Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Ulrich Laufs, Klinikdirektor und Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin am Uniklinikum Leipzig, über das komplexe Thema Cholesterin, individuelle Risiken von Patienten und moderne Therapieansätze, die ihre Lebensqualität verbessern können.
Von Cholesterin hat wohl jeder schon mal gehört. Welche Aufgaben übernimmt es im Körper und wann kann es gefährlich werden?
Cholesterin ist zunächst ein lebenswichtiger Grundstoff, den wir für unseren Körper brauchen. Denn Cholesterin ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil unserer Zellmembran, sondern unter anderem auch Ausgangsstoff für verschiedene Botenstoffe im Körper. Um es zu befördern, hat der Körper ein ausgeklügeltes Transportsystem entwickelt. Cholesterin ist nicht wasserlöslich. Daher befördern Lipoproteine wie z.B. HDL und LDL das Cholesterin im Blut.
Die Folgen der Gefäßverkalkungen sind die häufigsten Ursachen für Tod und für Pflegebedürftigkeit in Deutschland.
Problematisch wird Cholesterin jedoch, wenn wir zu viel davon im Blut haben. Dies gilt insbesondere für das LDL-Cholesterin. Dann lagert es sich in die Gefäßwand ein und verursacht Gefäßverkalkungen, die durch andere Risikofaktoren weiter verstärkt werden.
Die Folgen der Gefäßverkalkungen, insbesondere Herzinfarkte und Schlaganfälle, sind die häufigsten Ursachen für Tod und für Pflegebedürftigkeit in Deutschland.
Woher nimmt der Körper das Cholesterin?
Jede Zelle im Körper kann selber Cholesterin herstellen. Das Cholesterin im Blut wird im Wesentlichen durch die Leber reguliert. Zwei Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle: die Herstellung von Cholesterin in der Leber und die Aufnahme von Cholesterin im Darm. Die Aufnahme im Darm erfolgt durch spezielle Transporter. Deshalb korreliert der Cholesteringehalt in der Nahrung auch nicht zwingend mit hohen Blutwerten. Das Gehirn hat einen eigenen Cholesterin-Stoffwechsel, der von den Blutwerten unabhängig ist. Das resultiert
aus der Evolution. War früher der Hunger am größten, konnten wir es uns als Urzeitmenschen während der Jagd nicht leisten, dass auch noch die Denkfähigkeit eingeschränkt wurde.
Es gibt unterschiedliche Faktoren, die den Cholesterinspiegel negativ beeinflussen. Können Sie erläutern welche?
Der Cholesterinspiegel ist wesentlich durch erbliche Faktoren bestimmt. Weiterhin spielt der Lebensstil eine Rolle. Dabei hängt die Möglichkeit das Cholesterin durch Ernährungsumstellung zu senken von dem Ausgangszustand der Lebensgewohnheiten und von der familiären Veranlagung ab und wird häufig überschätzt. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele. Es gibt den einen Menschen mit ungesundem Lebensstil.
Er sitzt den ganzen Tag vor dem Bildschirm und bedient sich überwiegend aus der Fritteuse. Ernährt er sich stattdessen ausgewogen und betreibt regelmäßig Sport, kann er sein Cholesterin etwas senken. Hat man jedoch bereits einen guten Lebensstil ist eine zusätzliche Senkung durch Ernährung schwierig. Bei erblicher Belastung kann man auch durch einen optimalen Lebensstil sein Cholesterin nur wenig senken.
Selbst das Blut eines schlanken Sportlers enthält deutlich zu viel Cholesterin, wenn er unter einer genetischen Veranlagung, z.B. einer erblichen Fettstoffwechselstörung auch Familiäre Hypercholesterinämie (FH) genannt, leidet.
Was passiert bei erhöhten Werten im Körper und welche gravierenden Folgen können sie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben?
