Home » Männer, bleibt gesund! » „Ich habe dann intuitiv etwas getan, was ich heute jedem rate […] Ich habe mir frühzeitig Hilfe geholt“
  • Männer, bleibt gesund!

    „Ich habe dann intuitiv etwas getan, was ich heute jedem rate […] Ich habe mir frühzeitig Hilfe geholt“

    Foto: Markus Nass

    Nicht nur reden, sondern aktiv etwas tun.

    Simon Licht ist ein renommierter deutscher Schauspieler und erfolgreicher Unternehmensgründer. Zusätzlich setzt er sein Talent und seine Leidenschaft auch als Botschafter ein und nutzt seine Reichweite, um auf Themen der mentalen Gesundheit aufmerksam zu machen.

    Als Schauspieler haben Sie einen anspruchsvollen Beruf. Welche Auswirkungen hat dieser auf Ihre mentale Gesundheit gehabt, und wie haben Sie gelernt, damit umzugehen?

    Der Beruf des Schauspielers ist sehr herausfordernd, das heißt aber nicht, dass Künstler grundsätzlich anfälliger dafür sind an einer Depression zu erkranken. Dazu müssen immer individuelle Dispositionen berücksichtigt werden. Wobei Studien gezeigt haben, dass Künstler auf Grund spezifischer Belastungen durch die Rollen und des unsicheren Arbeitsumfeldes oft mit mentalen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Wir müssen als Künstler mit sehr viel Ablehnung leben. Viel öfter bekommen wir eine Rolle nach Castings nicht, als das wir für einen Film oder ein Theaterstück besetzt werden. Es gibt ja nur in seltenen Fällen objektive Kriterien, nach denen eine Rolle besetzt wird. Das ist auf der einen Seite immer eine persönliche Enttäuschung und Ablehnung, auf der anderen Seite aber schnell auch eine existenzielle Bedrohung. Wie soll ich meine Miete zahlen? Diese Enttäuschungen und Ängste zu verarbeiten und sich gleichzeitig immer frisch und neugierig für ein mögliches neues Projekt zu halten, bedeuten starke innere Konflikte und ist mental sehr anstrengend. Eine andere Schwierigkeit ist, sich nach intensiver langer Auseinandersetzung mit einer Rolle, gerade wenn man am Theater lange einen psychisch deformierten Charakter spielt, davon zu lösen. Das gilt bei Filmrollen natürlich auch. Mir ist es selbst passiert, als ich einige Wochen einen solch deformierten Charakter gespielt habe. Abend für Abend, begann es mir schlecht zu gehen. Ich fühlte mich niedergeschlagen, seltsam zerrissen, habe schlecht geschlafen. Bis ich merkte, dass meine Rolle mit meinem eigentlichen Ich kämpft und ich dringend etwas dagegen tun muss. Konkret habe ich jeden Abend nach den folgenden Vorstellungen einen kleinen Stein genommen, meinen Rollennamen darauf geschrieben, mich für die Erfahrung und die schöne Vorstellung bedankt und diesen Stein dann in einen kleinen benachbarten See geworfen. Ich habe also diese Rolle jeden Abend von mir entlassen.

    Es gibt unterschiedliche Techniken und Strategien in diesem Bereich eine mentale Hygiene zu betreiben und ich rate dringend dazu, sich mit diesen Techniken auseinanderzusetzen.

    Foto: Alexander Hörbe

    Mich persönlich haben vor etwa 12 Jahren starke Panikattacken heimgesucht. Diese Angstzustände suchen sich ja oft den schwächsten Punkt zum Angriff und ich hatte meine größten Attacken im Zusammenhang mit meiner Arbeit. Zunächst am Theater, ich stand vor 500 Menschen auf der Bühne und merkte, wie ich plötzlich die Kontrolle verliere, sich der glühende Boden unter mir auftut und schiere Angst die Kontrolle übernimmt. Von da an hatte ich vor jeder Vorstellung und dann auch vor jedem Drehtag starke Angstzustände. Begleitend zu den Panikattacken kommen oft depressive Verstimmung.

    Keine klinischen Depressionen, aber doch auch starke mentale Tiefs. Ich habe dann intuitiv etwas getan, was ich heute jedem rate und was grundsätzlich auch das Credo der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist. Ich habe mir frühzeitig Hilfe geholt. Ein befreundeter Produktionsleiter kannte sich mit dem Thema aus, hat mich auf kurzem Wege zu einem Arzt geschickt. Ich habe eine Therapie begonnen und ich habe auch ein Medikament bekommen. Die schnelle Reaktion hat dazu geführt, dass ich insgesamt relativ schnell wieder aus diesem Kreislauf herausgekommen bin. Die Medikamente konnte ich nach 2 Jahren vollumfänglich absetzen und Panikattacken sind seitdem nicht wieder aufgetaucht. Insgesamt würde ich heute sagen, die Auseinandersetzung mit den Panikattacken hat mich positiv beeinflusst und mein Leben nachhaltig verändert. Ich betreibe weiter mentales Coaching, ich meditiere, ich treibe bewusst viel Sport und wenn spüre, dass mich etwas belastet kann ich den Ursprung relativ schnell identifizieren und entsprechend reagieren. Sicher sind Panikattacken nicht mit diagnostizierten Depressionen zu vergleichen, aber dass ich die mentalen Tiefs gespürt habe, gibt mir eine Ahnung, was diese Krankheit bedeutet, und hat am Ende dazu geführt, mich auch für die Betroffenen und Aufmerksamkeit für diese leise Krankheit einzusetzen.

    Sie machen sich in vielen Bereichen für das Thema mentale Gesundheit stark. Sind unter anderem Botschafter der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Was machen Sie konkret?

