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    Mut haben und machen

    Seitdem trägt sie einen Kompressionsärmel, der sie im beruflichen und privaten Alltag begleitet. Christine findet, „man sollte immer das Beste aus allem machen“. Mit dieser positiven Einstellung macht sie anderen Frauen Mut.

    Im November 2014 wurde bei Ihnen Brustkrebs diagnostiziert. Wie kam es dazu?

    Mehr oder weniger durch Zufall. Mein Mann hatte in der Brust einen Knubbel entdeckt. Mein erster Gedanke war: Das ist nur eine Zyste, die von allein wieder weggeht. Ich bekam sehr schnell einen Termin bei meiner Ärztin.

    Beim Abtasten habe ich ihr angesehen, dass es etwas anderes sein könnte, als sie erwartet hatte. Auch die Ultraschallergebnisse haben ihr Sorgen gemacht und ich sollte anschließend zur Mammografie. Da habe ich zum ersten Mal geweint. Bis der Befund der Mammografie kam, verging etwa eine Woche. Das Warten empfand ich aber nicht als schlimm. Ich dachte eher: Solange nichts feststeht, kann mein Alltag so weiterlaufen wie bisher.

    Wie ging es dann weiter?

    Nach der Mammografie wurde eine Biopsie gemacht, um festzustellen, um was es sich genau handelt. Bis die Ergebnisse aus dem Labor kamen, vergingen wieder einige Tage.

    Dann kam der Moment, wo mir im Brustzentrum des Krankenhauses gesagt wurde, dass es Brustkrebs sei. Ich saß da und sagte: „Nein, das kann gar nicht sein“, und habe geweint. Die Ärztin meinte dann, dass wir am besten sofort mit der Chemotherapie anfangen.

    Die Diagnose war sicher ein Schock für Sie.

    Bei dem Wort „Chemotherapie“ hatte ich sofort die typischen Bilder im Kopf. Dass einem die Haare ausfallen und man irgendwie krank aussieht.

    Während der Chemo haben mein Mann und ich Fotoshootings mit Freunden organisiert, denn ich wollte trotzdem irgendwie am Ball bleiben.

    Also gar nicht so der Gedanke, dass ich Krebs habe und theoretisch sterben könnte, sondern alles, was da mit dranhängt.

    Nach der Diagnose gab es noch Folgeuntersuchungen, um zu schauen, ob sich irgendwo Metastasen gebildet hatten. Aufgrund meines Alters wurde mir auch empfohlen, mich bei einer Kinderwunschklinik beraten zu lassen.

    Denn durch die Therapie ist es möglich, dass man auf natürlichem Wege nicht mehr schwanger werden kann.

    Sie waren damals schon als selbstständige Make-up-Artistin tätig. Mit der Diagnose Brustkrebs kam sicherlich einiges durcheinander.

    Ja, das stimmt. Ich arbeitete damals gleichzeitig in meinem gelernten Beruf als Erzieherin, allerdings auch freiberuflich. Ich habe Schwimmkurse für Kinder gegeben und Kinderbetreuung für Events organisiert. Ich hatte viele Arzttermine in der Zeit, die ich alle in meinem vollen Terminplan unterbringen musste. Die Schwimmkurse und die Kinderbetreuung habe ich dann erst einmal abgegeben und einen Mitarbeiter dafür eingestellt.

    Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?

    Die Eltern aus meinem Schwimmkurs habe ich persönlich informiert. Es war nicht einfach, die Diagnose offen auszusprechen. Dadurch wird es irgendwie so real. Natürlich waren alle geschockt. Nachdem ich es den Eltern gesagt hatte, habe ich ein Video gedreht, in dem ich von meiner Diagnose Brustkrebs erzählt habe. Das Video habe ich auf YouTube veröffentlicht und auf Facebook geteilt, sodass ich nicht jedem in meinem Umfeld noch mal neu davon erzählen musste.

    Wann ging die Chemotherapie los?

