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    Rheuma ist nicht nur eine Krankheit alter Leute

    Fotos: Privat

    Der 20-jährige Phil leidet unter Rheuma. Im Interview verrät er uns, wie er bereits in jungen Jahren lernte, mit dieser Krankheit zu leben, und wie er Betroffene und Angehörige über seinen Instagram-Account ermutigen möchte.

    Phil, du hast Rheuma. Wie hat sich die Krankheit bei dir bemerkbar gemacht?

    Angefangen hat es bei einem Fußballspiel. Ich war damals 14. Plötzlich bekam ich Probleme mit meinem Knie, vor allem beim Gehen und Beugen meines rechten Gelenks hat es sehr geschmerzt. Wir sind zum Arzt gegangen, der diagnostizierte einen Kreuzband- und Meniskusriss. Mit der Diagnose wurde ich dann auch operiert. Bei der ersten Operation stellte sich jedoch heraus, dass es weder ein Kreuzband-,noch ein Meniskusriss war – vermutlich die ersten Symptome der Rheumatoiden Arthritis. Danach wurde es immer schlimmer, ich hatte stärkere Knieschmerzen als je zuvor. Ein MRT hat dann gezeigt, dass mein gesamter Knieinnenraum entzündet war.

    Wie ging es dann weiter?

    Es folgten weitere sechs Monate mit Schmerzen und starken Schwellungen. Ich hatte eine Umfangsdifferenz von fünf Zentimetern, Bewegungseinschränkungen und zwei Knieoperationen, ehe ich, im November 2015, von einem Spezialisten in Hamburg den Befund bekam. Die medikamentöse Einstellung erfolgte erst weitere vier Monate später in der Kinder- und Jugendrheumatologie Garmisch-Partenkirchen.

    Warum hat sich das so hingezogen?

    Ich war bei diesem Spezialisten in Hamburg und der wollte mich nur mit einem Schmerzmittel mit entzündungshemmender Wirkung behandeln. Meine Entzündungen waren jedoch so stark, dass das nicht half. Erst bei meinem ersten Aufenthalt in der Rheumatologie in Garmisch-Partenkirchen, im Januar 2016, wurde ich richtig eingestellt. In dieser Zeit ist mir klar geworden, wie vielfältig Rheuma ist und dass selbst erfahrene Ärzte es nicht unbedingt auf den ersten Blick diagnostizieren beziehungsweise richtig behandeln können.

    Wie geht man als Jugendlicher mit der Diagnose Rheuma um?

    Es hat sich angefühlt wie ein Schlag ins Gesicht. Ich habe mein Leben lang Sport gemacht, seit ich drei war Fußball gespielt, war immer gern Ski- und Fahrradfahren und habe mich leidenschaftlich gern bewegt. Jugendliche, die den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen, zocken und gammeln betrifft es nicht und die, die es lieben sich zu bewegen trifft es dann. Ich fand das so ungerecht und habe lange gebraucht das zu akzeptieren und wieder positiv in die Zukunft zu schauen.

    Was hat dir dabei geholfen?

    Natürlich haben mich meine Freunde und meine Familie viel unterstützt. Aber ich war auch weiterhin viel auf dem Fußballplatz. Zwar nicht als Spieler, das geht durch meine Krankheit leider nicht mehr, aber als Trainer. Das hat mir halt gegeben. Nur zur Schule und nachmittags zuhause rumhängen, das ist nichts für mich und würde mich deprimieren.

    Wie gestaltet sich für dich der Alltag mit einer chronischen rheumatischen Erkrankung? Welchen Herausforderungen musst du dich stellen?

    Kein Tag gleicht dem anderen. Wie ein Tag als Rheumatiker abläuft, hängt ganz stark davon ab, wie es mir am Morgen geht. Doch ich versuche trotzdem einen strukturierten Tagesablauf zu haben.

    Und wie sieht die aus?

