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    „Ich möchte mein Leben genießen – Auch mit Migräne“

    Foto: shutterstock_1902150049

    Migräne ist weit mehr als nur Kopfschmerz – sie ist eine unsichtbare Last, die das Leben von Millionen Menschen in Deutschland prägt. Etwa 10 bis 15 % der Bevölkerung leiden darunter. Die Schmerzen kommen in Wellen: pulsierend, lähmend, begleitet von Übelkeit, Lichtblitzen, Geräuschempfindlichkeit. Für die Betroffenen bedeutet ein Migräneanfall oft den kompletten Stillstand. Trotz der hohen Verbreitung wird Migräne aber häufig unterschätzt und nicht immer adäquat behandelt. Wir sprachen mit der Ärztin Ute Bartholomäus über ihr Leben mit Migräne – und wie die richtige Behandlung ihre Lebensqualität verbessert hat.

    Mittlerweile weiß ich, dass meine Anfälle ganz unter- schiedlich sind und ich diese dann auch unterschiedlich behandeln kann.

    Ute Bartholomäus
    Fachärztin für Innere Medizin
    und selbst betroffen von Migräne
    Frau Bartholomäus, Sie sind eine von Millionen Migränebetroffenen in Deutschland. Begleitet Sie die Erkrankung schon ihr ganzes Leben? Wann fing Ihr Leidensweg an?

    Es begann in meiner Kindheit. Bereits mit sieben Jahren hatte ich anfallsweise sehr starke Kopfschmerzen, die von Übelkeit begleitet waren. Meine Mutter meinte, dass ich sicher bald meine Periode bekäme, aber zum Arzt sind wir nicht gegangen. Irgendwann wurde zwar mal ein EEG gemacht, aber das war unauffällig. Man ging dann trotzdem irgendwann davon aus, dass ich Migräne habe, da die Symptome eindeutig waren. Behandelt wurde ich in meiner Kindheit gar nicht, da meine Eltern Sorge hatten, dass mich die Schmerzmedikamente schädigen könnten. Also kämpfte ich mich weiter durch die Attacken und biss die Zähne zusammen.

    Viele sehen Migräne nicht als die schwerwiegende chronische Erkrankung, die sie ist. Welche Auswirkungen haben die Kopfschmerzattacken in Ihrem Alltag und was sind die größten Herausforderungen?

    Ich wurde so erzogen, dass meine Migräne kein Grund sei, nicht zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, also meldete ich mich deswegen eigentlich nie krank. Ich habe eher Freizeitaktivitäten zurückgefahren, habe auf Sport verzichtet, um die Reserven irgendwie wieder aufzufüllen. Heute gehe ich damit anders um, aber mittlerweile bin ich glücklicherweise auch therapeutisch gut eingestellt.

    Was mir immer noch schwer fällt, ist, kontinuierlich an einer Sache dranzubleiben. Die Migräneanfälle reißen mich stets aus dem Flow. Ich fange zum Beispiel mit einer Sportart an, aber habe dann Ausfalltage. Das macht es mir schwer, ein gewisses Leistungslevel aufzubauen.

    Gibt es bestimmte Auslöser (sog. Trigger), die bei Ihnen zu den Attacken führen können, und wie gehen Sie mit diesem Wissen um?

    Ein sehr starker Trigger waren immer Hormonschwankungen, also die Zeit um die Periode, aber auch rund um den Eisprung. Auch die Hormonveränderungen rund um Schwangerschaft und Geburt hatten Einfluss auf meine Migräne. Ganz schlecht ist es für mich auch, übermäßig hungrig zu sein. Zudem gehören Alkohol und Stress zu meinen Triggern. Auch wenn mein Tagesrhythmus gestört ist, kann das Migräne auslösen. Wenn ich weiß, dass eine stressige Zeit bevorsteht, verzichte ich daher prophylaktisch auf Alkohol, achte auf einen regelmäßigen Rhythmus und ausreichend Schlaf. Da ich aber weiß, dass die Migräne zu meinem Leben gehört und ich nicht jede Attacke vermeiden kann, versuche ich mich nicht übermäßig einschränken zu lassen. Ich möchte mein Leben ja auch genießen!

    Es gibt verschiedene Behandlungsansätze, um Migräne zu therapieren. Welche Erfahrungen haben Sie hier bisher gemacht, und was hilft Ihnen besonders im Akutfall?

    Als Erwachsene habe ich es mit Ibuprofen und Paracetamol versucht, beides hatte keine Wirkung. Erst als ich in meiner ärztlichen Klinik-Ausbildung war, habe ich mit etwa 30 Jahren zum ersten Mal Triptane eingenommen. Das waren die ersten Medikamente, die eine Wirkung zeigten. In einer Schmerzambulanz wurde ich dann zum ersten mal therapeutisch richtig eingestellt und aufgeklärt: Mir wurde erklärt, dass es eine gewisse Zeit dauern würde, bis die Medikamente ihre Wirkung entfalten und die Nebenwirkungen verschwinden, die zu Beginn noch recht stark waren. Auf Prophylaxemedikamente sprach ich leider gar nicht an, ich bin also komplett auf Akutmedikamente angewiesen.

    Mittlerweile weiß ich, dass meine Anfälle ganz unterschiedlich sind und ich diese dann auch unterschiedlich behandeln kann. Dazu gehören verschiedene Medikamente, die ich einsetze: in Tablettenform oder auch subkutan, also mit einem Spritzen-Pen, der das Medikament unter die Haut abgibt und dadurch sehr schnell wirkt. Für mich war das Führen eines Migränetagebuches eine große Hilfe, das empfehle ich auch allen meinen Migränepatienten. Denn ein wichtiger Teil der Therapie ist die Schulung der Selbstwahrnehmung auf Patientenseite. Wenn ein Patient seine Erkrankung kennt und versteht, kann er sehr viel selbstbestimmter in der Therapie agieren.

    Viele Betroffene haben vor Medikamenten, die per Spritze verabreicht werden, großen Respekt. Ist das Ihrer Meinung nach begründet, speziell auch aus ärztlicher Sicht?

    Nein, überhaupt nicht. Ich kann die Hemmungen aber durchaus verstehen und habe selbst lange gebraucht, bevor ich mich überwinden konnte, mir das Sumatriptan selbst zu spritzen. Ich denke, ich hatte Angst vor einem Kontrollverlust oder zu starken Nebenwirkungen, aber beides hat sich nicht bewahrheitet. Ich verschreibe meinen Patienten den Pen mittlerweile häufiger und kann diese Ängste aus eigener Erfahrung entkräften. Der Pen ist kinderleicht anzuwenden und die Wirkung setzt unglaublich schnell ein. Das ist ein ganz großer Vorteil gegenüber oralen Medikamenten, die deutlich länger brauchen, um ihre Wirkung zu entfalten. Ich ärgere mich rückblickend schon fast, den Pen nicht früher benutzt zu haben.

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