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    Vagusnervstimulation – Hoffnung aus der Tiefe des Nervensystems

    Foto: shutterstock_2256117567

    Manchmal kann selbst durch Medikamente oder Gesprächs- und Verhaltenstherapien keine Besserung der Symptome erreicht werden. Wenn beispielsweise epileptische Anfälle das Leben dominieren oder dunkle Gedanken die Seele schwer machen, wächst der Wunsch nach neuen therapeutischen Möglichkeiten. In solchen Momenten kann die Vagusnervstimulation (kurz: VNS) eine neue Perspektive eröffnen. Sie ist ein medizinisches Verfahren, das zum Einsatz kommen kann, wenn andere Behandlungsformen keine ausreichende Wirkung zeigen oder nicht toleriert werden.

    Der Vagusnerv, auch „Ruhenerv“ genannt, ist wie eine innere Verbindungslinie zwischen Gehirn und allen weiteren lebenswichtigen Organen, verläuft vom Kopf bis tief in den Rumpf und beeinflusst Herz, Atmung, Verdauung – und sogar unsere Emotionen. Aufgrund der vielen Organe, die der Vagusnerv mit dem Gehirn verbindet, hat seine elektrische Stimulation auch einen positiven Einfluss auf viele unterschiedliche Krankheitsbilder.

    Wie funktioniert VNS – und was macht sie so besonders?

    Bei der klassischen Form der VNS wird ein kleines elektrisches Gerät unter die Haut im Brustbereich eingesetzt – ähnlich einem Herzschrittmacher. Von dort aus sendet es sanfte Impulse an den Vagusnerv. Diese Impulse gelangen bis ins Gehirn und können dort Prozesse beeinflussen, die bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen aus dem Gleichgewicht geraten sind. Für viele Menschen bedeutet das: mehr Lebensqualität aufgrund von weniger epileptischen Anfällen, erholsamerer Schlaf, eine positivere Einschätzung der Umwelt und ein gesteigertes Gefühl der inneren Ruhe. Es gibt mittlerweile auch eine nicht-invasive, transkutane Variante, die tVNS, die als Medizinprodukt bereits für die Behandlung verschiedener Indikationen zugelassen ist. Hierbei wird ein Ast des Vagusnervs, der im Bereich der Ohrmuschel unmittelbar unter der Haut liegt, elektrisch stimuliert. Großer Vorteil: hierfür ist keine Operation notwendig. Nicht nur für Menschen, die Angst vor einem Eingriff haben, kann das eine sanfte Alternative sein. Die tVNS birgt generell weniger Nebenwirkungen als die invasive Variante, und trotzdem werden die gleichen Hirnareale durch die transkutane VNS aktiviert wie durch die invasive Form. Aufgezeigt werden konnte dies in entsprechenden Forschungsstudien.

    Für wen ist VNS geeignet?

    Die Vagusnervstimulation wird vor allem eingesetzt, wenn andere Therapien versagen – etwa bei schwer behandelbarer bzw. medikamentenresistenter Epilepsie oder Depressionen. Und obwohl noch nicht alle Wirkmechanismen vollständig verstanden sind, berichten viele Betroffene von einer deutlichen Besserung ihres Zustands.

    Weitere Anwendungsgebiete sind Schlafstörungen, Angststörungen, Morbus Parkinson, Migräne, Tinnitus und entzündliche Darmerkrankungen. Und das sind lediglich die Bereiche, für die tVNS-Geräte nach europäischer Medizinprodukteverordnung bereits zugelassen sind. Die Liste der Bereiche, in denen die Anwendung der tVNS sich noch in den Anfängen der Forschung befindet, ist ebenso lang. Dazu zählt die Anwendung bei chronischen Schmerzen, posttraumatischer Belastungsstörung und Alkoholmissbrauchsstörung. Besonders vielversprechend ist die Methode generell bei chronischen, schwer behandelbaren Beschwerden.

    Ein Blick nach vorn

    Derzeit laufen verschiedene Studien, die den Einsatz der Vagusnervstimulation in weiteren Krankheitsbildern untersuchen, wobei besonders die transkutane, nicht-invasive VNS die Einsatzmöglichkeiten erweitert. So wird zum Beispiel untersucht, ob die tVNS in der Schlaganfall-Rehabilitation eingesetzt werden kann. Auch in den Bereichen Prader-Willi-Syndrom und Vorhofflimmern besteht die Hoffnung, dass die tVNS ein erfolgsversprechender Therapieweg sein könnte.

    Ein weiterer Einsatzbereich ist die Behandlung von Post-/Long-COVID: Die Vagusnervstimulation wird zunehmend als vielversprechender Ansatz bei ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches FatigueSyndrom) erforscht. Ein Bereich, in dem ein hoher medizinischer Versorgungsbedarf besteht und viele Betroffene verzweifelt auf wirksame Therapien warten. Erste Studien deuten darauf hin, dass die Vagusnervstimulation das autonome Nervensystem stabilisieren, Entzündungen hemmen und Erschöpfung sowie Schmerz lindern könnte. Auch hier zeigt besonders die nicht-invasive Stimulation Potenzial, ist aber noch nicht als Standardtherapie anerkannt. Weitere Forschung ist nötig, um Wirksamkeit und Langzeiteffekte zu bestätigen.

    Die Vagusnervstimulation ist eine Chance für Menschen, die sich mit ihrer Krankheit oft allein gelassen fühlen, nach neuen nicht-medikamentösen Behandlungsoptionen suchen oder bisher noch gar keine Therapiemöglichkeit haben. Wer sich für diese Therapie interessiert, sollte sich gut informieren und mit erfahrenen Ärztinnen und Ärzten sprechen.

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