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    Pollenflug und Klimawandel: Warum Beschwerden früher beginnen können

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    Heuschnupfen zählt zu den am weitesten verbreiteten Allergien in Deutschland. Warum der fortschreitende Klimawandel die Beschwerden Betroffener sowohl verschlimmern als auch verlängern kann, erklärt Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst und Lungenarzt am Institut für Allergieforschung der Charité Berlin.

    Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann

    Vorstandsvorsitzender Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst

    Lungenarzt am Institut für Allergieforschung der Charité Berlin

    Foto: ECARF

    Sonnenschein, Wärme und Wind beeinflussen die Freisetzung und den Flug der Pollen.

    Sind immer mehr Menschen in Deutschland von Heuschnupfen betroffen?

    Die Zahl der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die nach ärztlicher Untersuchung an einem Heuschnupfen leiden, war in den vergangenen 30-40 Jahren in Deutschland deutlich angestiegen, befindet sich jetzt aber eher auf einem zwar hohen, aber doch stabilen Plateau. Es wird häufig darüber geschrieben, dass Allergien und insbesondere der Heuschnupfen ständig weiter ansteigen würden, die aktuellen Zahlen können das aber nicht mit Sicherheit belegen.

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    Dabei muss ich einräumen, dass diejenigen Personen, die einen Heuschnupfen haben, in den letzten Jahren möglicherweise stärkere Symptome an Auge und Nase hatten, insbesondere, wenn sie in Großstädten mit schlechter Luftqualität leben. Der Feinstaub führt in Städten dazu, dass bei gleicher Menge an zum Beispiel Birkenpollen mehr Symptome beziehungsweise stärkere Symptome empfunden werden, wenn die Belastung mit Feinstaub ansteigt. Dies ist ein ganz eigenes Thema.

    Viele Allergiker haben das Gefühl, dass die Pollensaison früher beginnt. Was ist der Grund dafür?

    Die Allergiker, die das Gefühl haben, dass der Pollenflug am Anfang des Jahres immer häufiger früher beginnt, haben das richtige Empfinden. Im Schatten des Klimawandels haben wir in den letzten Jahren beobachtet, dass insbesondere der Flug der Baumpollen deutlich früher beginnt. Das sind insbesondere die Pollen von Haselnuss, Erle und Birke, die allerdings auch früher wieder ihren Flug beenden. Die Saison der Gräserpollen hat sich nur gering nach vorne bewegt und der Flug der Pollen aus Beifuß und Ambrosia kann sich in den Monaten mit milden Wetterlagen im Herbst verlängern.

    Können Sie uns erklären, wie genau diese Temperaturänderungen den Pollenflug beeinflussen?

    Die Freisetzung von Pollen und ihr Flug sind sehr von klimatischen Bedingungen abhängig: Sonnenschein, Wärme und Wind beeinflussen die Freisetzung und den Flug der Pollen. Es sind insbesondere die im Rahmen des Klimawandels frühen beziehungsweise milden Winter mit bisher ungewohnten Temperatursteigerungen schon im Januar oder Februar, die dazu führen, dass die Reifung und Freisetzung der Pollen früher als vor einigen Jahrzehnten stattfinden. Bei Kälte werden die Pollen nicht freigesetzt.

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    Welche Folgen hat das für Allergiker?

    Für diejenigen Personen, die unter einem Heuschnupfen leiden, gibt es mehrere Veränderungen: zunächst diejenige, die wir eben besprochen haben, dass nämlich der Flug der Baumpollen früher beginnt, dann allerdings auch früher endet. Der Flug der Baumpollen, insbesondere der Birkenpollen, wird von vielen Erkrankten als besonders stark empfunden, vermutlich, da die Symptome nach einer, wenn noch kurzen pollenfreien Zeit, erneut auftreten. Für diejenigen Personen, die sowohl unter einer Baum-Pollenallergie als auch Gräser- und Kräuter-Pollenallergie leiden, ergibt sich eine Verlängerung ihrer Leidenszeit. Wir sprechen von einer Spreizung des Pollen-Flugs. Allergiker sollten also darauf bedacht sein, sich schon im November oder Dezember von ihrem behandelnden Arzt ein gutes Anti-allergisches Medikament verordnen zu lassen oder, noch besser, darüber nachzudenken, ob nicht die Zeit für eine sogenannte Immuntherapie gekommen ist. Diese Therapie kann in klassischer Form mit Injektionen unter die Haut erfolgen oder aber als so genannte sublinguale Form mit Tropfen oder Tabletten, die über den Mund aufgenommen werden. Beide Methoden haben etwa gleiche Effekte, die Zahl der Nebenwirkungen ist bei Tabletten und Tropfen geringer.

    Was können Betroffene tun, um sich auf diese Veränderungen vorzubereiten?

    Wie auch bei anderen Erkrankungen gilt für Allergiker der Satz: Je mehr du von deiner Krankheit weißt, umso weniger leidest du darunter. Allergiker sollten unbedingt wissen, durch welche Pollenart sie Symptome haben, wann diese Pollen auftreten, ob es Orte gibt, die relativ wenig Pollen haben (zum Beispiel an der See) und welche modernen Behandlungsmethoden es gibt. Sehr zu empfehlen sind die beiden in Deutschland vorhandenen Apps, die Husteblume der Techniker Krankenkasse und die Pollen App. In beiden Apps gibt es sehr gute Vorhersagen des Pollenflugs und die Husteblume gibt zugleich gute Therapiehinweise. In beiden Apps kann der Nutzer seine Beschwerden an Nase, Augen und Bronchien registrieren und sie dann mit dem stattgefundenen Pollenflug vergleichen, so dass er sogar selbst herausfinden kann, welche Pollenart bei ihm die stärksten Symptome auslöst.

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