Cholesterin im Blut verursacht Verkalkung der Gefäßwand, die Arteriosklerose. Dies engt die Blutgefäße ein. Hierdurch kommt zu Durchblutungsstörungen in bestimmten Geweben und Organen. Wenn die Beine betroffen sind spricht man von einer peripheren arteriellen
Verschlusskrankheit. Sie wird im Volksmund auch „Schaufensterkrankheit“ genannt. In Folge der Arteriosklerose können sich Arterien verschließen. In den Herzkranzgefäßen führt dies zu einem Herzinfarkt, in den Halsgefäßen zu einem Schlaganfall.
Können Sie einen allgemeinen Überblick geben, wie man zu hohes Cholesterin als Patient beziehungsweise als Arzt in den Griff bekommen kann?
Wichtig ist, wie in den genannten Beispielen, zunächst die Ausgangslage zu analysieren. Dann ist aus meiner Sicht immer ein ganzheitliches Vorgehen entscheidend, es geht mir nicht darum eine Zahl auf einem Laborzettel zu behandeln, sondern die individuelle Gesundheit zu erhalten bzw. zu verbessern.
Die Basis ist der Lebensstil. Also, Bewegung, keine Zigaretten, adäquate Kalorienzufuhr. In der zweiten Stufe können Medikamente zum Einsatz kommen. Eine wesentliche Therapiemöglichkeit sind Statine. Sie vermindern die Cholesterinherstellung in der Leber. Dies führt dazu, dass die Leber mehr Cholesterin aus dem Blut entfernt.
Weit besser als in anderen Bereichen der Medizin können wir durch Studien belegen, dass eine Senkung des LDL-Cholesterins das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle vermindert. Für unterschiedliche Situationen empfehlen die wissenschaftlichen Fachgesellschaften LDL- Cholesterin-Zielwerte. Diese Zielwerte sollten in der Therapie angestrebt werden. Leider passiert das in 4 von 5 Fällen nicht ausreichend, da die Therapieoptionen oftmals nicht vollständig ausgeschöpft werden oder die Medikamente nicht vollständig eingenommen werden.
Daher muss man auch die Patienten im Boot haben. Hohes Cholesterin tut erst mal nicht weh. Die Folgen jedoch schon.
Es stehen inzwischen verschiedene Medikamente zur Cholesterinsenkung mit bewiesener Wirksamkeit zur Verfügung. Ausgewählte Risiko-Patienten, die mit den bisherigen medikamentösen Therapien und auch mit einer bereits erfolgten Therapieoptimierung, wie zum Beispiel mit Ezetimib, den Zielwert nicht erreichen oder solche mit sehr hohem Cholesterin trotz Tabletten, z.B. aufgrund einer familiären Hypercholesterinämie, können von einem PCSK9 Hemmer profitieren, der das LDL-Cholesterin im Blut ungefähr halbiert.
Dabei spritzt sich der Patient alle zwei Wochen das Medikament unter die Haut. Studien haben gezeigt, dass dies sehr gut verträglich ist.
Trotz der zentralen Rolle des LDL-Cholesterins als Risikofaktor für Herz-Kreislauf Erkrankungen spielen lipidsenkende Therapien in der Versorgung solcher Hochrisikopatienten eine geringe Rolle. Woran liegt das?
Die medizinische Versorgung hat sich in den letzten Jahren verbessert. Zu beobachten ist generell ein Rückgang der Todesfälle durch Herzinfarkt, dies ist wesentlich durch den Einsatz der Statine bedingt. Weiterhin stellen jedoch die Folgen der Arteriosklerose die häufigsten Erkrankungen dar.
Bedauerlich ist hier, dass die Mehrheit der kardiovaskulären
Hochrisikopatienten trotz guter Behandlungsmöglichkeiten nicht den für sie wichtigen Zielwert des LDL-Cholesterins erreicht. Vielerorts ist Cholesterin noch ein vernachlässigter Faktor, der mehr in den Fokus der ärztlichen Behandlung rücken sollte.
Da erhöhtes Cholesterin einen hohen Einfluss auf das Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt hat, sollten Mediziner, aber auch ihre Patienten die Cholesterinwerte im Blick haben.
UNABHÄNGIGES EXPERTENINTERVIEW
Mit freundlicher Unterstützung durch die Medienbuchung der Amgen GmbH. (DE-NP-145-0519-075205)