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    Darmkrebs mit 28 – was dann?

    Fotos: felix burda stiftung

    Claudia Liane Neumann erhielt die Diagnose Darmkrebs vor drei Jahren. Wie sie damit umging und warum ihr das Thema Vorsorge bei jungen Erwachsenen so wichtig ist, erzählt sie im Interview.

    Frau Neumann, Sie hatten bereits mit 28 Jahren Darmkrebs. Die gesetzliche Vorsorge startet erst ab 50. Sie sind aber kein Einzelfall, oder?

    Ich bin mitnichten ein Einzelfall. Die Statistiken zu Darmkrebserkrankungen im jungen Erwachsenenalter belegen einen deutlichen Anstieg der Neuerkrankungen. Leider gibt es in Deutschland für mein Empfinden zu wenig Datensammlungen zu dem Thema. Mehrere größere Untersuchungen dazu kenne ich nur aus den USA. Allerdings muss man sagen, dass die Vorsorge bei familiärer Vorbelastung auch unter 50 Jahren vorgenommen werden kann und sollte.


    Als so junger Mensch an Darmkrebs zu erkranken, ist in vielerlei Hinsicht ein Schock, man hat ja eigentlich noch das ganze Leben vor sich. Was ging in Ihnen vor, nachdem Sie die Diagnose erhalten haben?

    Das war ein absoluter Schock. Ich wusste in dem Moment, was es heißt, wenn man immer so lapidar sagt‚ „es zieht einem den Boden unter den Füßen weg“. Ich hatte gerade mit meinem ExMann ein Haus gekauft und hatte mich beruflich etabliert. Ich würde sagen, ich war auf dem Weg, mein Leben zu organisieren und zu strukturieren. Und dann hat das Schicksal in voller Fahrt die Handbremse angezogen.

    Heute sind Sie nach etlichen Operationen und Chemotherapien wieder gesund, aber Ihr Leben sieht vollkommen anders aus als zuvor. Was hat die Erkrankung verändert und wie gehen Sie damit um?

    Die Erkrankung hat nicht nur mein Denken und meinen Körper verändert. So eine Erfahrung verändert auch das gesamte Umfeld. In meinem Fall würde ich behaupten, dass ich egoistischer geworden bin. Ich denke mehr an mich als an andere und lebe viel im Hier und Jetzt. Seit fünf
    Jahren habe ich inzwischen den künstlichen Darmausgang. Damit lässt es sich allerdings in meinem Alltag gut leben. Nichtsdestotrotz ist das natürlich eine Veränderung, die man sich gern erspart hätte. Außerdem hat die Erkrankung meine Ehe und mein Eigentum gekostet. Es war rückblickend betrachtet ein totaler Reset. 

    Wie gehe ich damit um? Ich denke, man muss Dinge akzeptieren, die man nicht ändern kann. Wenn ich mich in Selbstmitleid ertränke und mich immer wieder frage, „Wieso ich?“, dann ist das wie Schaukeln. Ich wäre zwar beschäftigt, komme aber nicht vorwärts.

    Sie wurden 2018 mit dem Ehrenfelix der Felix Burda Stiftung ausgezeichnet, weil Sie sich ganz besonders für das Thema der Vorsorge bei jungen Erwachsenen engagieren. Was ist hier noch zu tun, was wünschen Sie sich besonders für junge Betroffene?

    Junge Betroffene nehmen eine spezielle Rolle im Thema Onkologie ein. Sie haben andere Ansprüche an den Umgang mit der Erkrankung. 80 Prozent der statistisch erfassten jungen Betroffenen überleben die Erkrankung. Da muss man dann auch an die Zeit danach denken. Wie arbeitsfähig bin ich nach der Therapie/ den Therapien? Kann ich noch Kinder bekommen? Wie gehen meine Eltern mit meinem potenziellen Tod um? Ist das Leben danach mit möglichen lebenslangen Nebenwirkungen für mich noch lebenswert? Wie geht mein Umfeld mit mir um? Bin ich noch so leistungsfähig wie zuvor?

    Aktuell gibt es ganz speziell zu tun, dass der GBA endlich die Richtlinien zur Kryokonservierung erlässt. Das Gesetz ist seit Mai von Herrn Steinmeier unterschrieben und die Kassen wehren sich weiter vehement dagegen, die Kosten zu übernehmen. Obwohl sie die Möglichkeit hätten, wenn sie es wollten. 

    Dass die Kassen trotz beschlossener Gesetzgebung derzeit so mit dem Thema umgehen, ist bitter enttäuschend und spiegelt in meinen Augen eine sehr antiquierte Haltung wider. Ganz nach dem Motto „Das war schon immer so, das ist so und das wird auch immer so bleiben.“ Traurig.

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