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    Mein Weg mit einem Alpha‑1‑Antitrypsin‑Mangel

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    Marion Wilkens ist Vorsitzende der Gesellschaft für Alpha-1-Antitrypsin-Mangel Erkrankte e.V. und selbst betroffen von der seltenen Lungenerkrankung. Sie berichtet, warum Aufklärung zu diesem Krankheitsbild so wichtig ist und welche Rolle der Austausch Betroffener untereinander spielt.

    Marion Wilkens

    Vorsitzende, Gesellschaft für Alpha-1-Antitrypsin-Mangel Erkrankte e.V.

    Foto: Henry Wilkens

    Heute weiß ich, dass man nicht unbedingt früh sterben muss und dass man vieles tun kann, um den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen.

    Mit 40 Jahren die Diagnose schwerer Alpha-1- Antitrypsin-Mangel (AATM) zu erhalten, war ein harter Schlag. Der AATM ist eine der häufigsten seltenen Erbkrankheiten in Europa und kann bei Erwachsenen zu schweren Lungen- und/ oder Lebererkrankungen führen.

    Bei mir wurde mit 20 Jahren ein Belastungsasthma diagnostiziert, was daraufhin jährliche Arztbesuche beim Pneumologen notwendig machte. Mein erstes deutliches Symptom war Husten, aber auch alltägliche Anzeichen wie Kurzatmigkeit beim Treppensteigen schränkten mich zunächst leicht ein. Und das, obwohl ich viel Sport trieb und mir sogar mein Studium mit Aerobic und anderen Fitness-Sportarten finanziert hatte. Als ich 40 war, sagte mein Arzt, dass die durch das Rauchen verursachten Probleme nach zehn Jahren Abstinenz nicht mehr spürbar sein sollten. Meine Lungenfunktionswerte sagten jedoch etwas anderes und drei Wochen später erhielt ich nach einem Bluttest die Diagnose Alpha-1-Antitrypsin-Mangel mit einem Serumspiegel von 0,22 mg/dl und einem PiZZ-Genotyp. Mein Arzt wusste kaum etwas über diese Krankheit und ich verließ sehr verwirrt die Praxis.

    Ich begann, mich selbst über das Internet zu informieren und hatte Angst, dass ich meine beiden Kinder nicht bis zum Erwachsenwerden würde begleiten können. Heute weiß ich, dass man nicht unbedingt früh sterben muss und dass man vieles tun kann, um den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen. Behandlungen wie die Substitutionstherapie sind zum Glück verfügbar und werden von unserem deutschen Gesundheitssystem bezahlt. Aber auch andere Therapien sind wichtig, zum Beispiel regelmäßiger Lungensport, Atemtherapie, ausgewogene Ernährung, Rehabilitation und Impfungen, um die Lunge vor Entzündungen zu schützen, die durch Infektionen verursacht werden. Ich lernte die für mich wichtigen Dinge: Atemtechniken zu beherrschen, mit Atemnot im Notfall umzugehen und Techniken zu erlernen, um meine Brust frei von Schleim zu halten. Im Alltag aktiv zu bleiben, muskelstärkende Übungen zu machen und die Ausdauer zu erhalten oder möglichst zu verbessern, war für mich ebenso wichtig wie ein gesundes Gewicht und eine ausgewogene Ernährung. Ich habe mir auch große Sorgen um unsere beiden Kinder gemacht. Hatte ich den Gendefekt an sie weitergegeben? Da der Jüngste erst zwei Jahre alt war, ließen wir zuerst meinen Mann testen, der glücklicherweise gesund war! Damit war klar, dass unsere Kinder nur Träger der Erkrankung sein konnten. Solange sie nicht rauchen, sind sie also nicht besonders gefährdet, durch AATM bedingte Symptome zu entwickeln. Weitere Untersuchungen in der größeren Familie ergaben weitere Träger, jedoch keinen mit einem schweren Mangel, so wie ich.

    Von einer seltenen Krankheit betroffen zu sein, die nicht sichtbar ist, macht es schwierig, es anderen zu erklären. Ich habe Ausreden gefunden, warum ich nicht mit den anderen Fahrrad fahre, sondern lieber alleine das Auto nehme, und lange Zeit habe ich nur wenigen Menschen von der Krankheit und ihrer Bedeutung für mich erzählt. Heute habe ich viel darüber gelernt und weiß, dass es hilft, sich auszutauschen und darüber zu sprechen. Unterstützung fand ich bei der Patientenorganisation Alpha1 Deutschland e. V., deren Vorsitzende ich nun seit neun Jahren bin. Hier versuche ich, so vielen Alpha-1-Patienten wie möglich zu helfen, ihre Ängste zu überwinden, ihre Behandlung effektiv zu gestalten und ihnen und ihren Angehörigen den Alltag zu erleichtern.

    Wir setzen uns dafür ein, die Diagnose zu beschleunigen. Spätestens sobald erste Anzeichen und Symptome auftreten, sollte jeder getestet werden, gerade auch Menschen mit der Diagnose COPD. Wichtig ist auch ein gleichberechtigter Zugang der Patienten zu allen therapeutischen Optionen, und das in ganz Europa. Wir brauchen eine gezielte Erforschung dieser seltenen Krankheit sowie die Entwicklung wirksamer krankheitsmodifizierender Therapien. Letztlich wünschen wir Patienten uns eine Heilung, auch wenn das noch ein langer Weg ist.

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