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    „Ich habe noch viel vor!“

    Foto: David Gent

    Hanh leidet unter der seltenen Erkrankung Lupus. Was die Diagnose für Ihr Leben bedeutet und wie sie es schafft, trotzdem hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken, erzählt sie uns im Interview.

    Hanh, du lebst mit der seltenen Autoimmunerkrankung systemischer Lupus erythematodes. Wie hat sich die Krankheit bemerkbar gemacht und wie wurde die Diagnose gestellt?

    Mit 17 habe ich die ersten Symptome bekommen, die ich jedoch ignorierte, weil man nicht gleich davon ausging, dass Schmerzen im Knie oder am Handgelenk etwas Schlimmes sein könnten. Es folgten durch privaten Stress und nach einem Sonnenstich im Sommer ein Ausschlag im Gesicht, hohes Fieber, Halluzinationen und Lähmungen im gesamten Körper. Unzählige Krankenhausbesuche haben nichts Konkretes ergeben. Nach weiteren ärztlichen Meinungen stellte man an der Uniklinik in Köln nach sämtlichen Blut- und körperlichen Untersuchungen fest, dass es sich um den systemischen Lupus erythematodes mit Niereninsuffizienz Stadium II handelt.

    Wie ging es dann weiter? Wie gestaltet sich für dich der Alltag mit dieser seltenen Erkrankung?

    Viele Fragen gingen mir durch den Kopf: Wie schlimm ist die Erkrankung, wie konnte das passieren? Warum ich? Mit 18 Jahren musste ich die meiste Zeit in der Klinik verbringen, während andere in meinem Alter endlich unabhängig sein konnten – einfach erwachsen sein. Bei mir fing alles erst später an, auch was den Einstieg in das normale Berufsleben angeht. Ich habe Jahre gebraucht, um zu akzeptieren, dass ich chronisch krank bin, von nun an jeden Tag Medikamente einnehmen und viel Zeit beim Arzt verbringen muss. Mein Alltag mit der Erkrankung ist aktuell relativ normal. Ich habe kaum Einschränkungen, bis auf dass ich häufiger erschöpft und müde bin. Ich arbeite aber in Vollzeit, mache Sport. Ich habe besonders beruflich das Glück, dass ich die Freiheit habe, mich auf meine Gesundheit konzentrieren zu können. Das bedeutet mir sehr viel. Obwohl es selbstverständlich sein sollte, habe ich in dieser Hinsicht leider in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen sammeln müssen.

    Du hast eine Niereninsuffizienz Stadium IV – was genau bedeutet das und was sind die nächsten Schritte?

    Ich stehe im Stadium IV quasi kurz vor einer möglichen Nierentransplantation/Dialyse. Aktuell versuchen die Ärzte, mit Immunsuppressiva meinen Gesundheitszustand stabil zu halten, um die Dialyse/Transplantation so weit wie möglich hinauszuzögern und zeitgleich schon notwendige Untersuchungen durchzuführen, um eine bevorstehende Transplantation zu ermöglichen. Es ist also eine Frage der Zeit, bis es so weit ist. Mein Partner und meine Eltern haben sich bisher für mich testen lassen – für mich bedeutet das sehr viel und ich bin ihnen sehr dankbar dafür. Ich habe mit meinen 28 Jahren noch viel vor, ich möchte so lange wie möglich ein relativ normales Leben führen können. Mein Wunsch, in der Zukunft Mutter werden zu können, ist sehr hoch und kann nur erfüllt werden, wenn ich transplantiert und stabil bin.

    Wie gelingt es dir an schwierigen Tagen wieder positive Gedanken zu fassen?

    Es gibt oft Momente, in denen ich viel nachdenke und mich frage, womit ich das verdient habe, aber im nächsten Moment merke ich, dass der Lupus sich auch positiv ausgewirkt hat. Ich achte mehr auf mich selbst und mein Wohlbefinden. Früher habe ich meine Sorgen lieber in mich hineingefressen, heute habe ich gelernt, mich mehr zu öffnen und meine Gedanken z. B. mit meinem Partner zu teilen. Er ist einer der wenigen Menschen, die mich an schlechten Tagen wieder aufmuntern können und der mir Mut zuspricht. Ich fühle mich damit nicht allein und das gibt mir ein positives Gefühl. Außerdem hole ich mir gerne Tipps von anderen Lupus-Erkrankten in einer Facebook- Gruppe ein, denn diese Menschen teilen das gleiche Leid mit mir und verstehen mich am besten.

    Was möchtest du Betroffenen und Angehörigen mit auf den Weg geben?

    Es ist leichter gesagt als getan, aber für Betroffene wünsche ich mir, dass jeder lernen sollte mehr an sich selbst zu denken und auf deren Wohlbefinden Acht zu geben. Denn erst wenn man krank ist, weiß man zu schätzen wie es ist gesund zu sein. Man sollte versuchen Sorgen und Probleme auszusprechen, denn Stress wirkt sich sehr schlecht auf die Erkrankung aus und gilt generell als Auslöser für viele Krankheiten.

    Foto:  PicturePeople

    Oft muss man sich verschiedene Meinungen der Ärzte einholen, bis man den richtigen Arzt gefunden hat, der die passende Therapie findet, womit man ein relativ normales Leben führen kann. Es ist sehr wichtig, den Rat des Arztes zu befolgen und die Medikamente niemals zu vernachlässigen, da der Lupus schubweise verläuft und auch wenn man sich körperlich gut fühlt, kann der Lupus vielleicht unbemerkt schon aktiv sein. Engmaschige Arztbesuche sind daher sehr wichtig!

    Angehörigen kann ich auf den Weg geben: Zeigt Verständnis, wenn die erkrankte Person oftmals und schneller erschöpft ist. Vielleicht sieht man uns die Erkrankung nicht an, daher ist es für Angehörige oder auch Bekannte und Kollegen manchmal schwer zu glauben, ob die/der Erkrankte sich wirklich unwohl fühlt oder ob die Person es nur „vortäuscht“. Der Lupus hat tausend Gesichter und kann sich bei jedem Schub anders äußern, das ist das tückische an dieser Erkrankung.

    Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sprechen, dass ich zwar sehr froh bin, dass man den Lupus nicht immer nach außen hin erkennen kann, aber ich schon oftmals in der Vergangenheit zu spüren bekommen habe, dass es mir doch gar nicht so schlecht gehen kann. Gerade wenn man im Berufsleben steht und sogar ein schlechtes Gewissen haben muss, weil man krank ist. 

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    Verfolgen Sie ihren inspirierenden Weg auf Instagram unter @lupusundich

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