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    Leben mit Polycythaemia vera

    Foto: Shutterstock 516112096

    Die Polycythaemia vera (PV) ist eine seltene und kaum bekannte Form des chronischen Blutkrebses. Silvana K. spricht im Interview über die Diagnose und das Leben mit der Erkrankung.

    Wie würden Sie Ihr Krankheitsbild beschreiben?

    Ich bezeichne meine Erkrankung immer als Knochenmarkerkrankung, bei der bestimmte Blutwerte wie zum Beispiel die Thrombozyten, Leukozyten, Erythrozyten und damit auch Hämoglobin und Hämatokrit zu hoch sind, weil das Knochenmark zu viel davon produziert.

    Welche Symptome hatten Sie? Und wann haben Sie sich an einen Arzt gewandt?

    Ich hatte damals Bewegungseinschränkungen im Arm, daraufhin kam ich ins Krankenhaus. Nach etwa zwei Wochen und vielen Untersuchungen wurde ich wieder entlassen. Im Arztbrief stand, dass ich mich bei einem Onkologen vorstellen soll.

    Mögliche Symptome einer Polycythaemia vera (PV)

    ·      Erhöhte Blutwerte
    ·      Sehstörungen und/ oder Schwindel
    ·      Kopfschmerzen/ Migräne
    ·      Quälender Juckreiz – insbesondere nach Wasserkontakt
    ·      Müdigkeit/ Abgeschlagenheit
    ·      Unkontrollierbarer hoher Blutdruck und Puls
    ·      Diffuse Herz-Kreislauf-Beschwerden
    ·      Unnatürlicher roter Kopf
    ·      Schmerzen in den Beinen
    ·      Durchblutungsstörungen (Kribbeln in den Armen und/ oder Fingern)
    ·      Geminderte Leistungsfähigkeit
    ·      Starkes Schwitzen – insbesondere Nachtschweiß
    ·      Schmerzen im linken Oberbauch aufgrund einer Milzvergrößerung

    Die Diagnose einer seltenen Erkrankung dauert oft sehr lange und kann auch mit Fehldiagnosen verbunden sein. Wie war das bei Ihnen?

    2014 stand bei mir schnell fest, dass ich ein myeloprofileratives Syndrom habe. Anfangs soll es eine Thrombozythämie gewesen sein, nach etwa drei Jahren Polycythaemia vera (PV). Ich kenne aus dem Austausch im MPN-Netzwerk einige, bei denen es ganz anders war. Vor 40 Jahren wurde die Krankheit selten diagnostiziert, vor 20 Jahren wurde sie nur in Fachkreisen festgestellt. Bei anderen sind zwischen einem und neun Jahre vergangen, bis die PV diagnostiziert wurde. Es ist gut, dass die seltenen Erkrankungen weiter erforscht werden, aber es ist auch wichtig, dass alle Ärzte seltene Erkrankungen kennen, um ein jahrelanges Suchen zu vermeiden.

    Kennen Sie die Ursache der Polycythaemia vera?

    Die Ursache ist eine Fehlfunktion der blutbildenden Zellen im Knochenmark. Die meisten Betroffenen haben eine Genveränderung, die sogenannte Jak2-Mutation. Durch diese wird das Signal zur Produktion von Blutzellen, unabhängig vom körpergesteuerten Bedarf, auf „an“ gestellt, wodurch sich zu viele Zellen teilen und zu viel Blut produziert wird.

    Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es und können auch Betroffene selbst und deren Angehörige die Therapie positiv beeinflussen?

    Meist werden zunächst Aderlässe durchgeführt und die Einnahme von ASS verordnet. Wenn das nicht mehr ausreicht, gibt es zellreduzierende Medikamente. Ob man die Therapie positiv beeinflussen kann, das ist eine gute Frage: Ich weiß es nicht, aber ich habe in den fast neun Jahren meiner Erkrankung gelernt, dass es wichtig ist, mit jemandem darüber zu sprechen. Ich versuche mich im Rahmen meiner Möglichkeiten fit zu halten. Eine gesunde Ernährung ist sicher auch hilfreich. Am meisten hilft mir, glaube ich, dass ich mich mit der PV arrangiert habe und positiv in die Zukunft schaue.

    Wo liegen die größten Herausforderungen im Umgang und Leben mit der Erkrankung?

    Mit der Diagnose erstmal psychisch zurechtzukommen, ist meiner Meinung nach die allergrößte Herausforderung: Für mich war das so schwierig, weil es eine Erkrankung ist, die man sein ganzes Leben lang hat. Ich war 39 Jahre alt und wusste nicht, wie es weitergeht. Meine Tochter war zu jener Zeit gerade mal neun Jahre alt. Das Erste, was ich nachgelesen habe, war die Lebenserwartung.

    Es ist erstmal ein Schock, den man verarbeiten muss. Ich wusste zunächst nicht, wie es weitergehen soll. Manche kommen ganz gut und schnell damit zurecht. Bei mir hat es vier Jahre gedauert bis ich langsam angefangen habe, mich mit der PV zu arrangieren. Das hat auch deshalb so lange gedauert, weil es mir mit den Medikamenten, die ich vorher hatte, nicht so gut ging. Die Symptome sind nämlich auch eine große Herausforderung im Leben mit der Erkrankung.

    Wie stark beeinträchtigt die PV Ihre Lebensqualität?

    Ein bisschen durch die Konzentrationsschwäche, die verringerte Leistungsfähigkeit und die Schmerzen in den Beinen, aber ich kann trotz der Symptome voll arbeiten und mein Leben genießen. Ich war im Frühjahr auch im Urlaub. Mittlerweile kann ich ganz gut einschätzen, was funktioniert und was mir guttut.

    Was würden Sie anderen Betroffenen raten?

    Auf jeden Fall nicht alles glauben, was im Internet steht. Die Lebenserwartungen, die man liest, sind überhaupt nicht aktuell. Die derzeitige Lebenserwartung ist im Vergleich zur Normalbevölkerung nur wenig eingeschränkt. Es ist wichtig, einen guten Onkologen oder Hämatologen zu finden, mit dem man auch zufrieden ist. Es gibt MPN- Spezialisten und -Zentren dort wird man sehr gut beraten und man nimmt sich sehr viel Zeit für die Betroffenen.

    An dieser Stelle möchte ich auch das MPN-Netzwerk empfehlen. Dort findet man Gleichgesinnte, mit denen man sich austauschen kann, es gibt auch Web-Seminare, die sehr hilfreich sind und vieles mehr.

    Das Wichtigste ist, das Leben zu genießen und sich nicht von der Krankheit einnehmen zu lassen, sondern gut mit ihr zu leben.

    MPN-Netzwerk –
    ein Netzwerk, das trägt

    Das mpn-netzwerk e. V. ist eine Selbsthilfeinitiative für Menschen mit Myeloproliferativen Neoplasien (MPN) und ihren Angehörigen.

    Weitere Informationen finden Sie unter:

    www.mpn-netzwerk.de

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