Home » Magen und Darm » Dem Themadas Tabu nehmen
  • Magen und Darm

    Dem Thema
    das Tabu nehmen

    Foto: Privat

    Philipp Stehler kennen viele aus den Medien. Der Schauspieler und Reality-TV-Star ist oft im Fernsehen zu sehen, unter anderem in Formaten wie Die Bachelorette, Gute Zeiten, schlechte Zeiten oder K11. Dass er seit Jahren unter Colitis Ulcerosa leidet, wussten die wenigsten. Bis er 2019 nicht nur gegen die Erkrankung, sondern sogar um sein Leben kämpfen musste.

    Philipp, du bist von Colitis Ulcerosa betroffen. Wann hast du gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

    Während meiner Polizeiausbildung hatte ich oft Durchfälle. Ich habe damals viel Kraftsport gemacht und proteinreich gegessen; meine Beschwerden schob ich darauf. Als ich Blut im Stuhl hatte, war klar, dass es ernster sein könnte.

    Wann hast du die Diagnose bekommen?

    Zunächst ging ich zum Polizeiarzt, der vermutete eine Unverträglichkeit. Die Beschwerden wurden aber immer schlimmer, ich hatte zum Teil 20 Stuhlgänge und mehr am Tag. Ich bin deswegen von Arzt zu Arzt gegangen, keiner wusste weiter. Irgendwann kam ich dann zu einem Gastroenterologen, der die Diagnose stellte: Colitis Ulcerosa.

    Wie ging es dann weiter, wie bist du damit umgegangen?

    Ich hatte eine Diagnose und Medikamente bekommen und habe mich erst mal nicht weiter darum gekümmert. Eine Weile später wurden meine Beschwerden aber wieder schlimmer, verschwanden, kamen noch schlimmer zurück und immer so weiter, in unterschiedlichen Intervallen. Das hat mich fertig gemacht, weil ich überhaupt nichts mehr planen konnte. Ich habe viel Gewicht verloren, hatte Wassereinlagerungen in den Füßen. Zu der Zeit war ich mit „Die Bachelorette“ in Bangkok, dort kam ich wegen der Schwellungen ins Krankenhaus, niemand wusste, woran es liegt. Zurück in Berlin wurde ich an ein Klinikum überwiesen, der Arzt sagte mir nach der Darmspiegelung, dass er einen so schlimmen Befund wie bei mir noch nie gesehen hätte. Er hat 56 Biopsien aus der Darmschleimhaut entnommen. Ich bekam dann starke Immunsuppressiva. Die sorgen dafür, dass die Entzündungsreaktion stoppt, infolge hatte ich aber auch viele Infekte. Irgendwann half auch das nicht mehr, es ging mir sehr, sehr schlecht.

    Dann wurdest du operiert?

    Ich bekam eine Kolektomie als Not-OP. Bei dieser Operation wird ein Teil des Dickdarms entfernt. Zu der Zeit hatte ich neun Tage nichts mehr gegessen, kaum noch getrunken. Es war schlimm, jeder Biss, jeder Schluck führte zu Schmerzen und Durchfällen. Als die Operation gemacht wurde, war die Darmschleimhaut durch die permanente Entzündung schon durchlässig, es kamen Giftstoffe in die Blutbahn, ich hatte eine beginnende Blutvergiftung. Mir wurde dann ein Stoma gelegt, ein künstlicher Darmausgang mit einem Beutel am Bauch.

    Besonders für junge Menschen ist es schwierig, den künstlichen Darmausgang zu akzeptieren, man denkt eigentlich erst mal nur daran, ihn loswerden zu wollen. Dabei ist es wichtig, das Bewusstsein zu entwickeln, dass er dir das Leben gerettet hat, und dafür sollte man Dankbarkeit entwickeln.

    Wie ging es dir nach der OP? Wie hast du die Zeit mit dem künstlichen Darmausgang erlebt?

