Nikolaos Rizidis (33) wurde im Alter von acht Jahren mit Morbus Stargardt diagnostiziert. Seit 2014 ist er gesetzlich blind. Heute arbeitet er als Sozial- und Rehapädagoge und inspiriert auf Instagram, TikTok und YouTube mit Alltagseinblicken, Humor und seinem Blindenführhund Orlando, um mehr Inklusion zu erreichen.
ORLANDO BEGLEITET MICH SEIT ACHT JAHREN ÜBERALL HIN, SEI ES ZUM SPORT, ZUM ARZT ODER ZUM EINKAUFEN. ER IST FÜR MEINE SICHERHEIT IM STRAßENVERKEHR ZUSTÄNDIG.
Nikolaos Rizidis
@nikolaos.pegasos
Auf deinen Social-Media-Kanälen nimmst du deine Follower mit auf deine Reisen. Dieses Jahr warst du sogar auf deinem ersten Festival. Wie erlebst du diese Reisen? Welche Herausforderungen gibt es und wie gehst du damit um?
Ich reise tatsächlich immer mit meiner Frau, die der sehende Part in unserer Beziehung ist. Wir meistern solche neuen Herausforderungen gemeinsam. Dieses Jahr waren wir gemeinsam auf einem Festival, was für mich das erste Mal war. Abgesehen davon, dass wir eine wirklich schöne und intensive Zeit hatten, hatte ich dennoch einige Bedenken, die ich vorab mit meiner Frau und dem Freundeskreis geteilt habe. Ein Festival ist natürlich – abgesehen von der Musik auf den Bühnen – auch mit weiteren Geräuschen rund um die Zelte verbunden. Dort spielen die Leute dann oft ihre eigene Musik. Außerdem ist man von vielen unterschiedlichen Stimmen und Gesprächen umgeben. Die Herausforderung lag für mich also darin, all diese Geräusche filtern zu können, da ich natürlich auf das Hören angewiesen bin. Das heißt, wenn ich mich unterhalten habe, musste ich sehr darauf achten, mich von diesen vielen Geräuschkulissen nicht ablenken zu lassen, was für mich persönlich sehr schwierig ist. Zudem war es manchmal auch nicht so leicht, sich durch die Menschenmassen zu bewegen. Zwar hatte ich meinen Blindenstock dabei und konnte mit meiner Frau Hand in Hand laufen, aber gerade auf einem Festival bekommen es die Menschen mitunter erst sehr spät mit, dass ich blind bin.
Welche Rolle spielen Hilfsmittel und digitale Technologien in deinem Alltag?
Ich habe verschiedene Hilfsmittel für unterschiedliche Alltagssituationen. Vor allem mein Hund Orlando und mein Blindenstock geben mir außerhalb der eigenen vier Wände Sicherheit. Beim Kochen kann ich beispielsweise eine digitale Waage nutzen, die mir die Gewichtsangaben mündlich mitteilt. Ich habe auch eine Eingießhilfe, einen Füllstandsmesser, der anfängt zu piepen und zu vibrieren, sobald ich nicht mehr weitergießen sollte. Da sich die Digitalisierung sehr schnell entwickelt, ist das für Menschen mit Sehbeeinträchtigung tatsächlich nur von Vorteil und eine große Chance, noch mehr am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Ich kann beispielsweise mein komplettes Telefon über VoiceOver steuern. Auch Apps für die Koordination des öffentlichen Nahverkehrs sind für mich sehr hilfreich.
Dein Blindenhund Orlando ist ein wichtiger Begleiter im Alltag. Wie unterstützt er dich?
Orlando begleitet mich seit acht Jahren überall hin, sei es zum Sport, zum Arzt oder zum Einkaufen. Die Mitarbeitenden im Supermarkt freuen sich immer sehr, wenn ich mit ihm komme, weil sie ihn kennen. Am Ende bekommt er sogar immer ein Leckerli. Er ist für meine Sicherheit im Straßenverkehr zuständig. Für mich bedeutet das, dass er sozusagen meine Augen ersetzt und damit mein Leben in seinen Pfoten liegt. Man denkt immer, dass das nicht so oft vorkommt. Wenn auf dem Gehweg beispielsweise Mülltonnen oder andere Hindernisse stehen, muss er mich vom Gehweg herunter- und um das Hindernis herum- und anschließend wieder auf den Gehweg hinaufführen. In diesem Moment begeht er einen sicherheitsrelevanten Fehler, den er aber machen muss, weil diese Hindernisse im Weg sind. Gerade in solchen Situationen bin ich extrem auf ihn angewiesen und froh, ihn an meiner Seite zu haben.
Gibt es eine Erfahrung, die dir gezeigt hat, welches Potenzial in inklusivem Miteinander steckt?
Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass mir Leute sagen, ich sei gar nicht blind, sondern täusche das nur vor, weil man mir auf den ersten Blick nicht ansieht, dass ich blind bin. Das liegt auch daran, dass ich meinen Blick immer nach vorne richte.

Für mich ist das eine Geste der Höflichkeit und des Respekts. Nur weil ich nicht sehen kann, heißt das ja nicht, dass ich einer Person nicht ins Gesicht schauen kann, wenn ich mich mit ihr unterhalte. Das ist für mich beispielsweise auch ein Teil von Inklusion. Zudem bin ich Pädagoge und arbeite in einem inklusiven Café. Neben der pädagogischen Arbeit gibt es auch einen gastronomischen Anteil, den ich leisten muss. Deshalb bringe ich den Gästen das Essen an den Tisch. Das verstehen andere Menschen erst einmal nicht, bis ich erkläre, dass ich das schon jahrelang mache und genau weiß, wo jeder Tisch steht. So entsteht ein inklusives Miteinander, gegenseitiges Verständnis und die Menschen erkennen, dass man durch eine Sehbehinderung nicht in allem komplett eingeschränkt ist.
Welche Botschaft möchtest du Menschen mitgeben, die selbst sehbehindert sind oder gerade erst eine entsprechende Diagnose erhalten haben?
Ich weiß, dass es im Leben schwierige Phasen geben kann, in denen es mal besser und mal schlechter läuft. Dennoch finde ich es sehr wichtig, gerade in diesen Phasen nicht aufzugeben und den Kopf nicht in den Sand zu stecken.
Deshalb ist es enorm wichtig, sich in schwierigen Phasen Hilfe und Unterstützung zu holen und mit Menschen zu sprechen, die einem nahestehen. Wichtig ist auch, an sich selbst zu glauben und sich von niemandem einreden zu lassen, dass man etwas nicht kann.

Foto: Ayleen Kuljis
Manchmal nehme ich mir Dinge vor und probiere dann einfach aus, ob sie funktionieren oder nicht. Selbst wenn es nicht klappt, habe ich es immerhin versucht. Trotz eurer Einschränkung solltet ihr versuchen, Dinge auszuprobieren und eure Träume zu verfolgen.
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