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    Der Kampf zurück ins Leben

    Wie alt waren die Jungs, als man feststellte, dass etwas nicht stimmte?

    D: Leo war gerade auf der Welt und das obligatorische Stoffwechselscreening war auffällig. Doch da uns das niemand mitteilte, war Leo bereits sechs Wochen alt, als festgestellt wurde, dass er beidseitig zu kleine Nieren hat, die im Wachstum stehen geblieben sind und nicht funktionierten, wie sie sollten. Dadurch war der Körper vergiftet, und die Ärzte teilten uns mit, dass er eventuell das Wochenende nicht überleben wird.

    M: Als Fabian in der 39. Schwangerschaftswoche auf die Welt kam, wog er nur 2.420 Gramm und hatte einen leichten Gelbstich. Drei Tage später wurde festgestellt, dass er ein Loch im Herzen hatte. Dies wird wahrscheinlich wieder zuwachsen, sagten die Ärzte. Acht Wochen später war Fabian so gelb, dass unser Kinderarzt stutzig wurde, und dann folgte eine Diagnose nach der anderen: Zum Herzfehler kamen verengte oder unzureichend ausgebildete Blutgefäße im Rumpf und Fehlbildungen der Nieren. Die Gallengänge waren nicht richtig gewachsen, und durch diese Unterfunktion hatte die Leber Schaden genommen. Nach unzähligen Untersuchungen war klar, dass Fabian unter dem Alagille-Syndrom leidet. Nur eines von 100.000 Kindern hat diesen Gendefekt.

    Wie sind Sie damit umgegangen?

    D: Es war ein riesiger Schock. Wir beteten, dass er überlebt. Was all das noch für Konsequenzen mit sich bringen würde, war uns natürlich zum Anfang nicht bewusst.

    M: Das ging uns genauso. Doch wir waren zuversichtlich. Fabian war schon als Baby so geduldig und immer fröhlich.

    Wann war klar, dass eine Organlebendspende unausweichlich ist?

    D: Dass dies unausweichlich sein würde, war sehr schnell klar, da Leo mit den Mininieren nicht leben konnte. Mein Mann und ich haben uns testen lassen und meine Blutwerte passten perfekt zu Leo. Damit war dies auch geklärt. Eine Organspende ist jedoch nur möglich, wenn das Kind acht Kilo oder mehr wiegt.

    M: Im Herbst 2009 hatte ich so ein Bauchgefühl, dass etwas mit Fabian nicht stimmte. Er kratzte sich ständig. Ich schickte Fotos und Blutwerte an die Uniklinik in Hamburg. Die Antwort kam schnell: Fabian brauchte eine neue Leber. Seine hätte maximal noch ein Jahr ihren Dienst getan. Diese Nachricht mussten wir erst einmal sacken lassen. Eine Transplantation bei einem so kleinen Kind – das klang schockierend. Doch es gab keine andere Möglichkeit.

    Wie kam es dann zur Transplantation?

    D: Wir waren alle drei Monate in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover. Dort wurden Blutproben entnommen und es wurde geschaut, ob sich keine Antikörper entwickelt haben, damit am Tag der Transplantation alles reibungslos abläuft. Am 1. April 2014 wurde ich von Ärzten gefragt, ob ich Leo nicht auf die Spenderliste setzen lassen möchte, damit, wenn es beim ersten Mal nicht klappt, noch meine Niere als Reserveniere vorhanden wäre. Ich habe sehr mit mir gehadert, weil ich nicht wollte, dass Leo eine Niere von jemandem bekommt, den ich nicht kenne und von dem ich nicht weiß, wie er gelebt hat. Dennoch habe ich unterschrieben – mit der Einschränkung, dass nur eine Kinderniere infrage kommt. Vier Wochen später war eine Niere gefunden. Als Leo zwei Jahre alt war, wurde ihm eine neue Niere transplantiert.

    Tante Ina rettete Fabian das Leben.

    M: Im Gegensatz zu vielen Organempfängern musste Fabian nicht auf die Leber eines Toten warten, eine Lebendspende ist möglich. Dabei wird ein Teil der Leber eines gesunden Menschen entnommen und in den Empfänger eingepflanzt. Nach einem halben Jahr funktionieren beide Teile wieder vollständig. Selbstverständlich wollte ich ihm ein Stück meiner Leber spenden. Nach psychologischen Tests und Dutzenden Untersuchungen wurde ich im Februar 2010, um 8.30 Uhr, in den OP geschoben. Ich war glücklich, weil ich wusste, dass ich unserem Sohn helfen würde. Gegen 11 Uhr sollte Fabian seine neue Leber bekommen. Doch so weit kam es nicht. Als ich aus der Narkose erwachte, sah ich meinem Mann an, dass etwas nicht stimmte. „Es hat nicht geklappt“, sagte er. Aufgrund meiner ungünstig gewachsenen Leberarterien wurde die OP wegen des großen Risikos abgebrochen. Ich war am Boden zerstört. Da bot sich die Schwester meines Mannes an – und es funktionierte. Tante Ina rettete Fabian das Leben.

