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    Die helfende Hand aus dem Netzwerk

    Fotos: BDH Bundesverband Rehabilitation

    Mit einem Schlag ist alles anders: Etwa 260.000 Deutsche erleiden jedes Jahr einen Schlaganfall. Für viele ist danach nichts mehr im Leben so, wie es war. Die Erkrankung zeigt beispielhaft, wie wichtig dann in der Therapie und Nachsorge ein Netzwerk aus Haus- und Fachärzten, Selbsthilfegruppen und Angehörigen ist. Aber auch technische Hilfen der Telemedizin können die so wichtige Kommunikation erleichtern.

    Ein Schlaganfall, eine plötzliche Durchblutungsstörung des Gehirns, ist die häufigste Todesursache nach Herzinfarkt und Krebs. 

    Die Erkrankung zeigt beispielhaft, wie wichtig dann in der Therapie und Nachsorge ein Netzwerk aus Haus- und Fachärzten, Selbsthilfegruppen und Angehörigen ist. Aber auch technische Hilfen der Telemedizin können die so wichtige Kommunikation erleichtern.


    Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Wie schnell die Akutversorgung eingeleitet werden kann, entscheidet maßgeblich darüber, wie behindert der Patient womöglich nach dem Ereignis bleiben wird. Die gute Nachricht: In Deutschland gibt es dafür bereits ein flächendeckendes Netz von Schlaganfalleinheiten, sogenannten „Stroke Units“. Hier können hoch qualifizierte Fachärzte die Patienten erstversorgen. Sie können vielen Betroffenen entscheidend und frühzeitig helfen. Vorausgesetzt, die Symptome und ersten Anzeichen eines Schlaganfalls werden rechtzeitig gedeutet.

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    Die Anzahl der Schlaganfallbetroffenen, die mit einer schweren Behinderung in der Gesellschaft leben, ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das klingt paradox, wird die medizinische Akutversorgung doch immer besser.  Das liegt daran, dass durch die älter werdende Bevölkerung immer mehr Personen einen Schlaganfall erleiden. Und weil immer mehr Patienten eine medizinische Katastrophe, gerade durch die rasanten Fortschritte in der Akutmedizin, überleben.

    Die Hälfte der Betroffenen ist unter 60 Jahre alt. Immerhin zehn Prozent davon sind sogar jünger als 40.

    Die neurologische Rehabilitation in Deutschland folgt dem Phasenmodell der BAR (Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation). Dabei werden in der neurologischen Frührehabilitation Phase B bewusstlose oder schwer bewusstseinsgestörte beziehungsweise schwerst gelähmte Patienten noch intensivmedizinisch behandelt, während die Patienten in der sich anschließenden Phase C bereits aktiv mitarbeiten können, auch wenn der medizinische und pflegerische Aufwand noch hoch ist. Nach dem Grundsatz „Rehabilitation geht vor Pflege“ wird hier das Ziel größtmöglicher Selbstständigkeit in allen Aktivitäten des täglichen Lebens verfolgt, um eine dauerhafte Pflegebedürftigkeit möglichst zu vermeiden. In der Phase D geht es um die Reintegration in das normale Leben außerhalb der Klinik, je nach Prognose und Belastbarkeit. Daran wiederum kann sich ambulante neurologische Rehabilitation anschließen, in der auch Jahre nach einer Schädigung des Gehirns noch erhebliche Verbesserungen erzielt werden können.

    Dabei bezieht sich moderne Rehabilitation auf das biopsychosoziale Gesundheitsmodell der Weltgesundheitsorganisation, bei dem die jeweils individuelle Situation von Menschen im Mittelpunkt steht, wobei neben der Erkrankung der Alltag und das Umfeld des Einzelnen und seine Teilhabe an selbstbestimmten Lebensbereichen zentral werden. Die Abwendung von Behinderung ist damit zur Aufgabe aller geworden. 

    Der Weg von der Intensivstation bis zur Rehabilitation und anschließenden Wiederaufnahme des Alltags ist für viele Patienten lang und steinig. 

    Ziel der Rehabilitation ist folgerichtig die Förderung der Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilhabe behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen am Leben in der Gesellschaft. Dazu zählen individuell mit unterschiedlicher Gewichtung eine gezielte Behandlung und Förderung so wichtiger Funktionen wie der Kognition, der Wahrnehmung, der Sprache, des Schluckens, der Armfunktion und des Gehens; aber auch die gezielte Unterstützung von Krankheitsbewältigung und die Behandlung emotionaler Betroffenheit, die häufig mit vermehrten Ängsten oder Depressivität einhergeht.

