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Männer, bleibt gesund!

„Echte Stärke heißt, sich offen zu zeigen“ – Sebastian Tigges über Offenheit, mentale Gesundheit und ein neues Bild von Männlichkeit

Foto: Manuel Schuller

Traditionelle Rollenbilder lösen sich auf – und das ist gut so. Sebastian Tigges spricht darüber, wie Männer lernen können, sich von Erwartungen zu befreien und innere Balance zu finden.

Du sprichst offen über Vatersein, Verletzlichkeit und innere Kämpfe – wie hat die Erfahrung der Vaterschaft dein eigenes Verständnis von Männlichkeit und emotionaler Stärke verändert?

Vaterschaft hat mein Verständnis von Männlichkeit auf den Kopf gestellt. Früher dachte ich, Stärke bedeute, Dinge auszuhalten, Lösungen zu liefern, keine Schwäche zu zeigen. Mit Gefühlen zurückhalten. Heute weiß ich: wirkliche Stärke liegt darin, offen zu bleiben – für Nähe, Zweifel, Überforderung. Ein Kind zwingt dich, dich selbst zu fühlen, weil es dich mit deinen Grenzen konfrontiert, jeden Tag.

Ich habe gelernt, dass Fürsorge, Empathie und Geduld keine „weichen“ Eigenschaften sind, sondern Ausdruck innerer Kraft.

Vaterschaft hat mich verletzlicher gemacht. Aber auch klarer und ruhiger in dem, wer ich bin. Es hat meine Perspektive auf das Leben grundlegend verändert.

Viele Männer tun sich schwer damit, über Ängste, Überforderung oder psychische Belastungen zu sprechen – was braucht es deiner Meinung nach, damit sich Männer mehr trauen, offen über ihre seelische Gesundheit zu sprechen?

Ich glaube, es braucht vor allem Räume, in denen Verletzlichkeit nicht als Schwäche gilt. Männer wachsen oft mit der Vorstellung auf, sie müssten funktionieren. Wir brauchen neue Bilder davon, was ein „starker Mann“ ist: einer, der sich zeigt, statt sich zu verstecken. Wenn Männer erleben, dass Offenheit nicht bestraft, sondern mit Respekt begegnet wird – im Freundeskreis, in den Medien, auch im Job – verändert das etwas. Und wir brauchen Vorbilder, die genau das tun: nicht perfekt sein, sondern echt.

Traditionelle Rollenbilder geraten zunehmend ins Wanken – was sind für dich die größten Herausforderungen, aber auch Chancen, die mit einem neuen Verständnis von Männlichkeit und Identität einhergehen?

Die größte Herausforderung ist aus meiner Sicht der Übergang. Viele Männer spüren, dass die alten Bilder nicht mehr passen, aber die neuen noch nicht greifbar sind. Das erzeugt Unsicherheit, manchmal auch Widerstand. Doch genau darin liegt die Chance: Wir können Männlichkeit endlich neu erzählen – vor allem wesentlich vielfältiger als bisher. Nicht als Gegensatz zum Weiblichen, sondern als Teil davon. Wenn wir diese Offenheit leben, entsteht Raum für Gleichberechtigung, aber auch für mehr innere Freiheit. Männlichkeit muss kein Korsett mehr sein, sondern kann etwas Bewegliches werden.

Welche Tools, Techniken oder Routinen helfen dir im Alltag, um ausgeglichen zu bleiben und was machst du konkret für deine mentale Gesundheit, etwa im Bereich Achtsamkeit, Auszeiten und Hobbys?

Ich habe gelernt, dass Ausgeglichenheit weniger von irgendwelchen einzuhaltenden „Techniken“ mit Frustrationspotential abhängt als von kleinen, konsequenten Momenten. Ich versuche, regelmäßig still zu werden. Manchmal durch Meditation, manchmal einfach durch bewusstes Atmen – ein paar Mal tief ein- und ausatmen in Momenten, wenn es viel wird. Ich schreibe fast täglich, das ist für mich eine Art Selbstklärung. Außerdem helfen mir Routinen, die mich aus dem Kopf holen: Sport, Spaziergänge (gerne auch mit den Kindern), Musik. Und vor allem: echte Pausen.

Sebastian Tigges

Podcaster, Autor, Speaker & Content Creator

Hören Sie doch mal in den Podcast „Männer weinen heimlich“ unter podimo.de/tigges, mehr Einblicke gibt es auch auf Instagram!

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