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    Schlaf ist die beste Medizin: Schlafmediziner Dr. Hans-Günter Weeß

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    Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm des Menschen

    Dr. Hans-Günter Weeß

    14 Jahre Vorstandsmitglied der DGSM, Leiter Schlafzentrum Pfalzklinikum, Somnologe, Buchautor, Schlafexperte, Leiter der Akademie für Schlafmedizin (AfS) 

    Wenn wir uns abends in unser Kissen kuscheln und sanft in Morpheus‘ Arme gleiten, dann beginnt für unseren Körper die Arbeit. Denn der gesunde Schlaf ist das wichtigste Regenerations- und Reparaturprogramm des Menschen. Die Schäden des Wachseins werden repariert und Energiespeicher aufgefüllt. Aus diesem Grunde verbraucht unser Organismus im Schlaf nahezu so viel Energie wie im Wachen. Schlaf ist u.a. ein Gedächtnisbooster und Stimmungsregulator. Aber er hat noch viele weitere Aufgaben: Er ist wichtig für unser Immunsystem, die Zellteilung und Zellneubildung, die Fortpflanzungsfähigkeit und schützt uns vor zahlreichen Erkrankungen, so z. B. vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, psychischen Störungen und Alterserkrankungen, wie Parkinson und Demenz.

    Aber für viele Menschen heißt es am Abend, wenn sie ins Bett gehen: „Augen zu und durch!“ Sie leiden an einer der über 50 wissenschaftlich zu unterscheidenden Schlafstörungen.

    Zu den häufigsten Schlafstörungen zählen die Ein- und Durchschlafstörungen, im Fachbegriff Insomnie genannt.

    Je nach Studie leiden zwischen sechs und zehn Prozent der Bevölkerung an einer behandlungsbedürftigen Insomnie. Damit stellt sie eine Volkskrankheit dar. Ungefähr ein weiteres Drittel der Bevölkerung schläft schlecht, erfüllt aber noch nicht die medizinischen Behandlungskriterien. Circa ein Drittel der Bevölkerung schnarcht, Ältere häufiger als Jüngere und ebenso Männer häufiger als Frauen. Allerdings nimmt der Anteil der Frauen nach der Menopause deutlich zu, wenn das weibliche Sexualhormon Progesteron mit seiner unter anderem auch gewebestraffenden Wirkung auf die oberen Atemwege wegfällt. Schon Tucholsky sagte: “Gott schenke uns Ohrenlider.“ Schnarchende können ihren Bettpartnern den Schlaf rauben, da sie Lautstärken von bis zu 90 Dezibel entwickeln. Dies entspricht ungefähr der Lautstärke eines Lkws, der durchs Schlafzimmer fahren würde.

    Drei bis sechs Prozent der Bevölkerung leiden an einem krankhaften Schnarchen, das durch Atemstillstände im Schlaf gekennzeichnet ist. Bei der häufigsten Form der schlafbezogenen Atmungsstörungen, der obstruktiven Schlafapnoe, ist ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie z. B. Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall, gesichert. Darüber hinaus führt eine begleitende erhöhte Schläfrigkeit am Tage zu vermehrten Unfällen im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz.

    Unser Gesundheitssystem hat den Schlaf der Menschen verschlafen.

    Nur so lässt sich die hohe Chronifizierungsneigung von z. B. Ein- und Durchschlafstörungen erklären. 70 Prozent der Betroffenen leiden länger als ein Jahr. Vor dem Hintergrund, dass viele Betroffene eine symptomatische Behandlung mit Schlafmitteln ablehnen und evidenzbasierte Behandlungsansätze der Kognitiven Verhaltenstherapie für Ein- und Durchschlafstörungen nicht flächendeckend vorhanden sind, suchen viele Hilfe in einer schlafmedizinischen Schattenwirtschaft. Selbst ernannte Schlafexperten bieten Kurse und Behandlungen an, ohne dass sie eine qualifizierte schlafmedizinische Ausbildung aufweisen können.

    Es werden Milliarden ausgegeben für technische Schlafhilfen.

    Gemäß des Marktforschers Global Market Insights sollen es weltweit bis in fünf Jahren 27 Milliarden sein. Sleeptracker und Apps werden zur Vermessung des eigenen Schlafes angeboten. Zu den Gadgets, die für einen besseren Schlaf sorgen sollen, gehören Kuschel-Schlafroboter, die synchron mit den Schlafenden atmen, Gewichtsdecken, Lichtmetronome, Stirnbänder zur Stimulation der Gehirnströme, intelligente Schlafmatten und vieles mehr. Alle suggerieren den Käufern die Auflösung von Schlafproblemen, einen tiefen und festen Schlaf sowie mehr Leistungsvermögen am Tage. Allerdings sind die allerwenigsten dieser Gadgets wissenschaftlich erprobt und in ihrer Wirksamkeit evaluiert. Trotzdem könnten derartigen Methoden in der Zukunft eine wichtige Rolle in der Behandlung von Menschen mit Schlafstörungen zukommen. Werden sie nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelt und in ihrer Wirksamkeit überprüft, könnten diese einen wichtigen Baustein in der Behandlung von Patienten darstellen.

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