Skip to main content
Home » Magen und Darm » Darmkrebs: Früherkennung rettet Leben
Magen und Darm

Darmkrebs: Früherkennung rettet Leben

Foto: Shutterstock, 2650256633

Prof. Dr. Heidrun Thaiss erklärt, warum Vorsorge so entscheidend ist, welche Screening-Methoden wirklich wirken und wie Aufklärung helfen kann, unnötige Scham abzubauen.

Prof. Dr. Heidrun M. Thaiss

Executive Director Medicine and Science bei der Felix Burda Stiftung und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin

Foto: ad Photographie

Prof. Dr. Heidrun Thaiss, bis 2021 leiteten Sie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ist Prävention eine gemeingesellschaftliche Aufgabe?

Potentiale für Prävention und Gesundheitsförderung finden sich in allen Lebensbereichen, vom gesunden Aufwachsen in Familie und Bildungseinrichtungen, über die Arbeitswelt der Erwachsenen bis zum Alter. Neben dem individuellen Vorteil einer besseren Gesundheit profitiert neben den Krankenkassen zum Beispiel auch die Wirtschaft, von höherer Resilienz die Demokratie. Insofern sollten sich auch alle an den Kosten beteiligen.

Inwiefern hat sich der Umgang mit Prävention und Gesundheitskompetenzen verändert?

Als ich vor über 30 Jahren begann, mich für Prävention zu engagieren, war wie in den Jahrzehnten danach das Thema nur ein „nice to have“ und wissenschaftlich wenig fokussiert, man konzentrierte sich auf Therapie. Die Vermittlung von Gesundheitskompetenz (nicht allein Gesundheitswissen!) war früher Standard – in der Großfamilie von Generation zu Generation und anlassbezogen als Patientenschulungen. Mit der Veränderung familiärer und sozialer Strukturen ist vieles davon verloren gegangen – was erhebliche Kosten verursacht.

Erfreulicherweise hat sich das Bewusstsein aktuell geändert: die Themen sind auch in den politischen Fokus gerückt, wir wissen, dass Prävention wirkt, sich rechnet und Spaß machen kann.

Und dass Gesundheitskompetenz, vor allem die navigationale, in unserem Dickicht des Gesundheitswesens erhebliche Kosten sparen kann. Leider sehen wir erst mittel- und langfristig Erfolge. Daher tun sich viele schwer mit der Finanzierung.

Die Zahl der Todesfälle binnen 20 Jahren ist bei Darmkrebs um 17 Prozent gesunken (2003-2023). Hat sich die Darmkrebsvorsorge erfolgreich durchgesetzt?

Wir wissen, dass die demographische Entwicklung die Entstehung von Krebserkrankungen begünstigt. Daher ist die Adressierung der älteren Bevölkerung für Vorsorgemaßnahmen wie Screeninguntersuchungen wichtig und erfolgreich. Auch die Risikofaktoren wie Rauchen, übermäßiger Alkoholgenuss und Übergewicht sind eher bekannt. Allerdings ist Krebs nicht nur eine Frage des Lebensstils oder des Alters. Familiäre Risikogruppen mit genetischer Prädisposition und für Prävention schwer erreichbare Bevölkerungskreise wie sozial Benachteiligte, Bildungsferne und Menschen mit Sprach- oder kulturellen Barrieren werden bislang noch unzureichend adressiert.

Welche Methoden zur Diagnostik stehen aktuell zur Verfügung?

Alle gesetzlich Versicherten können ab dem Alter von 50 Jahren zwischen der Koloskopie (Darmspiegelung) und dem immunologischen Stuhltest auf verborgenes Blut im Stuhl wählen. Vorteile sind die sehr frühe Detektion der Vorstufen eines möglichen Krebsgeschehens in Form der dabei entfernbaren Polypen. Nachteile sind die noch etwas aufwändige Vorbereitung zur Koloskopie und der damit verbundene Zeitaufwand – allerdings wiegen die Vorteile diese bei Weitem auf. Die nicht-invasive Alternative zur Darmspiegelung ist der Stuhltest, der allerdings nur dann „reagieren“ kann, wenn meist fortgeschrittene Vorstufen oder Darmkrebs bluten.

Alles rund um den Darm ist oft mit Scham behaftet. Wie können diese Barrieren abgebaut werden?

Das Thema muss – wie alles rund um Gesundheit und alle unsere Organe – noch mehr in die Öffentlichkeit, vom Frühstücksfernehen bis zur Illustrierten beim Friseur, von früh an in Bildungseinrichtungen und sollte auch Thema in den Familien sein. Nur so enttabuisieren wir die natürlichen Vorgänge in unserem Körper und machen sie und ihre Einflussfaktoren begreifbar.

Deshalb gibt es auch das begehbare Darmmodell der Felix Burda Stiftung – auch virtuell.

Welche Möglichkeiten der Früherkennung sind heute gegeben? Und wie können auch Unternehmen ihre Mitarbeiter für die Darmkrebsvorsorge sensibilisieren?

Informationen zur Darmkrebsfrüherkennung werden über Krankenkassen und Apotheken oder Infomaterialien in Arztpraxen verbreitet. Die Felix Burda Stiftung stellt die APPzumARZT mit allen wichtigen individuellen Vorsorgeterminen und den www.schnellcheck-darmkrebs.de bereit.

In Betrieben und Unternehmen sollte das Thema Prävention und Früherkennung als Teil eines effektiven BGM systemisch etabliert werden, sowohl als Verhaltensprävention für alle Beschäftigten (auch Führungskräfte-Vorbildfunktion!) bis hin zur gesundheitsfördernden Umgebung. Einen Leitfaden, wie sich eine solche Aktion in jeder Betriebsgröße unkompliziert durchführen lässt, kann man kostenfrei auf www.felix-burda-stiftung.de downloaden.

Next article