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    Arbeitsalltag mit Rheuma – Chronische Talente im Einsatz!

    Foto: Benedikt Ziegler, Deutsche Rheuma-Liga

    Sobald man die Diagnose Rheuma bekommen hat, begleitet einen die Erkrankung über das ganze Leben – egal ob man bereits im Kindesalter diagnostiziert wurde oder sich die Erkrankung im Jugend- oder Erwachsenenalter bemerkbar macht. Eine chronische Erkrankung zu haben, stellt Betroffene daher vor viele Herausforderungen. Eine davon ist es, ins Arbeitsleben einzusteigen und dann auch den Alltag im Job bestreiten zu können.

    Paul Hornborstel

    Paul hat reaktive Arthritis und Morbus Bechterew – das hat ihn aber nicht daran gehindert, seinen Wunschberuf als Notfallsanitäter zu ergreifen.

    Viele Betroffene stehen daher bereits beim Vorstellungsgespräch vor der Entscheidung, ob sie mit offenen Karten spielen sollen oder doch lieber erst mal nichts von ihrem „chronischen Begleiter“ erzählen – aus Sorge, den Job vielleicht dann gar nicht erst zu bekommen. Das hat auch eine Umfrage der Rheuma-Liga bestätigt.

    Aus diesem Grund hat die Deutsche Rheuma-Liga e. V. das Projekt „Chronische Talente – beschäftigt mit Rheuma“ ins Leben gerufen. Denn junge Rheuma-Betroffene benötigen eine Chance, ihren Platz in der Arbeitswelt zu finden. Das Projekt stellt fünf Rheuma-Patient*innen vor, die einen Einblick in ihren jeweiligen Arbeitsalltag gewährt haben – mit allen Chancen und Herausforderungen, die ihren Alltag begleiten. Ihre Arbeitgeber wiederum berichten, wie sie ihre rheumakranken Mitarbeiter erleben und auf sie eingehen. Wir stellen einen davon vor: Paul Hornbostel aus Hannover.

    „Was man nicht versucht, kann man auch nicht erreichen!“

    Das ist das Lebensmotto von Paul (23), der reaktive Arthritis und Morbus Bechterew hat. Daher hat er auch nicht gezögert, sich um einen Ausbildungsplatz für seinen Wunschberuf zu bewerben. Nun ist er ausgebildeter Notfallsanitäter.

    Bei der Bewerbung hat er zunächst nicht angegeben, dass er Rheuma hat. „Ich hatte Sorge, dass ich die Stelle nicht bekomme, wenn ich es direkt sage. Ich wollte sie aber haben, denn ich wollte nach meinem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Sportmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover etwas mit Medizin machen, und ich bin fit. Ich habe von meinem Rheuma erzählt, als ich mit der Ausbildung angefangen habe. Niemand fand es schlimm, dass ich es nicht früher mitgeteilt habe, oder für die Arbeit bedenklich. Und natürlich weiß ich, dass es ein Beruf ist, wo der Körper funktionieren muss.“

    Foto: Benedikt Ziegler, Deutsche Rheuma-Liga

    Paul Hornbostel hat seine dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter erfolgreich abgeschlossen und ist direkt übernommen worden. Für den Abschluss galt es zum Beispiel, Medikamente und Algorithmen zu büffeln, die verschiedenen Traumata unterscheiden zu können oder in der letzten Prüfung 15 Einsätze in Extremsituationen zu durchlaufen. „Jetzt habe ich die volle Verantwortung, wenn ich auf dem Rettungswagen mitfahre.“ Wo lässt Paul die körperliche Belastung, die sein Beruf und sein Rheuma mit sich bringen? „Ich versuche, mich regelmäßig nach der Arbeit noch zu bewegen, gehe schwimmen oder ins Fitnessstudio und mache gezielt Übungen für die Gelenke.“ Und wo lässt er die physische Belastung seines Arbeitsalltags? „Sobald ich die Dienstkleidung ablege, ist es gut. Natürlich erinnere ich mich an meinen ersten Toten. Oder an den jungen Familienvater, den wir so lange wiederbeleben mussten. Und ich möchte auch eigentlich niemals erleben, ein Baby reanimieren zu müssen. Aber: Das gehört alles dazu.“

    Aber macht sein Körper, sein Rheuma den Beruf auch auf lange Sicht mit? „Ich glaube, dass ich körperlich trotz Rheuma auch in vielen Jahren noch dazu in der Lage wäre, meinen Beruf auszuüben. Jedoch hoffe ich, dass das mit dem Medizinstudium klappt und ich dann meinen Beruf als Kinderarzt bis zur Rente ausüben kann. Aber während des Studiums möchte ich weiter in Teilzeit als Notfallsanitäter arbeiten – hier auf der Wache, hier fühle ich mich richtig wohl.“

    Einer der Besten unter 650 Bewerbern

    Das bestätigt auch sein Arbeitgeber Ralf Antabi, der im Interview erzählt, dass ihn die rheumatische Erkrankung seines potenziellen Mitarbeiters auf keinen Fall davon abgehalten hätte, ihn einzustellen: „Paul Hornbostel wurde als einer von 60 aus 650 Bewerbungen zu unserem Auswahlverfahren eingeladen. Alle 60 Bewerber durchliefen einen Sporttest, einen Fahrtest und einen Theorietest sowie ein Bewerbungsgespräch. Unter diesen 60 Bewerbern gehörte Paul Hornbostel zu den 20 besten, denen wir einen Ausbildungsplatz an einer unserer Lehrrettungswachen in der Region Hannover/Hildesheim angeboten haben.“ 

    Auf die Frage, ob er wieder Bewerber*innen mit chronischen Erkrankungen einstellen würde, sagt er: „Wir stellen Mitarbeiter wegen ihrer Einstellung zum Beruf und unseren Grundsätzen ein. Wenn jemand dies so mit Leben erfüllt wie Paul Hornbostel, haben wir für die uns anvertrauten Menschen alles richtig gemacht. Nur weil ein Mensch ein Handicap hat, muss es nicht zwingend bedeuten, dass er für einen Beruf nicht geeignet ist. Die Entscheidung muss immer individuell getroffen werden. Die Möglichkeit sollte immer berücksichtigt werden.“

    Sie möchten mehr erfahren?

    Mehr zu den Chronischen Talenten finden Sie auf rheuma-ichzeigsdir.de/arbeit.

    Weitere Informationen rund um das Thema Arbeiten mit Rheuma finden sich unter rheuma-liga.de/beruf. Arbeitgeber können sich auf dieser Webseite unter anderem über Zuschüsse informieren.

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