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Kopf und Psyche

„ICH MUSSTE LERNEN, MIR SELBST LIEBE ZU GEBEN.“

Fotos: vavo media

Depressionen treffen Millionen Menschen in Deutschland. Model und Influencerin Klaudia Giez spricht offen über ihre eigenen Erfahrungen und warum Offenheit so wichtig ist.

THERAPIE SOLLTE FÜR ALLE ZUGÄNGLICH SEIN, OHNE LANGE WARTEZEITEN UND UNABHÄNGIG DAVON, OB MAN PRIVAT ODER GESETZLICH VERSICHERT IST.

Klaudia Giez
@klaudiagiez
Du bist in Deutschland als immer positive und lächelnde Persönlichkeit bekannt. Wann und wie hast du hier Veränderungen verspürt? Hast du sofort an eine Despression gedacht?

Schon in meiner Schulzeit hatte ich immer wieder dunkle Gedanken, aber damals habe ich das eher auf die Pubertät geschoben. Irgendwann saß ich in meinem Zimmer und habe zu meiner Mutter gesagt: “Irgendetwas stimmt nicht mit mir.“ Ich wollte nicht mehr zur Schule gehen, habe mich oft zurückgezogen, nichts hat mir Freude bereitet. Das war ungefähr mit 16 Jahren. Als ich später nach Berlin gezogen bin, dachte ich zunächst, es wäre nur eine Phase gewesen und mir würde es wieder gut gehen. Aber die Gefühle kamen zurück – und da habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, dass es mehr ist als nur eine kurze Stimmungsschwankung.

Wann war der Punkt, an dem du dir gedacht hast, dass du dir Hilfe suchen musst musst? Gab es einen bestimmten Auslöser?

Schon in meiner Schulzeit habe ich mir Hilfe gesucht, allerdings erst nach längerer Zeit. Nach meinem Umzug mit 18, 19 Jahren habe ich dann gemerkt, dass ich wieder in Therapie gehen muss – einfach weil es keine einmalige Sache war, sondern etwas, das immer wiederkehrt. Trotzdem habe ich es oft verdrängt, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Es gab Phasen, in denen ich meine Termine gar nicht mehr wahrgenommen habe, weil es für mich unbequem war, mich wirklich mit meinen Gefühlen auseinanderzusetzen. Heute weiß ich: Heilung ist ein langer Weg, der viel Arbeit bedeutet – aber auch, dass es sich lohnt, diesen Weg konsequent zu gehen.

Gibt es Strategien, Routinen oder Menschen, die dir besonders geholfen haben, mit depressiven Phasen umzugehen?

Mir hilft es sehr, meine Gedanken aufzuschreiben und so ein Stück Ordnung in mein inneres Chaos zu bringen. Auch Bewegung spielt eine große Rolle – sei es beim Sport oder beim Eisbaden, das mich richtig ins Hier und Jetzt zurückholt. Ganz wichtig sind für mich Gespräche mit meinen Freunden und meiner Mutter, die mir Halt geben. Oft finde ich Ruhe, wenn ich einfach im Garten sitze, den Vögeln lausche, Blumen gieße oder mich um neue Pflanzen kümmere – das erdet mich und verhindert, dass ich in Panik verfalle, wenn es mir schlecht geht. Außerdem habe ich gelernt, meine Gefühle zuzulassen, statt sie zu verdrängen. Wenn ich weine, ist das manchmal sehr intensiv – aber danach spüre ich jedes Mal eine große Erleichterung und merke, dass es mir besser geht. Das hat mir geholfen, ruhiger und gelassener mit schwierigen Phasen umzugehen.

Was war der wichtigste Schritt auf deinem Weg in die Stabilisierung oder Heilung?

Für mich war der wichtigste Schritt, ehrlich zu mir selbst zu sein und mir einzugestehen, dass ich Hilfe brauche. Ich habe lange versucht, alles alleine zu schaffen und stark zu wirken – bis ich verstanden habe, dass genau das mich noch mehr belastet hat. Richtig viel verändert hat sich erst, als ich angefangen habe, den Fokus auf mich zu legen: mir selbst Liebe zu geben, anstatt sie im Außen zu suchen. Ich habe kleine Routinen entwickelt, die mir unglaublich helfen. Das gibt mir das Gefühl, dass ich mein Inneres sortieren kann. Auch zu akzeptieren, dass es völlig okay ist, zu weinen und schwach zu sein, war ein wichtiger Schritt. Genau in diesen Momenten habe ich gemerkt: Ich lasse los, und danach geht es mir besser. All das hat mich Stück für Stück stabiler gemacht.

Welchen Vorurteilen bist du bereits bezüglich deiner Depression begegnet und was wünscht du dir im Umgang mit dem Thema Depression?

Leider habe ich schon öfter erlebt, dass Depressionen nicht ernst genommen werden – auch bei Ex-Partnern habe ich oft das Gefühl gehabt, nicht verstanden zu werden. Mir wurde teilweise vermittelt, ich sei “verrückt“ oder solle mich am besten gleich einweisen lassen. Auch im Internet gab es Stimmen, die behauptet haben, man spreche nur über so ein Thema, um Aufmerksamkeit oder Reichweite zu bekommen. Solche Vorurteile zeigen, wie viel Aufklärungsarbeit noch notwendig ist.

Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen offen über ihre psychische Gesundheit sprechen, sich Hilfe holen und sich nicht dafür schämen oder verstecken. Vor allem wünsche ich mir, dass Therapie für alle zugänglich ist – ohne monatelange Wartezeiten. Nicht jeder hat das Glück, privat versichert zu sein oder selbst zahlen zu können. Therapie sollte für alle gleich schnell und unkompliziert erreichbar sein.

Weitere Informationen finden Sie auf Klaudias Instagram-Kanal:

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