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Luft und Lunge

“Jeder Mensch hat seinen ganz individuellen Atemrhythmus und kann von ihm profitieren”

Foto: shutterstock 1458773024

Die Atemtherapie ist ein ganzheitliches Verfahren zur bewussten Wahrnehmung und Verbesserung der Atmung. Sie kann helfen, körperliche und seelische Spannungen zu lösen, die Lungenfunktion zu stärken und das Wohlbefinden zu fördern. Eingesetzt wird sie unter anderem bei Atemwegserkrankungen, Stress oder psychosomatischen Beschwerden. Wir sprachen mit Claudia Maradof und Sabine Huiss, erste und zweite Vorsitzende von ATEM – Der Berufsverband, über das Potenzial der Atemtherapie.

Wir legen in unserer Arbeit unser Augenmerk darauf, dass Betroffene ihre Atmung besser wahrnehmen können, um mit Anfällen besser umgehen zu können und nicht in einen Panikmodus zu verfallen.

Foto: New You Image

Foto: Thomas Ottmann

Was genau ist eine Atemtherapie?

Für viele ist die Atemtherapie unbekanntes Terrain, obwohl sie in Deutschland schon vor rund 100 Jahren entwickelt wurde. Es handelt sich um einen ganzheitlichen Ansatz, um den Atemvorgang für Menschen erlebbar und spürbar zu machen. Es gibt grundsätzlich zwei Formen, wie wir mit unseren Klientinnen und Klienten arbeiten: Entweder liegen die Klientinnen und Klienten auf einer Liege und wir arbeiten mit unseren Händen am Menschen oder wir leiten Bewegungsabläufe im Sitzen, Stehen und Gehen an, die die Klientin oder der Klient dann selbst durchführt.

Es geht bei beiden Formen um Impulse, die durch Dehnung, Empfindung und Andruck entstehen und die Atmung im ganzen Körper erlebbar machen können. Grundsätzlich geht es dabei immer um die bewusste Wahrnehmung und Aktivierung der natürlichen Atmung, für die jeder Mensch einen ganz eigenen Rhythmus hat.

Für wen eignet sie sich besonders gut?

Die Atemtherapie eignet sich grundsätzlich für jeden Menschen. Zum Beispiel wenn man präventiv etwas gegen Stress tun möchte, zur Stressbewältigung oder bei psychosomatischen Beschwerden; wenn man in einen Ruhemodus kommen und die eigene innere Kraft wiederfinden möchte. Das begleiten wir mit unserer Arbeit in der Atemtherapie. Besonders gut kann sie auch bei Atemwegserkrankungen unterstützend zum Einsatz kommen.

Welche positiven Auswirkungen hat die Atemtherapie – auf die Atmung, Lunge und den ganzen Körper?

Der Grundgedanke der Atemtherapie ist es, die Menschen darin zu unterstützen, ihren Atem frei fließen zu lassen und den eigenen Körper spürbar zu machen, seinen eigenen Atemrhythmus kennenzulernen und damit zu arbeiten. Eine Neurologin, mit der wir vor einiger Zeit zusammengearbeitet haben, sagte: „Man kann nicht gleichzeitig spüren und denken.“ Das machen wir uns zunutze. Sobald wir uns erlauben, ins Spüren zu kommen, können wir in eine geistige Ruhe kommen. Haben Menschen das erlebt, können sie sich zum Beispiel auch in akuten Stress-Situationen durch spezielle Atemübungen selbst helfen. Man stellt also durch das körperliche Spüren der Atmung den mentalen Load in den Hintergrund und findet so wieder in einen Zustand der Ruhe, Energie und Leichtigkeit. Dabei spielt auch der Vagusnerv, der für Ruhe und Entspannung zuständig ist, eine große Rolle. Er wird vom Ein- und Ausatem stimuliert und kann durch bestimmte Atemübungen aktiviert werden.

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Wie unterscheidet sich die Atemtherapie für Betroffene mit Asthma von der für Patienten mit COPD?

Bei beiden Erkrankungen haben Betroffene oft das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. In ihrer Not ziehen sie krampfhaft immer mehr Luft ein und das wichtige Ausatmen kommt zu kurz. Der Gasaustausch – Sauerstoff einatmen und Kohlendioxid ausatmen – ist nicht mehr in Balance und führt zu weiteren Symptomen. Der wesentliche Unterschied in den Erkrankungen ist, dass Asthma häufig anfallartig bei den Betroffenen auftritt. Grundsätzlich ist die Erkrankung reversibel bzw. gut behandelbar.

Bei der COPD hingegen ist das Problem eine schleichende, fortschreitende Schädigung des Lungengewebes. COPD kann aufgehalten werden, ist jedoch nicht reversibel. Wir erleben in Gesprächen oftmals, dass die Betroffenen aufgrund der unterschiedlichen Diagnosen und erwartbaren Folgen der jeweiligen Erkrankung vom Mindset her unterschiedlich aufgestellt sind.

In der Atemtherapie arbeiten wir bei beiden Erkrankungen mittels bestimmter Griffe und Techniken daran, das Ausatmen zu erleichtern. Wir nehmen den Fokus weg von der Lunge und vom Luft ‚holen‘ und unterstützen stattdessen eine ganzkörperliche Wahrnehmung und einen leichteren Atem. Dies ist auch der Unterschied zu den atemtherapeutischen Angeboten in der Physiotherapie, die sich eher auf die mechanischen Aspekte der Atemmuskulatur fokussieren. Wir legen in unserer Arbeit unser Augenmerk darauf, dass Betroffene ihre Atmung besser wahrnehmen können, um mit Anfällen besser umgehen zu können und nicht in einen Panikmodus zu verfallen.

Eine Atemtherapie kann helfen, die Atemmuskulatur wieder geschmeidiger zu machen, die Sauerstoffaufnahme beim Einatmen zu verbessern und das Ausatmen zu erleichtern. Die positiven Auswirkungen lassen sich hier ganz konkret durch eine Messung der Sauerstoffsättigung im Blut nachweisen: Nach einer Behandlung haben unsere Klientinnen und Klienten in der Regel einen höheren Wert als vor der Sitzung, die Herzfrequenz ist gesunken, es kann mehr Ruhe einkehren und der Atem fühlt sich leichter an. Zudem kann die Atemtherapie gerade bei COPD-Betroffenen dazu beitragen, dass sie einen besseren Umgang mit dieser irreversiblen Erkrankung finden können.

Kann die Atemtherapie auch von meinem Lungenfacharzt verordnet werden?

Atemtherapie ist keine Kassenleistung. Sie kann ärztlich verschrieben werden, aber dazu sollte jeder Klient mit seiner Krankenversicherung abklären, ob die Kosten übernommen werden. Man kann aber auch erst mal eine Stunde nehmen, um für sich auszutesten, ob das Angebot etwas für einen sein könnte. Gerade für Menschen mit Atemwegserkrankungen kann die Atemtherapie eine wohltuende Unterstützung sein.

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