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    „Hört Betroffenen zu, schenkt ihnen Verständnis und Akzeptanz!“ – Phia im Interview über ihre Migräne

    Fotos: Privat

    Phia ist eine junge, erfolgreiche Frau: Sie arbeitet als Autorin, Influencerin und engagiert sich leidenschaftlich für den Tierschutz. Seit ihrer Kindheit hat Phia einen ständigen Begleiter: Sie leidet unter starker Migräne mit Aura. Im Interview erzählt sie, warum Migräne viel mehr ist als „nur ein bisschen Kopfweh“ und warum es noch viel Aufklärungsbedarf gibt.

    Meine Familie und mein Freundeskreis sind eine unglaubliche Stütze für mich, haben mich immer unterstütz und mir zugehört. Das gilt genauso für mein Ärzteteam, das mich jetzt betreut.

    Phia Quantius
    @phia_quantius
    Liebe Phia, du hast wie etwa jeder fünfte Mensch eine Migräne-Erkrankung, und das bereits seit deiner Kindheit. Kannst du uns kurz erzählen, wie sich deine Krankheit bemerkbar gemacht hat und wie sie diagnostiziert wurde?

    Als Kind hatte ich häufig Übelkeit und Erbrechen, aber meine Eltern dachten, dass das Magen-Darm-Beschwerden sind. Heute weiß ich, dass das vermutlich schon die ersten Symptome meiner Migräne waren. Meinen ersten bewussten Anfall hatte ich mit elf Jahren. Ich war an einem heißen Sommertag zum Geburtstag meiner besten Freundin eingeladen. Mir ging es zwar morgens schon schlecht, aber ich wollte unbedingt auf die Party. Im Laufe des Nachmittags wurde ich immer ruhiger und leiser, was total untypisch für mich war. Als wir im Keller T-Shirts batiken wollten, ging es los: Ich begann zu zittern, wurde wackelig und plötzlich war alles schwarz. Ich wachte dann auf dem Sofa wieder auf und wusste gar nicht, was los war. Meine Mutter holte mich dann sofort ab. Abends musste ich mich dann auch noch übergeben. Ab da kamen die Anfälle immer häufiger, und wir wussten, das kann kein Magen-Darm-Infekt sein. Mein damaliger Kinderarzt überwies mich dann recht schnell in die Neurologie, wo ein MRT gemacht wurde. Danach war klar, dass ich Migräne mit Aura habe. Mehr Infos oder Hilfe bekamen wir aber nicht.

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    Was hat es mit dir gemacht, als du wusstest: Ich habe eine neurologische Erkrankung, für die es noch keine Heilung gibt?

    Mit elf konnte ich noch gar nicht fassen, was die Diagnose bedeutet. Ich habe mich jahrelang durch die Anfälle gequält, die Schmerzen wurden zum Normalzustand. Die Anfälle wurden aber immer schlimmer, ich landete mehrfach im Krankenhaus und meine Eltern hatten wirklich Angst um mein Leben. Da wusste ich, dass es so nicht mehr weiter geht. Ich habe dann viel recherchiert und dabei erst verstanden, dass meine Symptome nicht mehr weggehen und ich mein Leben lang diese Krankheit haben werde. Erst mit Anfang 20 habe ich gute Ärzte gefunden, die meine Situation wirklich ernst nahmen. Erst da hörte ich, was es alles an Möglichkeiten gibt: Triptane, Prophylaxemedikamente, und vor allem eine lückenlose neurologische Betreuung. Und vor allem hörte ich da das erste Mal von Experten, dass ich eine schwere chronische Erkrankung habe.

    Migräne kann viele Ausprägungen haben, bei dir sind sie besonders schwerwiegend. Wie gehst du im Alltag damit um, wenn sich eine Attacke ankündigt, und was hilft dir?

    Ich habe im Laufe der Jahre nach dem Trial-and-Error-Prinzip vieles ausprobiert. Ich weiß mittlerweile, dass Kälte für mich ein großer Trigger ist, daher hilft mir Wärme. Mit 18 habe ich beschlossen, komplett auf Alkohol zu verzichten, weil auch der Attacken getriggert hat. Daher würde ich jedem empfehlen, ein Migränetagebuch zu führen, um die individuellen Trigger zu erkennen. Zudem habe ich immer meine Medikamente dabei, damit ich schnell reagieren kann, wenn sich eine Attacke anbahnt. Eine Blaulichtfilterbrille und meine Sonnenbrille helfen mir ebenso.

