In Deutschland kommt etwa eines von 2.500 bis 3.500 Neugeborenen mit Mukoviszidose auf die Welt – einer seltenen Erkrankung, bei der sich zäher Schleim an den Organen bildet. Auch Burak wurde schon als Baby mit der Stoffwechselerkrankung diagnostiziert. Sein ältester Bruder Yilmaz ist an der Krankheit gestorben. Im Interview spricht der 30-Jährige mit uns über seine Diagnose, seinen Alltag und darüber, was er anderen Betroffenen mitgeben möchte.
Der Austausch mit anderen Betroffenen und die Unterstützung durch Familie und Freunde geben mir viel Kraft. Kommunikation ist das A und O – man darf sich nicht isolieren. Gemeinsam lässt sich vieles besser tragen.
Burak
@die.collins
Lieber Burak, wann und wie wurde bei dir die Diagnose Mukoviszidose gestellt?
Ich wurde bereits kurz nach der Geburt mit der Krankheit diagnostiziert. Bei meinem ältesten Bruder Yilmaz wurde Mukoviszidose ebenfalls festgestellt – allerdings erst etwa sechs Monate nach seiner Geburt. Damals fiel auf, dass er viel hustete und ein „salziges Aroma“ hatte. Ein Schweißtest bestätigte dann den Verdacht. In den 90er-Jahren war Mukoviszidose noch nicht so bekannt, heute gehört die Untersuchung fast schon zur Routine.
Wie sind deine Eltern mit der Diagnose umgegangen?
Natürlich fragt man sich als Eltern zuerst: „Warum passiert das ausgerechnet unserem Kind?“ Aber da die Diagnose bei meinem Bruder bereits bekannt war, konnten meine Eltern bei mir gefasster reagieren. Wir waren außerdem in einer sehr guten Klinik, in der sie umfassend aufgeklärt wurden.
Gab es einen Schlüsselmoment, in dem du die seltene Erkrankung erstmals verstanden hast?
Das erste Mal bewusst wahrgenommen habe ich meine Erkrankung beim Sport. Ich hatte einfach weniger Ausdauer als andere Kinder, habe ständig gehustet und hatte viel schleimigen Auswurf – das war bei den anderen nicht so. Außerdem hatten die meisten Kinder deutlich mehr Freizeit, während ich inhalieren oder zur Physiotherapie musste.
Musstest du als Kind oder Jugendlicher aufgrund der Erkrankung auf etwas verzichten und wenn ja, worauf?
Meine Mutter war zum Glück sehr entspannt im Umgang mit uns. Daher musste ich nicht auf vieles verzichten. Es gibt aber andere Eltern, die extrem vorsichtig mit Keimen sind – deren Kinder dürfen zum Beispiel nicht ins Schwimmbad. Natürlich muss man aufpassen, sich nicht anzustecken, aber ich bin sehr dankbar, dass unsere Eltern versucht haben, unser Leben so normal wie möglich zu gestalten.
Du gehst offen mit deiner Erkrankung um und versuchst, die Menschen unter anderem auf Instagram über Mukoviszidose aufzuklären. War dir das schon immer ein Anliegen und was möchtest du anderen Betroffenen mitgeben?
Als ich 20 Jahre alt war, wurde ich das erste Mal gefragt, ob ich mir eine Lungentransplantation vorstellen könnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich kaum mit dem Verlauf meiner Erkrankung auseinandergesetzt – ich war ja damit aufgewachsen und hatte alles mitgemacht.
Diese Frage war für mich der Moment, in dem mir klar wurde: Jetzt muss ich mich intensiver damit beschäftigen.
Viele leben mit Mukoviszidose, gehen aber nicht offen damit um, oder versuchen, die Krankheit in den Hintergrund zu rücken – bei mir war das anfangs genauso. Ich lebte in meiner kleinen Bubble. Als ich mich entschieden habe, öffentlich darüber zu sprechen, bekam ich auf einmal unglaublich viele Informationen, vor allem durch den Austausch mit anderen Betroffenen. Ich habe so viel über meine eigene Krankheit gelernt. Wenn sich jetzt Betroffene oder Eltern von Betroffenen mit Fragen an mich wenden, habe ich das Gefühl, unterstützen und etwas zurückgeben zu können – das bedeutet mir sehr viel.
Inwiefern beeinträchtigt das Wissen um deine genetisch bedingte Erkrankung die Themen Kinderplanung und Kinderwunsch?
Meine Ehefrau hat einen großen Kinderwunsch, und es hat mich immer etwas traurig gemacht, dass ich ihr diesen vielleicht nicht erfüllen kann. Etwa 90 Prozent der Männer mit Mukoviszidose sind unfruchtbar oder können die Krankheit vererben.
Zum Glück kann man sich heute bei humangenetischen Einrichtungen testen lassen, ob man die Erkrankung weitervererben könnte, was sowohl meine Partnerin als auch ich gemacht haben. Das Ergebnis: Unsere Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Mukoviszidose zu bekommen, liegt bei nur 0,02 Prozent. Zu wissen, dass wir gute Chancen auf eine gesunde Familie haben, ist natürlich sehr motivierend.
Was hilft dir am meisten, mit der Erkrankung zu leben und sie zu akzeptieren?
Ich musste erst einmal akzeptieren, dass ich meine Situation nicht ändern kann. Viele Menschen kämpfen lange mit der Akzeptanz ihrer Krankheit – aber erst, wenn man seine Umstände annimmt, kann man das Beste daraus machen. Mir hilft vor allem das Wissen, dass ich mit der Erkrankung nicht allein bin.
Der Austausch mit anderen Betroffenen und die Unterstützung durch Familie und Freunde geben mir viel Kraft. Kommunikation ist das A und O – man darf sich nicht isolieren. Gemeinsam lässt sich vieles besser tragen.
Mehr über Burak & Laura finden Sie auf ihrem Instagram-Kanal: @die.collins