwäche ist eine Stärke geworden, denn nur, weil ich selbst betroffen bin, kann ich andere Rheumatiker/-innen in diesem Maße unterstützen. Außerdem habe ich auf diese Weise viele tolle Menschen kennengelernt, die mir gezeigt haben, dass ich mit meiner Krankheit und den damit verbundenen Problemen nicht allein bin.

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