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    „Die Lebenszeit signifikant verlängern“

    Foto: H_Ko via Shutterstock.com

    Dr. med. Knud Gastmeier (KG) und Dr. med. Anne Gastmeier (AG) sind ein besonderes wissenschaftliches Team: Sie sind Vater und Tochter und verfügen zusammen über umfangreiche Erfahrungen mit der Betreuung von Patienten in der Spezialisierten Ambulanten Palliativmedizin, SAPV. Die Erkenntnisse, die sie hier aus dem Einsatz cannabisbasierter Medikamente gewonnen haben, könnten in vielen Fällen nebenwirkungsreiche Opiate als klassische Medikation ablösen. Ihre Hoffnung: dass dies nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene, sondern auch seitens der Krankenkassen Gehör findet.

    Herr Dr. Gastmeier, für Sie spielte Cannabis in der Medizin schon lange vor der Gesetzesänderung im Jahr 2017 eine relevante Rolle – wie kam es dazu und wie sind Sie auf den Zusammenhang zwischen Cannabis und Medizin gestoßen?

    KG: Seit 1986 befasse ich mich mit dem Thema Schmerztherapie. Opiate mindern zwar bei vielen Patienten die Schmerzen, aber sie haben auch starke Nebenwirkungen wie Verstopfung, Abstumpfung oder Appetitlosigkeit, was weitere Probleme mit sich bringt. Da Cannabinoide gegen Appetitlosigkeit wirken, habe ich ab etwa 2000 damit begonnen, erste therapeutische Erfahrungen damit zu sammeln, und habe festgestellt, dass Cannabinoide neben der Appetitanregung weitere sehr positive Effekte haben. 

    Aktuell liegt Ihr gemeinsamer Fokus auf der Palliativmedizin und darauf, inwiefern Cannabis in diesem Bereich hilfreich sein könnte. Wie kam es dazu, dass Sie anfingen, sich mit der Palliativmedizin zu beschäftigen?

    KG: Ich hatte viele geriatrische Patienten, auch Krebspatienten, die zum Sterben ins Krankenhaus gekommen waren, aber eigentlich nicht im Krankenhaus bleiben mussten. Wir haben die Lösung gefunden, sie ambulant zu behandeln und in der SAPV, der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung, im vertrauten Umfeld ambulant palliativ zu betreuen. 

    Foto: Dr. med. Knud Gastmeier (KG), Dr. med. Anne Gastmeier

    Frau Dr. Gastmeier, können Sie uns kurz erklären, was Palliativmedizin ist?

    AG: Die Palliativmedizin betreut Menschen, die eine schwere chronische oder insgesamt eine schwere Erkrankung haben, die nicht heilbar ist. Es geht in der Palliativmedizin um eine Verbesserung der Lebensqualität, was auch lebensverlängernd wirken kann. Je früher Patienten palliativ betreut werden können, desto besser ist es für den Verlauf.

    Sie beide arbeiten an einer Studie, in der Cannabis als Arzneimittel und die Auswirkungen auf die Verlängerung der Lebenszeit von Patienten in der ambulanten Palliativversorgung untersucht werden. Zu welchen Ergebnissen sind Sie bis zum jetzigen Zeitpunkt gekommen?

    AG: Wir hatten aufgrund unserer Erfahrungen in unseren Praxen die Hypothese, dass Cannabis die Lebensqualität verbessert. Als wir die Patienten-Daten ausgewerteten haben, stellten wir fest, dass die Patienten, bei denen wir Cannabis-basierte Medikamente eingesetzt haben, signifikant länger leben. Bei schwerstkranken Patienten der SAPV beträgt der Medianwert der Lebensspanne ohne Cannabis 44 Tage, mit Cannabis liegt er bei 62 Tagen.

    Welche Ziele verfolgen Sie mit medizinischem Cannabis im Bereich der Palliativmedizin?

    KG: Cannabis ist eine sehr effektive Substanz für die Therapie von Stress, Angst und Schlaflosigkeit. Wenige Tropfen reichen aus. In dieser geringen Dosis haben Cannabisbasierte Medikamente kaum Nebenwirkungen – ganz im Gegensatz zu beispielsweise Opiaten. Wir können oft das Opiat durch Cannabis ersetzen, was den Betroffenen auch eine aktivere Teilnahme am sozialen Leben ermöglicht, als dies bei Opiaten der Fall ist. Die Lebensqualität zu verbessern, ist die Zielsetzung in der Palliativmedizin. Das gelingt mit Cannabis.

    Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell noch?

    KG: Auch für schwerstkranke Patienten, die eine SAPV bewilligt bekommen haben, muss eine cannabisbasierte Medikation bei den Kassen beantragt und bewilligt werden. Das ist ein langwieriger Prozess, gerade bei Patienten der SAPV fehlt aber die Zeit. Es geht ja darum, ihnen die letzten Tage su angenehm wie möglich zu bereiten. Wir wünschen uns für Patienten, bei denen klar ist, dass sie nicht mehr lange zu leben haben, die Möglichkeit, Cannabis gleich zu Beginn in die Medikation der SAPV aufnehmen zu können. Hier benötigen wir ein Umdenken aufseiten der Kassen.

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