    Wie ging es Leo und Fabian nach der Transplantation?

    M: Fabians Körper hat die neue Leber sehr gut angenommen. Er muss sein ganzes Leben Medikamente nehmen, aber er lebt – das ist das Allerwichtigste.

    D: Leider hat Leo sich im Krankenhaus Keime eingefangen und wurde sehr krank, hatte zehn Tage nach der Transplantation einen epileptischen Anfall, hohes Fieber und einen sehr hohen Blutdruck. Schließlich mussten sie ihn drei Tage ins künstliche Koma legen. Dadurch war sein Muskelabbau rapide – Leo bekam eine Bettdepression, wollte nicht mehr aufstehen. Das war eine schreckliche Zeit. Zum Glück ging es Stück für Stück bergauf – Leo hat sich zurück ins Leben gekämpft. Im Jahr 2015 und bis Oktober 2016 war alles super. Leo konnte in die Kita, endlich spielen und Kind sein. Bis die Diagnose kam, dass ihm bei der Transplantation der EBV-Virus übertragen wurde.

    Was heißt das genau?

    D: Aus epidemiologischer Sicht erkranken bis zu zehn Prozent aller Patienten mit Organtransplantation an einer Posttransplantations-Lymphoproliferative Erkrankung (PTLD). Das individuelle Risiko hängt dabei vom transplantierten Organ, der immunsuppressiven Therapie, dem Vorliegen einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) zum Zeitpunkt der Transplantation sowie dem Alter des betroffenen Patienten ab. Hinsichtlich der Immunsuppression ist deren Gesamtlast aus Dosis der Medikamente und Dauer der Behandlung entscheidend, Unterschiede zwischen verschiedenen Medikamenten oder Behandlungsschemata sind bisher nicht gezeigt worden. Kinder sowie Patienten, die vor der Transplantation EBV-negativ waren, haben dabei ein deutlich höheres Risiko, nach der Transplantation eine PTLD zu entwickeln. Das war bei Leo leider der Fall.

    Wie wirkt sich das aus?

    D: Bei immungeschwächten Patienten, wie nach einer Organ- oder Stammzellentransplantation, kann sich aus einer EBV-Infektion eine lebensbedrohliche Erkrankung des Lymphsystems entwickeln. EBV-infizierte B- und T-Lymphozyten teilen sich unkontrolliert und es entsteht ein Tumor. T-Zell-Lymphome sind sehr seltene Krebserkrankungen und machen nur fünf Prozent der diagnostizierten lymphatischen Neubildungen (Lymphome) aus – genau das geschah bei Leo. Das Schlimme für mich ist die mangelnde Aufklärung vor einer Transplantation. Niemand hat uns darüber informiert, was passieren kann. Das finde ich fahrlässig.

    Wie geht es Leo und Fabian heute?

    D: Eine Chemotherapie kommt nicht infrage, weil das sofort die transplantierte Niere zerstören würde. Also ist unsere einzige Chance eine Antikörpertherapie. Bei dem letzten PET-CT im September war nichts mehr vom Krebs zu sehen. Doch wie bei jeder Krebstherapie heißt das noch nicht, dass Leo geheilt ist. Sein Kampf geht weiter. Und das Einzige, was Leo sich wünscht, ist, endlich wieder in die Kita gehen zu können, spielen und Kind sein zu dürfen.

    M: Man sieht Fabian seine Krankheitsgeschichte nicht an. Regelmäßig werden seine Leberwerte kontrolliert. Er ist immer noch ein bisschen zarter und nicht so kräftig wie seine gleichaltrigen Freunde. Doch er ist sehr lebenslustig, achtet selbst auf Hygiene und weiß sehr genau um die Lebenschance dank seiner Tante.


    Anmerkung der Redaktion: Leider haben wir davon erfahren, dass der kleine, mutige Kämpfer Leo den schwierigen Kampf verloren hat. Wir senden seiner ganzen Familie und Angehörigen, insbesondere seiner Mutter Denise sowie seinem Vater, unser tiefstes Beileid und alle Kraft die sie benötigen. Ruhe in Frieden, kleiner Löwe.

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