Verkrümmungen an der Wirbelsäule entstehen vor allem bei Jugendlichen während der Pubertät. Rückenschmerzen und Bewegungseinschränkungen belasten die betroffenen Patienten sehr. Im Interview spricht Prof. Dr. Thomas Niemeyer, Chefarzt der Asklepios Paulinen Klinik Wiesbaden, über die Erkrankung und erklärt, wann eine OP wirklich notwendig ist.
Prof. Dr. Thomas Niemeyer
Facharzt für Orthopädie, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Kinderorthopädie, Spezielle Orthopädische Chirurgie
Wie wird Skoliose diagnostiziert?
Eine Untersuchung und ein ausführliches persönliches Gespräch sind die Grundlage der Diagnose. Bei Verdacht erfolgen weitergehend Röntgen und Magnetresonanztherapie. Mit EOS setzen wir als Erste in Wiesbaden ein Röntgensystem ein, das 3-D-Ganzkörperaufnahmen des Skeletts im Stehen oder Sitzen ermöglicht und bei geringerer Strahlenbelastung und gleichzeitig hervorragender Aufnahmequalität.
Wie gehen Sie bei der konservativen Therapie vor?
Schwerpunkt der Behandlung ist zunächst immer die skoliosespezifische Krankengymnastik nach Schroth und die Kräftigung der Haltungs- und Rumpfmuskulatur. Eine alleinige Physiotherapie reicht oft nicht aus, auch bei zusätzlicher Korsettbehandlung, die darauf abzielt, die Wirbelsäule und das damit verbundene Wachstum zu lenken und die Zunahme der Skoliose zu verhindern, sind sportliche Aktivitäten zur Entwicklung der gesamten Körpermuskulatur zwingend notwendig.
Wenn die konservative Therapie nicht mehr hilft – welche operativen Maßnahmen bieten Sie an?
Eine Operation ist bei nur wenigen Skoliosen notwendig, wenn, dann sollten sie aber von Spezialisten durchgeführt werden. Wir arbeiten dort am häufigsten mit der Korrekturspondylodese (knöcherne Versteifung = Spondylodese). Bei dieser einmaligen Operation werden Schrauben und Stäbe aus Titan an der Wirbelsäule eingesetzt. Die operative Aufrichtung und Begradigung einer Skoliose mit anschließender Stabilisierung stellt eine sichere Methode dar und weißt vielversprechende Langzeitergebnisse auf. Zusätzlich werden von uns auch wachstumslenkende Verfahren angewendet. Dies können zum Beispiel Teleskopstäbe oder das Vertebral Body Tethering sein. Diese Verfahren kommen häufig bei Patienten mit einer frühkindlichen Skoliose zum Einsatz. Mit dem operativen Einsatz eines flexiblen Polymerbandes wird eine gezielte Wachstumslenkung vorgenommen. Ziel ist auf der konvexseitigen Wirbelkörperhälfte eine vorübergehende Wachstumsbremsung, d. h., auf der Konkavseite wird ein „schnelleres“ Wachstum auf der Innenseite der Krümmung ermöglicht. Je nach Verlauf und Ergebnis sind eine oder mehrere Operationen notwendig, um ein stabiles Korrekturendergebnis zu erreichen.
Wie hoch ist die Erfolgsquote und wie sieht die Zeit nach dem Eingriff aus?
Mit den modernen Techniken und bei entsprechender Erfahrung des Behandlers ist die Erfolgsquote enorm hoch. Die Patienten gehen in der Regel nach einer Woche nach Hause. Ist der Heilungsprozess abgeschlossen, können sie jede Sportart betreiben, die sie wollen.