“AUFGRUND VON ADHS HABE ICH GROßE SCHWIERIGKEITEN, MIR SELBER STRUKTUREN UND ROUTINEN ZU SCHAFFEN UND DIESE DANN AUCH BEIZUBEHALTEN.“
Benedikt Napolowski
ADHS Creator
@bene_adhso
ADHS – das verbinden viele noch immer ausschließlich mit zappeligen Schulkindern. Doch ADHS begleitet viele Betroffene weit über die Kindheit hinaus. Bene bekam seine Diagnose erst mit 43. Auf Social Media teilt er offen und humorvoll seine Erfahrungen mit ADHS – und gibt dabei nicht nur Einblick in sein eigenes Leben, sondern schafft auch ein wichtiges Bewusstsein für das Thema.
Bene, du wurdest erst im Erwachsenenalter mit ADHS diagnostiziert. Wie kam es zur Diagnose?
Den ersten Hinweis, dass ich ADHS haben könnte, bekam ich mit Mitte 30, was ja auch schon recht spät ist. Damals wollte ich das aber nicht wahrhaben. Ich habe mich zwar zu diesem Thema belesen, aber es gab damals noch nicht viele Informationen dazu, und der Großteil davon war negativ. Also hakte ich das Thema für mich wieder ab. Fast 10 Jahre später hatte ich während der Corona-Pandemie mit Depressionen zu kämpfen. Ich begann eine Therapie und dachte, dass ich nun auch testen lassen könnte, ob an der ADHS-Vermutung was dran ist. Und siehe da: mit 43 Jahren bekam ich meine Diagnose.
Viele erwachsene Betroffene erzählen, dass nach der Diagnose plötzlich vieles Sinn ergibt, wenn man einen Blick zurückwirft. War das bei dir auch so?
Absolut. Nach der Diagnose habe ich begonnen, mich intensiv damit auseinanderzusetzen. Auf dieser Lernreise sind plötzlich ganz viele Lampen angegangen. Ich verstand plötzlich, warum ich manche Dinge einfach nicht genauso konnte wie andere. Das war und ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle. ADHS bedeutet für viele Betroffene einen enormen Leidensdruck. Viele fragen sich, was gewesen wäre, wenn es früher erkannt worden wäre. Hätte man sich viel Leid ersparen können?
Die Schulzeit hat z. B. tiefe Narben bei mir hinterlassen. Ich bekam oft das Gefühl vermittelt, nicht klug genug zu sein, weil ich am Lernen scheiterte, da ich die Konzentration dafür nicht aufbringen konnte. Ich war deswegen einer der schlechtesten Schüler meiner Klasse. Da ich in der Grundschule eher ein stilles, verträumtes Kind war, dachte man erst recht nicht an ADHS. In der weiterführenden Schule gewann dann eher die Hyperaktivität die Oberhand und ich wurde zum „klassischen ADHSler“, aber damals wusste man noch viel zu wenig darüber. Deshalb ist es mir jetzt auch so wichtig, meine Erfahrungen zu teilen und für Aufklärung zu sorgen.
Was sind für dich im Alltag die größten Herausforderungen aufgrund von ADHS und was hilft dir, damit umzugehen?
Die Herausforderungen sind mannigfaltig. Aufgrund von ADHS habe ich große Schwierigkeiten, mir selber Strukturen und Routinen zu schaffen und diese dann auch beizubehalten. Unliebsame Dinge einfach anzupacken, fällt mir schwer.
Ich schiebe vieles auf, während mich die Gedanken an diese Pflichten weiter belasten. Mittlerweile weiß ich, dass ich das aufgrund von ADHS oft gar nicht anders kann, weil mein Gehirn anders funktioniert: Denn bei ADHS ist die Signalübertragung durch die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im präfrontalen Kortex gestört. Aber das macht es natürlich in dem Moment nicht besser.
Im sozialen Miteinander habe ich irgendwann bemerkt, dass ich mir Masken zugelegt habe, um in verschiedenen Situationen dafür zu sorgen, dass ich akzeptiert und gemocht werde. Diese Erkenntnis war schon ernüchternd, da das im Umkehrschluss für mich bedeutete, dass viele Menschen mich gar nicht so kannten, wie ich wirklich bin.
Mittlerweile bin ich in verhaltenstherapeutischer Behandlung und lerne dort vor allem eines: Selbstakzeptanz. Zudem helfen mir Entspannungsübungen und Sport, um die innere und äußere Unruhe beherrschbarer zu machen. Und das Wichtigste für mich ist, dass ich mittlerweile gut medikamentös eingestellt bin. Keiner sollte dafür verurteilt werden, Medikamente in Anspruch zu nehmen, wenn diese Entscheidung informiert und aufgeklärt getroffen wurde. Alle reden immer gern über die möglichen Nebenwirkungen der Medikamente, aber keiner spricht darüber, welche Auswirkungen es haben kann, wenn ADHS nicht behandelt wird.
Du teilst deine Erfahrungen ganz offen und mit viel Humor über Social Media. Was ist dein Antrieb dafür und welche Rolle spielt der Austausch mit anderen auch für dich persönlich?
Ich habe damals eher zufällig bei YouTube angefangen, meine Erfahrungen zu teilen. Damals gab es noch nicht viele ADHS-Creator, und ich dachte, dann lerne ich einfach laut und lasse andere dabei zuhören. Vielleicht hilft es dem einen oder anderen. Ich wollte schon zigmal aufhören, aber habe dann immer wieder tolle Nachrichten bekommen, dass das, was ich mache, tatsächlich hilft. Das ist und bleibt mein Antrieb. Durch den Austausch mit anderen Betroffenen lerne ich aber auch selbst weiterhin unglaublich viel über den Alltag mit ADHS!
Auf Social Media teilt Bene seinen Alltag mit ADHS:
Instagram: @bene_adhso
YouTube: @Bene_ADHSo




