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    Die Lebensqualität sollte im Vordergrund stehen 

    FOTO: Maridav via shutterstock.com

    Ann-Sophie Knittel erhielt die Diagnose „Endometriose“ im Jahr 2021. Die heute 28-Jährige ist jedoch nicht nur Betroffene, sie setzt sich auch wissenschaftlich mit der Erkrankung auseinander.

    Ann-Sophie Knittel

    Endometriosebetroffene

    Welche Symptome sind charakteristisch für die Erkrankung und wie und wann haben sich diese bei Ihnen geäußert?

    Starke Menstruationsschmerzen werden oft mit Endometriose in Verbindung gebracht. Allerdings können Endometrioseherde an unterschiedlichen Orten und auch zyklusunabhängig auftreten, Schmerzen im ganzen Körper auslösen und auch verschiedene Organe befallen, z. B. Bauchfell, Darm, Blase oder Eierstöcke. Sie wachsen z. T. invasiv, sodass sie mitunter bleibende Organschäden verursachen. Auch Unfruchtbarkeit kann eine Folge von Endometriose sein, dies ist Schätzungen zufolge bei etwa 40 bis 60 Prozent aller ungewollt kinderlosen Frauen der Fall. Hinzu kommen Begleiterscheinungen wie Erschöpfungszustände, Nervenschmerzen in den Beinen oder im Rücken, Fibromyalgie oder Migräne. Auch der sogenannte „Endo-Belly“, der Blähbauch, ist sehr verbreitet. Ich selbst hatte ganz verschiedene Symptome, die sich im Laufe der Jahre stark veränderten und den ganzen Körper betrafen.

    Welche Einschränkungen erlebten und erleben Sie im Alltag?

    Ich hatte und habe teilweise starke körperliche Einschränkungen, fühle mich phasenweise sehr schlapp und erschöpft, mit Schmerzen im ganzen Körper. Ich war manchmal mehrere Tage oder auch eine Woche wie ausgeschaltet und bin nicht an jedem Tag gleich leistungsfähig, was das Planen schwer macht. Natürlich ist es auch eine psychische Belastung, wenn man mit starken Beschwerden kämpft, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Meine Familie hat mich zum Glück sehr unterstützt, auch mein Freund und meine beste Freundin haben viel Verständnis.

    Wie viel Zeit verging von den ersten Symptomen bis zur finalen Diagnose?

    Im Juli 2021, sieben Jahre nach den ersten Symptomen, bekam ich die Diagnose. Ich bin von Arzt zu Arzt gegangen; alle sagten, dass meine Probleme stressbedingt seien oder die Schmerzen normal, viele Frauen müssten da durch. Später wurde eine gastroenterologische Ursache vermutet. Ich war aufgrund der starken Schmerzen mehrfach in der Notaufnahme und bekam auch eine Darmspiegelung. Dann nahm ich die Pille, die tatsächlich half, aber nur für kurze Zeit. Schließlich habe ich durch Zufall auf Instagram von Endometriose gelesen und sprach meine Gynäkologin darauf an. Eine Bauchspiegelung bestätigte, dass ich Endometriose habe. Mein ganzer Bauchraum war entzündet, auch mein Blinddarm war chronisch gereizt.

    Nach jahrelanger Ungewissheit ist die Diagnose Endometriose für Betroffene oftmals eine Erleichterung, da die Symptome einen Namen bekommen. Wie war das bei Ihnen?

    Es war tatsächlich sehr erleichternd, endlich zu wissen, was los ist, auch Gewissheit darüber zu haben, dass die Schmerzen real und nicht eingebildet oder psychosomatisch sind. Natürlich erlebte ich das als Betroffene, aber ständig von Ärzten gesagt zu bekommen, das könne nicht sein, es wäre alles normal, bringt einen so ins Zweifeln, dass man seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr traut – obwohl ich z. T. aufgrund meiner Schmerzen tagelang ausgeknockt war. Eine Diagnose zu haben, erleichtert den Umgang mit den Schmerzen und hilft auch im Umgang mit anderen.

    Im Rahmen Ihrer Forschungsarbeit über den „langen Weg zur Diagnose“ konnten Sie sich mit vielen Betroffenen austauschen. Wie würden Sie die Gespräche kurz zusammenfassen?

    Sehr viele berichteten, dass sie zunächst nicht ernst genommen oder beschwichtigt wurden und dass ihr Vertrauen in die Ärzte schwand. Im Schnitt dauerte es acht bis zehn Jahre bis zur Diagnose, in einigen Fällen waren es sogar über 20. Die Interaktion zwischen Ärzten und Patienten scheint ein wichtiger Faktor zu sein. Wenn Ärzte keine Erklärung für etwas haben, neigen viele dazu, die Symptome vorschnell auf die psychische Verfassung zu schieben. Die Verunsicherung, die dadurch eintritt, dass den Betroffenen niemand glaubt, ist schlimm. Viele berichten auch, dass sie unter dem Gefühl, ihrer Rolle als Mutter, Partnerin oder im Beruf nicht mehr nachkommen zu können, sehr gelitten haben.

    Welche Optionen der Behandlung gibt es, und wie sollten Therapieentscheidungen getroffen werden?

    Es gibt im Wesentlichen die zwei Behandlungsoptionen der Schmerztherapie und Operation: Hormonpräparate können schmerzlindernd wirken, da Östrogene einen Einfluss auf das Wachstum der Endometrioseherde haben können und Gestagene sie tendenziell eher hemmen. Es handelt sich jedoch um keine Heilmethode, sondern lediglich um eine Symptomkontrolle. Dies gelingt auch nur bei Patientinnen, die auf die Hormontherapie ansprechen, und auch Hormone haben Nebenwirkungen, die es sorgfältig abzuwägen gilt. Eine Bauchspiegelung ist derzeit die einzige Möglichkeit, Endometriose sicher zu diagnostizieren. Hierbei werden meist die sichtbaren Herde gleich entfernt, um einen zweiten Eingriff zu vermeiden.

    In meinen Augen sollte bei der Wahl der Behandlungsoption immer das Ziel sein, die Lebensqualität zu erhöhen.

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