    Und wenn ich merke, dass es eine starke Attacke ist, dann brauche ich meine Ruhe und meine Medikamente, weil dann sowieso gar nichts mehr geht. Ich habe auch einige Zeit eine Prophylaxetherapie bekommen, die meine starken Anfälle sehr reduziert hat. Dazu muss man aber auf jeden Fall mit seinem Arzt ins Gespräch gehen.

    Du bist seit deiner Jugend als Model aktiv und viel in der Welt herumgekommen. Dabei bist du sicher nicht nur auf Verständnis gestoßen, oder?

    So traurig es klingt: Für mich ist es normal, Schmerzen zu haben. In meiner Jugend habe ich mich für meine Krankheit geschämt, habe also gar nicht darüber gesprochen, was ich habe. In der Modelbranche musst du funktionieren. Denn wenn du den Job nicht machst, bekommt ihn ein anderer. Ich habe also einfach durchgezogen, trotz Schmerzen, auch wenn ich wusste, dass ich danach für zwei, drei Tage komplett ausgeknocked sein würde.

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    Wie hat sich dein Umgang mit der Migräne im Laufe der Jahre verändert und warum hast du dich entschieden, öffentlich über deine Erkrankung zu sprechen?

    Ich würde sagen, dass meine Neurologin, die mir mit Anfang 20 sagte, dass ich schwer chronisch krank bin, mich geweckt hat. Als ich mit Social Media angefangen habe, sprach ich immer öfter mit meinem Freund Malte darüber, ob ich dort nicht auch offen mit meiner Erkrankung umgehen sollte. Ich habe mich aber total schwer damit getan, wie ich das kommunizieren kann. Damals gab es noch nicht viele Influencer, die offen mit Erkrankungen umgingen, alles machte einen perfekten und polierten Eindruck. Gott sei Dank hat sich hier mittlerweile viel getan!

    Wir begannen dann irgendwann, meine Anfälle zu filmen, damit ich Malte hinterher erzählen kann, was mir hilft. Denn auch er sagte mir: „Ich denke jedes Mal, du stirbst mir weg! Was kann ich tun?“ Das Videomaterial war also da, und ich dachte: ok, das wäre ja ein Ansatz, die knallharte Realität zu posten, ohne es zu beschönigen. Die Hemmschwelle war aber riesig, man zeigt sich so verletzlich! Es hat Monate gedauert, bis ich mich dazu durchringen konnte. Irgendwann habe ich es einfach gemacht, aber dann das Handy stundelang ausgeschaltet, weil ich Angst vor den Reaktionen hatte. Am nächsten Tag habe ich das Handy wieder angeschaltet und war vollkommen von den Socken. Ich habe unzählige positive Nachrichten bekommen und wusste, dass ich damit nicht allein bin und verstanden werde! Aber ich war auch geschockt, dass so viele andere betroffen sind. Seitdem weiß ich, dass es ein stückweit meine Aufgabe ist, diesem Thema Gehör zu verschaffen. Ich bin unglaublich dankbar für diese Community, weil man sich gegenseitig so viel geben kann.

    Was wünschst du dir, wenn es um den Umgang mit Migränepatienten geht?

    Meine Familie und mein Freundeskreis sind eine unglaubliche Stütze für mich, haben mich immer unterstütz und mir zugehört. Das gilt genauso für mein Ärzteteam, das mich jetzt betreut. Wenn also ein Mensch eine chronische Erkrankung hat, und ich spreche hier nicht nur von Migräne, dann ist es essenziell, dass man Betroffenen zuhört und ihnen Verständnis und Akzeptanz entgegenbringt. Das macht den entscheidenden Unterschied!

    Mehr aus ihrem Alltag, wie ein Migräneschub aussehen kann und wie ihr Freund Malte sie dabei unterstützt, finden Sie auf Phias Instagramprofil!

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