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    „Für mich war es, als wäre ich im falschen Körper gewesen.“

    Fotos: Privat

    Ich bin Stephie, 34 Jahre jung, auf Social Media kennt man mich aber meistens eher unter dem Namen Myra Snöflinga. Aus eigener Verzweiflung heraus begann ich vor mittlerweile über 10 Jahren, meinen persönlichen Lipödem Weg auf YouTube zu dokumentieren. Seitdem hat sich unglaublich viel getan, was die Bekanntheit der Erkrankung angeht. Gesundheitspolitisch allerdings liegt noch immer ein weiter Weg vor uns.

    Das Lipödem hat mich physisch und psychisch sehr gefordert, letztendlich aber eine noch stärkere, selbstbewusstere und positivere Frau aus mir gemacht

    Kannst du uns etwas über deine Erkrankung erzählen und wie sie sich bei dir gezeigt hat?

    Das Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung, bei welcher sich in einem ungesunden Maße schmerzhaftes Unterhautfett ansammelt, welches zusätzlich zu einer Überlastung des Lymphgefäßsystems führen kann. Überschüssige Lymphflüssigkeit lagert sich zusätzlich im Fettgewebe ab, Beine und Arme schwellen immer mehr an. Diäten und Sport bleiben völlig wirkungslos. Bei mir brach das Lipödem nach der Pubertät aus. Meine Beine und später auch Arme wurden immer dicker und schmerzhafter, so dass sie proportional nicht mehr zu dem Rest meines Körpers passten. Ich erkannte die Ähnlichkeit zu den Beinen meiner Mutter und konnte daher recht früh einen Phlebologen aufsuchen. Ich hatte Glück, dass dieser zu dem Zeitpunkt überhaupt schon mit der Erkrankung vertraut war.

    Es stellte sich heraus, dass ich das Lipödem von meiner Mutter geerbt hatte. Das Lipödem ist also eine Krankheit, welche sich auch optisch sehr auf das Körperbild auswirkt und sogar bis hin zu Entstellungen führen kann – inwiefern sich jemand „entstellt fühlt“, ist dabei absolut subjektiv! Hier gilt es, immer den jeweils individuellen Ausgangspunkt zu betrachten. Denn auch eine körperliche Entstellung kann für die individuelle Person einen Krankheitswert haben und zu physischen wie psychischen Problemen führen. Für mich war es, als wäre ich im falschen Körper gewesen. In einem Körper, der mir Schmerzen verursachte, der gegen mich arbeitete, egal was ich tat. Erst nach meinen Operationen erlangte ich ein schmerzfreies Leben zurück und konnte dann auch wieder eine gesunde Beziehung zu meinem Körper aufbauen.

    Stephie Schröter/Myra Snöflinga Bloggerin & Lipödem-Betroffene

    @myra_snoflinga

    Heute vertraue ich meinem Körper. (…) Ich höre auf ihn, und dieses Körpergefühl ist einfach wunderschön.

    Heute vertraue ich meinem Körper. Ich bin nicht mehr betäubt von den Lipödem-Schmerzen und konnte dadurch meine Wahrnehmung für andere Körpersignale stärken. Ich höre auf ihn, und dieses Körpergefühl ist einfach wunderschön. Aber es brauchte alles seine Zeit: Die erste Zeit nach den Operationen bestimmte das Lipödem schon noch meine Gedanken. Die Angst, es könnte wieder kommen, war hin und wieder da. Gleichzeitig hatte ich aber auch während des Heilungsprozesses ein riesiges Vertrauen, habe das Leben schon direkt danach neu und so viel unbeschwerter wahrgenommen und irgendwann rückte das Thema dann so sehr in den Hintergrund, dass es heute nur noch Erinnerung aus vergangenen Tagen ist. Ich glaube daran, dass das ein ganz essenzieller Teil der Heilung ist!

    Wie wichtig ist es, das Bewusstsein für Lipödem in der Gesellschaft zu erhöhen?

    Mein persönlicher Wunsch war es immer, die Menschen in erster Linie auf die Krankheit aufmerksam zu machen, den Betroffenen und Neu-Diagnostizierten Halt zu geben und eine Anlaufstelle zu sein, die zeigt, dass man nicht allein ist: So wie ich es mir selbst nach meiner Diagnose gewünscht hätte.

    Heute weiß ich aber auch: Aufklärung und Aufarbeitung liegen hier so nah beieinander. Ich habe mich damit auch selbst ein Stück weit therapiert, in dem ich mich so sehr geöffnet habe. Darüber hinaus war und ist es mir aber auch wichtig, nicht nur selbst Betroffene zu erreichen, sondern auch deren Umfelder. Einerseits, um Verständnis und Empathie für Betroffene zu erhöhen, aber andererseits auch Vorurteilen entgegenzuwirken. Ganz nach dem Motto: Du siehst es, aber du weißt nicht, wie es sich anfühlt.

    Bitte verwechsele das Lipödem nicht mit Übergewicht, es ist eine ernste und äußerst schmerzhafte Erkrankung! Als ich damals frisch diagnostiziert war, kannte ich niemanden, der mir zeigen konnte, dass alles wieder gut werden kann, und auch das Verständnis in meinem Umfeld fehlte. Ich hoffe und glaube, dass das heute schon etwas einfacher geworden ist.

    Welche Botschaft möchtest du anderen Frauen vermitteln?

    Das Lipödem hat mich physisch und psychisch sehr gefordert, letztendlich aber eine noch stärkere, noch selbstbewusstere, lebensfrohe und positive Frau aus mir gemacht. Ich verliere meinen Mut nicht so schnell und stehe nach jedem Sturz wieder auf. Ich hoffe, dass ich anderen mit meinem Weg vor allem Mut machen kann, sich selbst niemals aufzugeben!

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