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    „Schmerzen gehören zum Ballett dazu“

    Frau Knop, im Februar dieses Jahres hatten Sie Ihre letzte Vorstellung als Primaballerina in Schwanensee an der Deutschen Oper. Wie erlebten Sie den Tag Ihres Bühnenabschieds?

    Sich nach 25 Jahren Karriere zu verabschieden, ist ein Ereignis, auf das ich mich emotional vorbereiten musste. Ich dachte viel darüber nach, wie es weitergeht. Letztlich wurde es für mich ein wunderschöner Tag und Abend, weil tolle Reaktionen kamen. Ich hatte das Gefühl, dass die ganze Kompanie noch mal für mich tanzt. Eigentlich erwartete ich, dass ich danach in Tränen aufgelöst bin. Dann war ich doch sehr erfreut, entspannt und glücklich, dass es so ein schöner, runder Abschied wurde.

    Von Geburt an haben Sie eine Hüftdysplasie. Das heißt, dass sich Ihr Hüftgelenk schneller abnutzt als normal..?

    Ja, ich hatte fast drei Viertel meiner Karriere hinter mir, als ich das erfuhr. Wir wurden alle zu Schulzeiten untersucht, aber vielleicht war es damals noch nicht ersichtlich. Ich hatte all die Jahre keine großen Probleme. Erst später wurde die Dysplasie ein Schwachpunkt.

    Sie sagen: „Schmerzen gehören für die meisten Tänzer zum Leben.“ Von welchen Schmerzen konnten Sie ein Lied singen?

    Beim Tanzen gab es in der Hüfte Knackgeräusche und Entzündungsschmerzen, die heftiger wurden.

    Damit ich auf die Bühne konnte, musste ich zeitweise Schmerztabletten nehmen oder ich bekam Spritzen ins Hüftgelenk.

    Die Ärzte sagten, dass die einzige Möglichkeit eine Operation sei, sie aber nicht versprechen können, dass es hinterher viel besser ist. Ich hatte die Wahl, es operieren zu lassen oder es nicht weiter auf die Spitze zu treiben. Da ich kurz vor dem 40. Lebensjahr stand und wusste, dass meine Karriere nicht mehr lange anhält, entschied ich mich gegen eine OP. Damit ich auf die Bühne konnte, musste ich zeitweise Schmerztabletten nehmen oder ich bekam Spritzen ins Hüftgelenk.

    Welche Aufgaben haben Sie jetzt?

    Zum einen organisiere, plane und koordiniere ich die Proben des Staatsballetts, zum anderen arbeite ich im Saal kreativ mit den Künstlern zusammen. Wichtig ist, dass ich nicht nur auf dem Bürostuhl hänge und in den Computer starre. Dieser „Doppeljob“ ist eine Herausforderung, weil es ein völlig neuer Schuh ist, aber es macht Spaß.

    Was hätten Sie tun können, wenn Sie früher von Ihrer Hüftdysplasie erfahren hätten?

    Die Ärzte sagten, dass die während meiner Laufbahn aufgebaute Muskulatur um die Hüften herum unter Umständen dazu führte, dass ich genau deshalb lange schmerzfrei war. Und den Eindruck hatte ich auch. Erst als ich pausierte, merkte ich, dass es durch die fehlende Muskulatur anfängt zu schmerzen.

    Wie fühlt es sich jetzt an?

    Ich mache Gymnastik und lebe gut damit. Solange ich diese Auswärtsrotationen, die beim klassischen Ballett nötig sind, nicht mehr mache, bin ich schmerzfrei. Ich bin nur nicht mehr so beweglich im Hüftgelenk. Das behindert mich aber nicht in meinem jetzigen Berufsalltag.

    War die Dysplasie der ausschlaggebende Grund, mit dem Tanzen aufzuhören?

    43 Jahre sind ein schönes und normales Alter, um als Tänzerin aufzuhören. Die Hüfte war aber mit ausschlaggebend, weil ich merkte, dass ich nur mit ständiger Schmerztabletteneinnahme hätte weiter tanzen können.

    Ich fühle mich gesund. 

    Das wollte ich nicht. In meinem jetzigen Leben spüre ich keine große Beeinträchtigung. Auch Fußgelenke, Rücken und so weiter sind heil geblieben. Darüber bin ich glücklich. Ich fühle mich gesund. 

    Pünktlich zu Ihrem Bühnenabschied erschien das Buch „Beatrice Knop: Die letzte deutsche Primaballerina“ …

    Ja, es basiert auf einer Art Interview, das meinen künstlerischen Werdegang behandelt – von der ersten Ballettstunde bis zur letzten Vorstellung. Das, damit die Leute einen Eindruck bekommen, was es heißt, diesen Weg zu gehen. Es gibt nicht viele, die so lange tanzen und das ganze Tänzerleben in einer Kompanie verbringen.

    Kann man Sie irgendwann noch mal auf der Bühne bewundern?

    Momentan bin ich nur backstage dabei. Ich schließe es aber nicht aus, dass ich noch mal eine Rolle übernehme. Allerdings müsste es etwas sein, was mich inspiriert und ich gerne mache.

    Haben Sie eine Traumrolle, die Sie gern noch tanzen würden?

    Nein, ich habe viele meiner Träume verwirklicht und tänzerisch fast alle auf der Bühne. Mein großer Wunsch war, dass ich den Abschied von der Bühne mental und psychisch gut verkrafte. Ich bin happy darüber, dass ich das geschafft habe und es mir jetzt richtig gut geht.

    Welches war Ihre tänzerische Lieblingsrolle?

    Das war die Tatjana in Onegin. Emotional und menschlich verbindet mich viel mit der Person. Es handelt von der Lebensgeschichte einer jungen Frau und ihrer Liebe zu einem Mann, die nicht erwidert wurde. Erst später im Alter bittet der Mann sie um Verzeihung und will zurück. Jeder von uns kennt solche Momente, die auch Stärke für einen neuen Lebensabschnitt erfordern. Die Geschichte ist zeitlos. Jeder kann seine eigene darin sehen.

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