    Die Chemo sollte am 2. Januar 2015 beginnen. In den Wochen vor Weihnachten wurden die Lymphknoten auf der rechten Seite entfernt, da diese auch befallen waren. Außerdem wurde ein Portkatheter gelegt, der für die Chemotherapie notwendig war. Und parallel dazu habe ich mich in der Kinderwunschklinik behandeln lassen.

    Kurz vor Weihnachten waren alle Vorbereitungen abgeschlossen und ich konnte mich zwischen den Jahren im Kreise der Familie erholen. Anfang des Jahres begann wie geplant die Chemo. Alle drei Wochen gab es die nächste Dosis, insgesamt sechs Stück.

    Wie haben Sie sich während der Chemotherapie gefühlt?

    Während der Chemo haben mein Mann und ich Fotoshootings mit Freunden organisiert, denn ich wollte trotzdem irgendwie am Ball bleiben. Ich war aber auch auf dem Stadtfest oder auf einem Konzert.

    Wenn ich gemerkt habe, dass es mir zu anstrengend wurde, habe ich es ruhiger angehen lassen. Ich hatte natürlich immer meinen Mann oder Freunde dabei, die aufgepasst haben. Das finde ich aber auch wichtig! Wenn ich in der Zeit gar nichts getan hätte …

    Wann haben Sie bemerkt, dass sich ein Lymphödem gebildet hat?

    Irgendwann nach der Chemotherapie bemerkte ich beim Autofahren, dass mein rechter Arm total dick war. In der Klinik habe ich Patientinnen getroffen, die mir von ihrem Lymphödem erzählten. Ich bin natürlich gleich in die Praxis gefahren. Schnell stand fest, dass es ein Lymphödem ist, und man gab mir ein Rezept für eine Lymphdrainage.

    Sie tragen jetzt einen Kompressionsärmel. Können Sie erklären, wie er funktioniert?

    Am Anfang, wenn der Arm noch sehr dick ist, wird zunächst mit Mullbinden und Bandagen gearbeitet.

    Kinder fragen natürlich schon, was ich am Arm habe.

    Diese werden mit einer speziellen Technik eng gewickelt, sodass durch Druck die Lymphflüssigkeit weggeschoben wird.

    Der Kompressionsärmel funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Wenn der Arm durch die Wickeltechnik wieder relativ dünn ist, wird der Kompressionsärmel im Sanitätshaus angepasst.

    Was passiert, wenn Sie den Kompressionsärmel mal nicht tragen?

    Ein oder sogar zwei Tage ohne Armstrumpf sind bei mir nicht so schlimm. Es kommt aber immer auf die Ausprägung des Lymphödems und auf die Situation an. Im Sommer neigt man eher dazu, Lymphflüssigkeit einzulagern. Im Winter ist das anders. Grundsätzlich ist alles, was einschnürt, nicht gut für den Arm, weil es den Lymphfluss behindert.

    Aufpassen sollte man zum Beispiel bei BHs, schweren Schultertaschen und Ähnlichem. Deshalb finde ich es persönlich einfacher, den Armstrumpf immer zu tragen, denn dann muss ich nicht auf so viele Dinge aufpassen.

    Gibt es sonst etwas, wobei der Armstrumpf Sie einschränkt?

    Eigentlich nicht. Er ermöglicht mir einen normalen Alltag. Ohne ihn könnte das Lymphödem ziemlich schmerzhaft werden. Die Wickeltechnik wäre langfristig auch keine Alternative. Man kann es mit einem Gipsarm vergleichen.

    Man kann den Arm kaum bewegen und das enge Wickeln verursacht Schmerzen. Damit könnte ich gar nicht arbeiten. Der ganze Alltag ist mit dem Armstrumpf deutlich einfacher.

    Sie haben beruflich viel mit Menschen zu tun. Gibt es neugierige Nachfragen?