    Das wiederum heißt, dass alle mit ins Boot müssen, wenn es darum geht, therapeutische, pflegerische und medizinische Ziele zu planen, aufeinander abzustimmen und mit den persönlichen Zielen und Erwartungen des Patienten und seines Umfelds zu verknüpfen. Entscheidend ist hier der Informationsfluss zwischen allen Beteiligten: den Behandlern an Akutkrankenhäusern und Rehabilitationskliniken, niedergelassenen Neurologen und auch Hausärzten und Apothekern, die beispielsweise die so wichtige Sekundärprophylaxe sicherstellen, um das Risiko eines erneuten Schlaganfalls möglichst zu vermindern. Gleiches gilt für die therapeutischen und pflegerischen Dienste, die die Rehabilitation und Alltagsbewältigung unterstützen. Die gut abgestimmte Betreuung im Team ist der beste Garant nicht nur für die körperliche Gesundheit, sondern auch für das Wiedererreichen von Selbstständigkeit nach einem Schlaganfall. In den Rehabilitationseinrichtungen ist das gelebte Praxis, in der ambulanten Versorgungssituation aber oftmals schwer zu erreichen. Denn unser ambulantes Gesundheitssystem ist auf eine wirklich vernetzte interprofessionelle Versorgung noch nicht genügend eingestellt.

    Moderne Telemedizin 

    Glück im Unglück hat hier, wer in städtischen Zentren lebt. Ländliche Regionen sind nämlich momentan mangelhaft mit den „Stroke Units“ ausgestattet. Eine mögliche Antwort auf dieses Problem bietet die moderne Telemedizin: So gibt es bereits in einigen Bundesländern telemedizinische Netzwerke für eine passende Schlaganfallversorgung. Hier ist ein sogenannter telemedizinischer Konsiliardienst rund um die Uhr ansprechbar. Liegt ein Verdacht auf Schlaganfall vor, kommt der Betroffene in ein Krankenhaus im Netzwerk. Per Video- und Audiokonferenz stellen ihn Ärzte aus dem ländlichen Raum dem Spezialisten im städtischen Zentrum vor. Die Therapie erfolgt danach aber meistens vor Ort in der Region.

    Intelligente Messgeräte 

    Sogar bei den Patienten zu Hause kommen inzwischen technische Helfer zum Einsatz: Konkret ist das ein Computer, der für Videokonferenz, aber auch mit Blutdruckmessgeräten und EKG ausgestattet ist. Über Funk sind diese Geräte zum Beispiel mit Hausarzt, Spezialklinik, Angehörigen oder Pflegediensten verbunden. Die Geräte messen und kommunizieren besorgniserregende Daten sofort. Auf diese Weise kann sich der Patient während der Reha zum Beispiel von zu Hause mit der Krankengymnastin per Video austauschen. Je nach Einschränkung wie Lähmung oder Sprachbehinderung müssen entsprechende Systeme natürlich den Patienten angepasst werden.

    Hilfreiche Angehörige 

    Selbstverständlich sind auch Angehörige in diesem Netzwerk gefragt, um therapeutische Maßnahmen aktiv zu unterstützen und den Prozess der Reha zu fördern: Idealerweise sollten Haus oder Wohnung nach der Rückkehr aus der Klinik bereits so gestaltet sein, dass sich der Patient selbstständig bewegen kann. Verwandte und Freunde können hoffentlich dafür sorgen, dass sich der psychische Zustand des Patienten direkt nach dem Schlaganfall emotional stabilisiert. Unterstützung bieten außerdem deutschlandweit mehrere Hundert Selbsthilfegruppe für Schlaganfallbetroffene, zu denen das Umfeld für den Austausch von Erfahrungen eingeladen ist.

    Treue zur Therapie 

    Krankheit und Behinderung führen häufig zu psychologischen und psychosozialen Beeinträchtigungen. Lebenspläne und die bisherigen sozialen Netzwerke verändern sich oft massiv. Nicht nur die betroffenen Personen, sondern auch ihr soziales Umfeld sind häufig stark belastet, sie werden in die Verantwortung genommen, ein waches Auge auf die Therapietreue zu haben, auch für sie gibt es Beratungsgespräche zu einem strukturierenden Medikationsmanagement, Merkblätter oder Tools wie Vorbestell-Apps.

    Viele Betroffene sind auch mit den komplexen Rehabilitations-, Versorgungs- und Sozialsystemen überfordert. Hier wird von Sozialverbänden wie dem BDH Bundesverband Rehabilitation qualifizierte ehrenamtliche Beratung und auch sozialrechtliche Vertretung geleistet. Das Ziel ist auch hier, die Betroffenen und ihre Angehörigen zu informieren, Selbstbestimmung und Teilhabe zu fördern und bei der Führung eines möglichst selbstständigen, eigenverantwortlichen Lebens Unterstützung zu geben.  

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