FORTSCHRITTE IN DER GENOMSEQUENZIERUNG UND BILDGEBUNG MACHEN ES MÖGLICH, THERAPIEN ZUNEHMEND MAßGESCHNEIDERT EINZUSETZEN.
Sina Lang
Vorsitzende, Epilepsie Empowerment Deutschland e.V.
Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems und umfasst ein breites Spektrum wiederkehrender epileptischer Anfälle. Diese Anfälle entstehen durch vorübergehende Übererregung von Nervenzellen im Gehirn. Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) betont, dass Epilepsie keine einheitliche Krankheit ist, sondern viele verschiedene Ursachen haben kann – strukturell, genetisch, metabolisch, immunologisch, infektiös oder unklar.
Die genaue Ursache ist entscheidend für die Wahl der Therapie. Bei strukturellen Läsionen wie Tumoren, Fehlbildungen oder Folgen von Schlaganfällen kann eine Epilepsiechirurgie zielführend sein. Wenn das betroffene Areal eindeutig lokalisiert und operativ entfernbar ist, sind Heilungschancen besonders hoch. Bei genetisch bedingten Epilepsien werden zunehmend präzise, ursachenspezifische Therapien entwickelt. Ein Beispiel sind NatriumkanalBlocker oder -Aktivatoren, die gezielt bei bestimmten Gendefekten wirksam oder kontraindiziert sein können, wie beispielswiese beim SCN1A-Gen beim DravetSyndrom. Auch Gentherapie-Ansätze befinden sich in frühen klinischen Studien.
Metabolische Epilepsien, etwa durch Störungen im Energiestoffwechsel, aber auch andere bspw. genetische Epilepsieformen sprechen häufig gut auf die ketogene Diät an. Diese fettreiche, kohlenhydratarme Ernährung verändert den Energiestoffwechsel des Gehirns und kann die Anfallsfrequenz deutlich reduzieren – insbesondere bei therapieresistenten Kindern.
Immunologisch bedingte Epilepsien, etwa im Rahmen einer Autoimmunenzephalitis, erfordern dagegen eine Immuntherapie mit Kortison, Plasmapherese oder Antikörperbehandlungen, was langfristig zu deutlicher Besserung führen kann.
Neben klassischen anfallssuppressiven Medikamenten, die für viele Betroffene weiterhin die Basis bilden, gewinnen auch neurostimulative Verfahren an Bedeutung. Die Vagusnervstimulation (VNS) moduliert über elektrische Impulse die Erregbarkeit des Gehirns.
Neuere Methoden wie die tiefe Hirnstimulation oder die responsive Neurostimulation (RNS) gehen noch gezielter vor, indem sie Anfallsaktivität in Echtzeit erkennen und durch elektrische Stimulation unterdrücken.
Als vielversprechende Innovation gelten Systeme, bei welchen hauchdünne Elektrodenpflaster unter die Kopfhaut implantiert und von außen drahtlos gesteuert werden können. So lässt sich die epileptische Aktivität minimalinvasiv modulieren – ein Ansatz, der insbesondere für Patientinnen und Patienten interessant ist, die nicht für eine große Operation infrage kommen.
Ein wichtiger Aspekt der modernen Epilepsietherapie ist die Präzisionsmedizin: Sie orientiert sich nicht mehr nur an der Anfallsform, sondern an der individuellen Krankheitsursache, molekularen Mechanismen und dem persönlichen Risikoprofil. Fortschritte in der Genomsequenzierung und Bildgebung machen es möglich, Therapien zunehmend maßgeschneidert einzusetzen. Trotz aller Fortschritte bleibt die Epilepsie eine ernstzunehmende Erkrankung. Neben Unfallrisiken müssen auch seltene, aber schwerwiegende Komplikationen wie der plötzliche Tod bei Epilepsie (SUDEP) berücksichtigt werden, insbesondere bei Menschen mit häufigen generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfällen.
Insgesamt zeigt sich: Die Behandlung der Epilepsie entwickelt sich weg von einem rein symptomatischen Ansatz hin zu zielgerichteten, individuellen Therapien. Je genauer die Ursache bekannt ist, desto besser lässt sich die passende Behandlung auswählen – sei es durch Medikamente, Diät, Immuntherapie, Operation oder verschiedene innovative Stimulationsverfahren im Bereich Neuromodulation. Damit eröffnen sich für viele Patientinnen und Patienten neue Chancen auf Anfallsfreiheit und verbesserte Lebensqualität.
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