    Kinder fragen natürlich schon, was ich am Arm habe. Ich erkläre ihnen dann, so gut es eben geht, was ein Armstrumpf ist. Auch bei Make-up-Terminen werde ich oft gefragt.

    Je nach Situation erzähle ich dann vom Lymphödem und wie es dazu kam. Viele sind im ersten Moment ein bisschen geschockt, weil sie ein so ernstes Thema eigentlich nicht ansprechen wollten. Ich finde das aber nicht schlimm.

    Als Make-up-Artistin haben Sie viel mit dem Thema Schönheit zu tun. Hat sich Ihr Verhältnis dazu gewandelt?

    In der ersten Chemowoche habe ich konsequent nicht in den Spiegel geschaut. Ab der zweiten Woche ging es mir langsam besser und ich habe wieder angefangen, mich zu schminken.

    Das trug zu meinem persönlichen Wohlbefinden bei. Man schaut in den Spiegel und sieht nicht mehr so krank aus. Auch die Glatze war dann nicht mehr so schlimm. Augenbrauen und Wimpern, die ausfallen, konnte ich einfach ersetzen. Man kann dem Gehirn suggerieren: Ich sehe gut aus, mir geht es auch gut. Ich habe dazu auch Videos gedreht und auf YouTube veröffentlicht.

    Sehen Sie sich auch ein bisschen als Vorbild für andere, die Ähnliches erleben?

    Mir fällt es immer ein bisschen schwer, mich als Vorbild zu sehen, aber ich glaube, dass es grundsätzlich schon so ist. Ich bekomme Nachrichten von Betroffenen, die mir ihre Fragen stellen. Sie sagen, dass es ihnen durch meine Videos leichter gefallen sei, mit der Erkrankung umzugehen, oder sie sich sogar motiviert gefühlt hätten.

    Ist das Thema Brustkrebs für Sie erst einmal abgeschlossen?

    Im Moment befinde ich mich noch in einer Anti-Hormon-Therapie, da mein Tumor hormonsensibel war. Einmal im Monat bekomme ich daher eine Spritze. Außerdem muss ich jeden Tag eine Tablette nehmen, die verhindern soll, dass in meinem Körper ein neuer Tumor entsteht.

    Ich finde es wichtig, den Leuten präsent zu machen, was der Körper für ein cooles Ding ist.

    Die Tablette hat hormonähnliche Wirkstoffe, die sich an den Rezeptoren der Zellen andocken, sodass die körpereigenen Östrogene nicht mehr wirksam werden können.

    Aufgrund meines Alters ist der Plan, die Spritze im Juni und nach einem weiteren Jahr auch die Tablette abzusetzen – sofern alles gut bleibt. Denn irgendwann möchten mein Mann und ich auch ein Kind. Danach sollte ich die Tablette weiter einnehmen.

    Haben Sie denn auch eine Art Lebensmotto?

    Nein, ich habe kein spezielles Motto, nach dem ich lebe. Ich finde, man sollte immer das Beste aus allem machen. Eine Situation wird nicht besser, wenn ich sie blöd finde – egal wie blöd sie tatsächlich auch sein mag. Ansonsten habe ich noch ein Zitat, das ich sehr schön finde: „Richtig reich ist der, der mehr Träume in der Seele hat, als die Realität zerstören kann.“

    Wie würden Sie den folgenden Satz vervollständigen: „Ich bin stolz auf meinen Körper, weil …“

    … er mich, so wie er ist, durchs Leben trägt. Und auch weil er viel weggesteckt hat, die Chemotherapie zum Beispiel. Deswegen mache ich auch bei der Kampagne mit. Ich finde es wichtig, den Leuten präsent zu machen, was der Körper für ein cooles Ding ist. Dass er so viel leisten kann und so viel macht, man das aber eigentlich kaum würdigt.

    Was würden Sie anderen Frauen mit ähnlicher Krankengeschichte mit auf den Weg geben?

    Das ist einfach: Egal wie schlimm die Situation ist, man muss einfach das Beste daraus machen!

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