Holger Busse ist Gründer des Vereins „Lila Hoffnung e. V.“ und hat es sich zur Aufgabe gemacht, über Darmerkrankungen wie CED oder Darmkrebs aufzuklären und eine Anlauftstelle für Betroffene zu schaffen. Er selbst hat Morbus Crohn und weiß daher sehr genau Bescheid über die Sorgen, Herausforderungen und Wünsche der Patienten. Warum Kommunikation und Austausch gerade in Zeiten wie diesen so wichtig sind, erzählte er uns im Interview.
Holger Busse
Gründer des Vereins Lila Hoffnung e. V.
Holger, du bist Vorsitzender bei Lila Hoffnung e.V. und hast selbst Morbus Crohn. Warum ist die Vernetzung von Betroffenen untereinander so wichtig?
Die Vernetzung untereinander ist nach meinen Erfahrungen besonders wichtig. Ich selbst hatte zu Beginn der Erkrankung niemanden mit dem ich reden konnte. Es ist ein gutes Gefühl, mit gleichsam betroffenen Patienten über das Erlebte zu sprechen, um neuen Mut für die Zukunft zu gewinnen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, dass dein Gegenüber versteht, wie es dir geht.
Diese Vernetzung bekommt gerade jetzt, in der Corona-Pandemie, eine ganz neue Bedeutung. Mit welchen Fragen und Unsicherheiten kommen Betroffene derzeit zu euch?
Die Pandemie ist für viele Patienten, in unserem Fall Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder Darmkrebs, eine große Herausforderung. Uns selbst haben hunderte Fragen per Telefon oder E-Mail erreicht und die Fragen waren tatsächlich von großer Vielfalt. Wie groß ist mein persönliches Risiko? Wie schütze ich mich am besten? Gehöre ich zur Risikogruppe? Darf ich mich noch mit Freunden treffen? Soll ich meine Medikamente weiter nehmen? Soll ich zur Darmspiegelung gehen? Wir konnten in dieser Zeit vielen Patienten ihre Ängste nehmen, durch Tipps im Alltag unterstützen und für Sie da sein. Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei, wir sind weiter für euch da.
Die Solidarität mit der Risikogruppe in Deutschland ist derzeit recht hoch. Menschen bleiben zu Hause, tragen in der Öffentlichkeit Masken. Wäre doch wünschenswert, dass diese Solidarität auch nach der Pandemie bestehen bleibt, oder?
Es wäre tatsächlich von großer Bedeutung, wenn die Solidarität auch für das Thema Darmerkrankung nach der Pandemie mehr Präsenz erfährt. Umso wichtiger ist es, den Darmerkrankungen immer und immer wieder eine Bühne zu bieten, um das Thema zu enttabuisieren. Zur Risikogruppe gehören nicht nur ältere Menschen, sondern auch viele junge Betroffene, die immunsuppressive Medikamente nehmen und ein geschwächtes Immunsystem haben.
Am 19. Mai ist Welt-CED-Tag. Welche Bedeutung hat dieser Tag für euch bei Lila Hoffnung?
Der Welt-CED-Tag ist für Lila Hoffnung und alle Betroffenen Menschen mit einer chronischen Darmerkrankung von besonderer Bedeutung. Ich hatte mir für dieses Jahr vorgenommen, unsere Freunde der Crohn Colitis Schweiz zu besuchen. Leider kann die Veranstaltung aufgrund der Pandemie nicht stattfinden.
In den vergangenen Jahren haben wir öffentlich wirksame Aktionen veranstaltet, um auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen aufmerksam zu machen. Vor zwei Jahren bin ich zum Beispiel mit zwei Freunden und meinem Vater 700 km in sieben Tagen mit dem Fahrrad durch Deutschland gefahren. Ein toller Abschluss war ein großes Arzt-Patienten-Seminar in der Charité in Berlin. Mit dieser Präventionstour erreichten wir rund 500.000 Menschen.
Weitere Informationen unter www.lilahoffnung.de
Fakten-Check
Was sind CED?
· CED steht für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Die beiden häufigsten Formen sind Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. In Deutschland allein sind schätzungsweise 400.000 Menschen betroffen, Tendenz steigend.
· Die Ursachen sind noch nicht abschließend geklärt. Das Immunsystem spielt aber anscheinend eine bedeutende Rolle, da es im Verdauungstrakt überreagiert und eine Entzündungsreaktion auslöst. Aber auch genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen.
· Diese Entzündungen verursachen bei den Patienten dann starke Beschwerden, wie zum Beispiel starke Bauchschmerzen, anhaltenden Durchfall, Übelkeit, Abgeschlagenheit oder Fieber.
· Während bei der Colitis Ulcerosa hauptsächlich der Dickdarm betroffen ist, kann bei Morbus Crohn der gesamte Verdauungstrakt betroffen sein.
· Abgesehen vom Verdauungstrakt kann sich eine CED aber auch auf weitere Bereiche des Körpers auswirken, sodass auch die Haut, die Augen, die Gelenke, die Leber und Gallenblase betroffen sein können. Zudem steigt bei allen Patienten in den entsprechenden Bereichen des Verdauungstraktes das Krebsrisiko.
· Die Erkrankungen verlaufen schubweise: akute Phasen mit starken Beschwerden wechseln sich ab mit relativ beschwerdearmen oder beschwerdefreien Zeiten (Remissionsphase).
· Meist beginnen die Symptome im späten Jugendalter oder frühen Erwachsenenalter. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
· CED sind bisher nicht heilbar. Mittlerweile gibt es aber verschiedene therapeutische Möglichkeiten, um die akuten Phasen gut kontrollieren zu können. Das Ziel ist dabei immer, das Leben Betroffener so beschwerdearm wie möglich zu halten und die Erkrankung langfristig einzudämmen.