    Der Beutel war furchtbar, ich war ja sehr jung und hatte mich immer stark über meinen Körper definiert. TV-Formate, Modelkampagnen, Instagram … von heute auf morgen war erst mal alles vorbei. Aber es ging nicht anders, die OP hat mir das Leben gerettet. Für die Heilung ist es wichtig, dass man sich immer wieder sagt: Dank der OP und dem künstlichen Darmausgang bin ich am Leben. Weil es schwierig ist, besonders für junge Menschen, den künstlichen Darmausgang zu akzeptieren, man denkt eigentlich erst mal nur daran ihn loswerden zu wollen. Dabei ist es wichtig, das Bewusstsein zu entwickeln, dass er dir das Leben gerettet hat, und dafür sollte man eine Dankbarkeit entwickeln. Diese positive Einstellung führt dazu, dass man sich mehr um sich und die Genesung kümmert als nur ständig den Beutel zu verfluchen: Die Situation annehmen, akzeptieren und dann weiter kämpfen, ist der Weg.

    Und heute – wie geht es dir jetzt?

    Mir wurde in weiteren OPs ein neuer Dickdarm (Pouch) aus einem anderen Darmabschnitt geformt, der Beutel ist weg. Nach der ersten Operation habe ich begonnen, mich intensiv damit auseinanderzusetzen, was mir guttut, auch meine Ernährung habe ich umgestellt. Lange Zeit hatte ich nur auf die Symptome reagiert, mit Anfang 20 hatte ich noch nicht das Bewusstsein für meinen Körper, das ich heute habe. Ich hinterfragte auch nicht groß, was für Medikamente ich nehme und was sie mit dem Körper machen.

    Da ich sehr sportlich und trainiert war und Alkohol, Drogen oder Rauchen nie Thema für mich gewesen waren, dachte ich, ich muss mich nicht weiter um meinen Körper kümmern. Aber so einfach ist es nicht. Ich musste lernen, auf meinen Körper zu hören und habe vieles ausprobiert. Yoga, Akupunktur, Meditation … hier muss jeder für sich ausloten, was richtig ist, das ist individuell verschieden. Mir helfen CBD-Tropfen sehr gut, deshalb habe ich aus Überzeugung die Tropfen herstellen lassen und vertreibe sie, um auch anderen helfen zu können – Herz-Blut CBD, aus Schweizer Bio-Anbau.

    Du bist dann an die Öffentlichkeit gegangen, hast auf Instagram über die Krankheit gesprochen. Wie war das Feedback?

    Es hat lange gedauert, bis ich über das Thema sprechen konnte, weil es mir unangenehm war. Das Feedback auf Instagram war massiv. Viele schrieben, “ich habe das auch“, darunter 18-Jährige und Leute, die man aus dem Showgeschäft oder Fernsehen kennt. Die Resonanz hat mich umgeworfen. Ich dachte, warum sprechen alle über Bandscheibenvorfall, aber niemand spricht über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und künstliche Darmausgänge?

    Du hast es getan – und auch in deinem Buch ‚Mein Darm ist kein Arsch‘ tust du es. Worum geht es?

    An den Reaktionen auf Instagram hatte ich gesehen, dass viele in einer ähnlichen Situation sind wie ich. Aber Betroffene müssen nicht nur gegen die Erkrankung kämpfen, sondern auch mit Scham. Ich wollte dem Thema das Tabu nehmen und transparent sein. Es hilft, darüber zu sprechen und zu sehen, dass man nicht alleine ist. Alle denken immer, sie müssten stark sein – dabei ist es in Ordnung, einen Gang runterzuschalten. Es ist wichtig, auf seinen Körper zu hören und herauszufinden, was einem guttut. Dafür sollte man ruhig auch mal neue Wege ausprobieren. Und man kann sich jederzeit Hilfe holen, auch von Psychologen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, das zu tun, im Gegenteil. Das Buch soll aber grundsätzlich auch für alle eine Motivation sein, die in ihrem Leben gerade durch eine schwere Phase gehen müssen!

    Buchtipp „Mein Darm ist kein Arsch“


    Wie aus einer fiesen Diagnose etwas Wertvolles für Philipps Leben wurde. Nach Jahren des Verdrängens, des heimlichen Leidens und der ständigen Medikamenteneinnahme entschied sich der Frauenschwarm, mit dem Tabu zu brechen und offen über seine Krankheit zu sprechen. Er hat sich der Herausforderung gestellt und seinen ganz persönlichen Weg gefunden, mit Colitis Ulcerosa zu leben.

    Anzeige
    Nächster Artikel