    Ich mache in erster Linie medial auf das Thema mentale Gesundheit aufmerksam. Als Schauspieler habe ich eine entsprechende Reichweite, die möchte ich nutzen. Ich spreche in Interviews, in Talk Show und Paneels über das Thema. Nun bin ich weder Arzt noch Betroffener. Aber aus meiner biografischen Erfahrung und aus meinem eigenen beruflichen und privaten Umfeld weiß ich, auf wie viel Unverständnis an Depression erkrankte Menschen nach wie vor stoßen. Depression ist eine Krankheit wie eine Blinddarmentzündung oder eine Schilddrüsenunterfunktion und kein Zeichen von Schwäche oder eine Reaktion auf widrige Lebensumstände. Und wir brauchen eine gesellschaftliche Atmosphäre, in der wir offen über diese Krankheit sprechen und in der es vollkommen normal ist sich professionelle Hilfe zu holen. Dazu braucht es noch viel Aufklärung. Hilfe und Anstoß auch für die Betroffenen selbst, für die Angehörigen.

    Nochmal, frühzeitig zum Arzt gehen oder mit Hilfe von Freunden oder Angehörigen begleitet zu werden, wenn der eigene Antrieb krankheitsbedingt fehlt, hilft wahnsinnig und dann ist die Krankheit meist auch gut behandelbar. Ich bin Botschafter der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Green Actors Lounge. Da bin ich in unterschiedlichsten Aktivitäten eingebunden. Oft nehme ich das Thema Aufklärung und Aufmerksamkeit für mentale Gesundheit auch mit in eigene Projekte. Mit unserem Start-up KHULULA haben wir eine sehr erfolgreiche nachhaltige Sportserie für Kinder und Jugendliche im Bereich Segelsport ins Leben gerufen. Wir haben die Gesichter von Betroffenen und starke Botschaften auf Segel gedruckt und eine mobile Ausstellung konzipiert. Wir waren mit unserem EcoSportevent und der Ausstellung zum Beispiel auf der Travemünder Woche. Mit über 450.000 Besuchern in zehn Tagen ein riesiges Festival an der Ostsee und hier sind wir mit Menschen ins Gespräch gekommen. Und kaum jemand ist dabei, der nicht sagt, „ja das kenne ich“ oder „ja, das kenne ich aus meinem Umfeld“. Diese persönlichen Begegnungen und eigene Projekte sind mir an der Stelle sehr wichtig. Nicht nur reden, sondern aktiv etwas tun.

    Welche Symptome und Warnsignale sollten Männer ernst nehmen?

    Das Thema Männergesundheit liegt mir sicher besonders am Herzen. Interessanterweise stellen Ärzte bei Frauen etwa doppelt so häufig die Diagnose Depression wie bei Männern. Für diesen Geschlechterunterschied gibt es unterschiedliche biologische und psychosoziale Erklärungen. Es wird bei Männern (leider) oft noch als Schwäche ausgelegt über Gefühle zu reden und zum Arzt zu gehen. Frauen sprechen eher über ihre Ängste und Stimmungsschwankungen und sind eher bereit, sich Hilfe zu suchen, sodass die Diagnose häufiger gestellt wird. Grundsätzlich sind Anzeichen wie sich eine Depression ankündigt aber bei Männern und Frauen ähnlich. Es wird eine Veränderung gespürt, man zieht sich zurück.

    Viele Betroffene vernachlässigen ihre Hobbies, haben Schlafstörungen, ein permanentes Gefühl der Erschöpfung und der inneren Anspannung, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, um nur ein Beispiel zu nennen. Bei Männern ist eine Depression aber manchmal auch schwieriger zu erkennen, weil die typischen Merkmale bei ihnen oft weniger sichtbar sein können.

    Bei Männern äußert sich eine mögliche Depression oft anders. Da spielen Symptome wie erhöhte Aggression und Gewaltbereitschaft eine Rolle. Oder körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenprobleme oder Potenzstörungen stehen im Vordergrund. Oft wird eine große innere Unzufriedenheit empfunden und es werden hohe Risiken eingegangen, etwa beim Sport und beim Autofahren. Einige neigen zu Suchtverhalten, insbesondere zu übermäßigem oder unkontrolliertem Alkoholkonsum. Eine Erkrankung kann sich also bei Männern auch durch eine geringere Stresstoleranz und unpassendes soziales Verhalten andeuten. Diese Verhaltensweisen sind bei Frauen eher weniger ausgeprägt.

    Ich möchte natürlich ganz klar sagen, Männer, es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke, über Gefühle zu sprechen.

    Auch über negative Gefühle und Ängste. Das ist sehr stark. Sprecht darüber mit Freunden oder geht am besten gleich zum Arzt, wenn ihr die o.g. Veränderungen bei euch bemerkt. Holt euch frühzeitig Hilfe.

    Gibt es spezielle Techniken oder Strategien, die Sie verwenden, um sich selbst zu stärken und Ihre mentale Gesundheit zu fördern? Können Sie anderen Männern Tipps für eine gesunde Work-Life Balance geben?

    Ich versuche einfach so „gesund“ wie möglich zu leben. Ich tue die Dinge, die ich tue, „bewusst“. Ich mache viel Sport, versuche mich bewusst zu ernähren, zu meditieren und gehe nach wie vor zum Coaching. Ich kann auch nicht immer Stress vermeiden oder habe manchmal Situationen, die mich aus der Balance bringen. Da geht es mir wie jedem anderen Menschen auch. Wichtig ist, denke ich, Routinen und Praktiken zu entwickeln, die einem guttun und diese immer wieder einzuüben und einfach regelmäßig zu machen. Dann kann ich frühzeitig erkennen, wo Schwierigkeiten entstehen können und dagegen steuern.

    Nächster Artikel