Alexandra Menke war 53 Jahre alt, als bei einem MRT Hirnmetastasen entdeckt wurden und sie die Diagnose „nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC)“ erhielt. Im Interview erzählen sie und Nicoline Ehrhardt vom Patientennetzwerk zielGENau e. V., wie molekulare Diagnostik neue Wege für Betroffene eröffnet.
MEIN ONKOLOGE KONNTE EINE ZIELGERICHTETE THERAPIE EINLEITEN, DIE AUS DER REGELMÄßIGEN EINNAHME EINES MEDIKAMENTS BESTEHT.
Alexandra Menke


PATIENTEN SOLLTEN SICH IMMER ERKUNDIGEN, OB EINE BIOMARKERTESTUNG ERFOLGT IST, UND AUCH, WIE GETESTET WURDE.
Nicoline Ehrhardt
Fotos: Privat
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie jetzt an Ihre Diagnose „nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom“ im Jahr 2022 zurückdenken?
Alexandra Menke (AM): Es begann ganz plötzlich mit einem hängenden Augenlid. Mein Hausarzt vermutete eine Nervenreizung, doch ein Kopf-MRT veranlasste er trotzdem. Die bittere Wahrheit: zwei Hirnmetastasen. Die weitere Diagnostik führte zur Diagnose „Lungenkrebs im Stadium IV“. Ich war nach der Diagnose einfach nur geschockt. Ich fühlte mich so gesund, lebte bewusst, rauchte nicht. Ich hatte doch keine Risikofaktoren. Genau das ist das Problem: Niemand rechnet damit, dass es einen selbst treffen könnte. Ich musste lernen, dass tatsächlich jeder Lungenkrebs bekommen kann.
Wann und wie haben Sie das erste Mal von der Möglichkeit der molekularen Diagnostik erfahren und was kann man sich darunter vorstellen?
AM: Mein Krankenhaus ist Partner des Nationalen Netzwerks Genomische Medizin (nNGM), dadurch erhielt ich als Patientin Zugang zu moderner molekularer Diagnostik und habe auch zu diesem Zeitpunkt das erste Mal davon gehört. Bei mir wurde ein ROS1-positiver Lungenkrebs festgestellt – eine sehr seltene Genfusion. Mein Onkologe konnte auf Grundlage der Ergebnisse eine zielgerichtete Therapie einleiten, die aus der regelmäßigen Einnahme eines Medikaments besteht. Ich lebe nun seit mittlerweile drei Jahren mit der Erkrankung.
Nicoline Ehrhardt (NE): Das für Patientinnen und Patienten wichtige Stichwort ist Biomarker-Testung. Dabei wird Tumorgewebe oder Blut auf bestimmte genetische oder molekulare Merkmale untersucht, um die passende Krebstherapie zu finden. Dies gilt heute nicht mehr nur Patientinnen und Patienten im fortgeschrittenen Stadium, sondern auch für operable Patientinnen und Patienten.
Das nNGM ist ein deutschlandweites Netzwerk von spezialisierten Zentren, die eine umfassende genomische Analyse, das sogenannte Next Generation Sequencing (NGS), durchführen. Aus den Ergebnissen dieser Testung lassen sich individuell zugeschnittene Therapien für den nicht-kleinzelligen Lungenkrebs ableiten. Neben qualitativ hochwertiger Diagnostik und Therapieempfehlung ist das Besondere an diesem Konzept, dass Patientinnen und Patienten für Biopsie und Behandlung in einer Klinik in Wohnortnähe bleiben können.
Würden Sie diese Art der Diagnostik jedem empfehlen?
NE: Unbedingt. Jedoch werden noch immer für eine Testung in Frage kommende Lungenkrebspatienten gar nicht oder nicht ausreichend getestet. Patientinnen und Patienten sollten sich immer erkundigen, ob eine Biomarker-Testung erfolgt ist, und auch, wie getestet wurde. Wenn Unklarheiten bestehen, empfehlen wir, eine Zweitmeinung einzuholen. Gleiches gilt auch für den Fall eines Progresses in höheren Stadien der Erkrankung oder eines Rezidivs nach erfolgreicher Operation.
Wie sind Sie zum Patientennetzwerk zielGENau e. V. gekommen und was war Ihre Motivation, sich dort zu engagieren?
AM: Vor meiner Diagnose als Patientin mit einem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom war die ROS1-Translokation für mich völlig unbekannt.
Die Recherche im Internet brachte mich zu zielGENau e. V. – dort fand ich nicht nur wertvolle Infos zu Arztgesprächen, Studien und Medikamenten, sondern auch echte Unterstützung. Der Austausch mit anderen Betroffenen – und sei es in Form einer virtuellen Umarmung – hilft enorm.
NE: Wir sind alle selbst von verschiedenen Treibermutation betroffen und wissen daher, wie schwer es ist, qualitativ hochwertige Informationen zur Erkrankung zu erhalten.
Wir unterstützen Patientinnen und Patienten dabei, ihre Krankheit und Therapieoptionen besser zu verstehen. Dazu bieten wir Beratung, Webinare, Veranstaltungen und den Austausch in mutationsspezifischen Online-Gruppen. Zusätzlich ist einer unserer Schwerpunkte die Förderung der patientenzentrierten Forschung.

Das Netzwerk zielGENau e. V. ist ein bundesweites Patientennetzwerk für personalisierte Lungenkrebstherapie.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.zielgenau.org