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    Man darf sich nicht verstecken

    Fotos: Privat

    Jens Flach ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild. Selbst vom Glaukom betroffen und quasi blind, Familienvater, darunter ein ebenfalls an Glaukom erkranktes Kind, hält ihn nichts davon ab, sein Leben positiv zu gestalten. So unterrichtet er als Lehrer an einem Gymnasium für Blinde und Sehbehinderte, ist nebenbei Musiker und engagiert sich ehrenamtlich für andere Betroffene im Bundesverband Glaukom- Selbsthilfe. Hier fungiert er als stellvertretender Vorsitzender und Leitung Fachbereich Kinder Bundesverband Glaukom-Selbsthilfe e. V. Im Interview erzählt er von seinen persönlichen Erfahrungen und davon, wie es ist ein Kind mit dieser Erkrankung zu unterstützen.

    Bei Ihnen hat die Krankheit, anders als in den meisten Fällen, einen schwerwiegenden Verlauf genommen. Erzählen Sie uns kurz von Ihrem persönlichen Schicksal.

    Ich kam mit Glaukom zur Welt, und so gehörten OPs und Besuche beim Augenarzt ganz selbstverständlich dazu. Mir fiel zwar auf, dass das bei anderen Kindern nicht so war, was mich aber nicht weiter störte, weil meine Eltern nie ein Drama daraus machten.

    Fotos: Privat

    Da Glaukom schleichend voranschreitet, bemerkte ich die Sehverschlechterungen nie abrupt. Im Rückblick werden sie aber deutlich. Nach zwei Jahren Grundschule musste ich auf eine Schule für Blinde wechseln, um Braille-Schrift zu lernen. Bis zu meinem Studium arbeitete ich dann mit einer Mischung aus Punkt- und vergrößerter Normalschrift. Dann musste ich mich sukzessive vom Lesen mit den Augen verabschieden. Mit Anfang 30 erlitt ich eine Netzhautablösung und kann heute nur noch Licht wahrnehmen.

    Eines von Ihren drei Kindern hat die Krankheit geerbt. Wann wurde das festgestellt und wie wurde Ihre Tochter dann behandelt?

    Wie auch bei mir wurde es bei unserer Tochter mit etwa sechs Monaten festgestellt. Beim angeborenen Glaukom sind OPs die erste Wahl. Mittlerweile – sie ist heute 11 – waren insgesamt 20 OPs nötig. Begleitend wird noch mit Augentropfen therapiert.

    Wie geht es Ihrer Tochter heute? Wie meistert sie ihren Alltag?

    Sie ist ein sehr lebensfrohes und starkes Kind. Ein Auge ist zwar blind, aber dies kann sie mit dem anderen so kompensieren, dass man ihr im Alltag nichts anmerkt. Schule, Sport, Freundinnen treffen – wir sind sehr glücklich, dass dies nicht anders läuft als bei anderen Mädels.

    Der Alltag mit drei Kindern ist auch für Familien mit gesunden Kindern manchmal eine Herausforderung. Welche Situationen sind für Sie besonders schwierig?

    Das ist die Welt, in der unsere Kinder aufwachsen, die für sie normal ist. Belastungen treten immer nur punktuell auf: z. B. Krankenhausaufenthalte oder organisatorische Schwierigkeiten, weil ich wegen meiner Blindheit gewisse Aufgaben nicht übernehmen kann.

    Woher nehmen Sie diese Stärke und was möchten Sie anderen betroffenen Eltern mit auf den Weg geben?

    Man darf Belastungen nicht leugnen, sollte ihnen und der Erkrankung aber nicht zu viel Bedeutung beimessen. Wir versuchen, uns auf die positiven Dinge zu konzentrieren. Selbst mit einer Sehbehinderung oder Blindheit kann man ein glückliches Leben führen. Man darf sich nicht verstecken. Gerade Kinder mit einer Sehbehinderung müssen Bewegungs- und Umwelterfahrungen machen, um sich zu entwickeln. Ermöglichen Sie es ihnen!

    Wie kann der Bundesverband Glaukom-Selbsthilfe dabei unterstützen?

    Neben unserem Infoangebot rund um Medizin und Förderpädagogik sehen wir uns als Vernetzungs- und Austauschbörse. Wenn man spürt, dass man mit der Erkrankung nicht alleine ist, fällt es viel leichter, das Gefühl der Belastung abzuschütteln. Wir freuen uns über jede Kontaktaufnahme im Internetforum, bei Facebook, per E-Mail oder Telefon.

    STRONG

    So heißt das Lied, das Jens Flach aus Marburg für seine Tochter Norina (11) geschrieben hat. “You’re strong“, heißt es in dem Text – und stark ist Norina wirklich, mit der musikalischen Unterstützung von Papa und seiner Band J-Flat Major meistert sie ihr Schicksal. Auf dem Youtube-Kanal von Jens Flach „J-Flat Major“ oder auch auf Spotify können Sie den Mutmacher-Song selbst hören!

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