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    „Geht nicht gibt’s nicht“

    Foto: Össur

    Mit 14 Jahren verlor Markus Rehm bei einem Wakeboard-Unfall sein rechtes Bein unterhalb des Knies. Heute springt er weiter als jeder „gesunde“ deutsche Weit- springer. 2018 ist er deutscher Weitsprung-Hallenmeister geworden, hat in seiner Karriere bereits 15 Goldmedaillen gewonnen und hat mit 8,47 Meter einen neuen Weitsprung-Weltrekord aufgestellt. Im November 2019 gewann Rehm bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften der Behinderten in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) mit 8,17 Meter im Weitsprung sein fünftes WM-Gold in Folge.

    Ihr Weg zum Leistungssport ist ungewöhnlich. Bitte erzählen Sie uns davon.

    Sport habe ich schon, seit ich denken kann, geliebt und habe als Kind mit Leichtathletik angefangen. Als ich 14 war, hatte ich dann den Unfall mit einem Motorboot. Beim Wakeboarden bin ich gestürzt. Es kam ein fremdes Boot, das mich nicht gesehen hat. Ich wurde überfahren und mein Bein kam dabei in die Schraube des Bootes. Infolgedessen habe ich meinen rechten Unterschenkel verloren. Durch Zufall bin ich danach wieder zurück zur Leichtathletik gekommen. Schnell kam dann auch das Angebot, dem professioneller nachzugehen, was ich dankend angenommen habe. Heute darf ich mich mit den besten Weitspringern der Welt messen.

    Hat Ihnen der Sport geholfen, den Schicksalsschlag besser zu verarbeiten?

    Schon vor dem Unfall war ich immer der Sportler. Das war meine Identität. Durch den Unfall wurde mir von heute auf morgen die Grundlage entzogen, das zu sein, was ich immer war: sportlich, fit und gesund. Der Unfall hat mir dann schon den Boden unter den Füßen weggerissen. In dem Alter steckt man mitten in der Pubertät. Die Kumpels haben ihre erste Freundin und man selbst ist davon weit entfernt, weil man rein äußerlich einfach nicht mehr so perfekt ist wie zuvor. Das war eine schwere Zeit für mich, in der sich all meine Gedanken auch nur um mein Handicap gedreht haben. Als dann der Sport wieder eine große Rolle in meinem Leben einnahm und ich realisiert habe, dass ich auch mit der Prothese so gut wie alles kann, ging es bergauf. Die Prothese wurde zu einem Teil von mir, bestimmte aber nicht mehr mein Leben. Der Sport hat mir den Halt und die Kraft gegeben, zurück zu mir selbst zu finden.

    Foto: Össur

    Was ist Ihr Erfolgsmotto?

    Wenn etwas nicht funktioniert, tue alle, damit es funktioniert. Geht nicht gibt es in meinem Leben nicht. Das möchte ich auch meinen Kunden und anderen Betroffenen mit auf den Weg geben: Macht das, was ihr vorher auch gemacht habt. Fahrt Rad, geht schwimmen, tanzt bis in den Morgen – lasst euch nicht behindern!

    Sie sind Orthopädietechnikmeister. Arbeiten Sie noch in dem Beruf?

    Ja, doch durch den Sport musste ich mein Arbeitspensum reduzieren. Früher war der Sport mein Hobby, heute ist es andersrum. Ich liebe meinen Job bei der Firma Rahm sehr und habe nach wie vor einige Kunden, die ich schon seit Jahren betreue, die ich weiterversorge. Und natürlich mache ich auch meine Prothesen selbst bzw. repariere sie oder passe sie an.

    Durch den Unfall wurde mir von heute auf morgen die Grundlage entzogen, das
    zu sein, was ich immer war: sportlich, fit und gesund.

    Wo stehen Sie sportlich gerade?

    Diese Saison ist durch Corona sehr holprig. Durch die Zwangspause wurde ich zurückgeworfen, kämpfe mich aber gerade zurück, sodass ich bei hoffentlich bald anstehenden Wettkämpfen wieder Höchstleistungen erbringen kann.

    Gleichberechtigung und Inklusion im Sport – wie ist aus Ihrer Sicht der Stand der Dinge?

    In den letzten Jahren hat sich viel getan, worüber ich sehr froh und auch dankbar bin. Natürlich dürfen wir jetzt nicht stehen bleiben und müssen weitermachen, aber wir sind auf einem guten Weg.

    Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

    Dass es auch mehr gemeinsame Wettkämpfe gibt. Wir haben alle die gleiche Leidenschaft, machen den gleichen Sport und haben dasselbe Ziel: Menschen begeistern. Zusammen könnten wir einfach viel mehr erreichen.

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