    Jeden Morgen stehe ich zur selben Zeit auf, dann checke ich die sozialen Medien und höre Musik. Während des Frühstücks kühle ich meine Füße. Das ist für mich sehr wichtig. Damit sorge ich vor, um durch den Tag zu kommen. Dann gehe ich zur Arbeit. Ich versuche alles so normal wie möglich zu machen. Am 1. August habe ich meine Ausbildung begonnen und habe auch noch nicht einen Fehltag. Nach der Berufsschule oder Ausbildung im Betrieb gehe ich nach Hause und kühle wieder meine Füße. Dann schaue ich, was noch ansteht. Entweder fange ich mit den Hausaufgaben an oder ich schreibe an meinem Buch weiter. Abends versuche ich 30 Minuten mit dem Fahrrad zu fahren, was mir und meinen Gelenken guttut. Je nach Tagesform gelingt mir das mal besser, mal weniger gut. Danach kühle ich wieder meine Gelenke, esse und schreibe weiter an meinem Buch oder lese. Bevor ich schlafen gehe, wärme ich noch meine Rückenmuskulatur, weil sie durch die leichte Fehlstellung schnell verspannt. Ein bisschen lesen oder lernen beendet dann meinen Tag.

    Wie kam es, dass du ein Buch schreibst?

    Ich habe schon 2016 mit dem Schreiben angefangen. Damals war ich in der Klinik und hatte viel Zeit. Eine Krankenschwester hat mich auf die Idee gebracht. Ich fand das gut, habe angefangen und nun ist es auch so gut wie fertig. Mein Ziel ist es über die Erkrankung aufzuklären und Betroffenen Mut zu machen. Jetzt brauche ich nur noch einen Verlag.

    Auf deinem Instagram-Account ermutigst du andere Menschen und ihre Angehörigen im Alltag mit rheumatischen Erkrankungen. Warum?

    Ich habe in den Jahren viele Patienten kennengelernt, die Angst um ihre Zukunft hatten und geplagt waren von Selbstzweifeln. Mir ging es am Anfang genauso, doch ich habe es geschafft da raus zu kommen. Aus diesem Grund habe ich angefangen über mein Leben mit Rheuma in die Öffentlichkeit zu gehen. Ich möchte Betroffenen zeigen, dass es auch anders geht, man ein schönes Leben führen kann und sich Vorurteilen, die es immer wieder gibt, in den Weg stellen sollte.

    Welche Vorurteile begegnen dir immer wieder, die du gerne aufklären möchtest?

    Da habe ich ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Zu Beginn kam ich immer und überall in Erklärungsnot, dass ich schon mit 15 Jahren diese „Alte-Leute-Krankheit“ habe. Es dauerte lange, bis die Leute verstanden, dass auch kleine Kinder an einer Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis leiden können. Auch in der Schule bin ich nicht überall auf Verständnis gestoßen. Mein damaliger Lehrer unterstellte mir, dass ich zu viel feiern würde, weil ich immer müde war. Der Grund für die Müdigkeit war jedoch, dass ich nachts eine Lagerungsschiene tragen muss, die vom Hintern bis zum großen Zeh reicht. An entspannten Schlaf ist da leider nicht immer zu denken. Erst nach einem aufklärenden Gespräch mit meinem Vater und genügend Info-Material über juvenile idiopathische Arthritis (JIA), konnte er meine Situation besser nachvollziehen.

    Hat Rheuma auch etwas Positives in dein Leben gebracht?

    Ja, definitiv! Durch meine regelmäßigen Aufenthalte im deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen habe ich viele Patienten kennenlernen dürfen, die zu Freunden wurden. Freunde, die ich heute nicht mehr missen möchte. Durch meine Krankheit habe ich gelernt, dass eine schlechte Diagnose nicht zwangsläufig das Ende der Welt bedeuten muss und man mit genug Willen (fast) alles schaffen kann, was man möchte.

    Was möchtest du Betroffenen mit auf den Weg geben?

    Mir ist wichtig, dass Betroffene wissen, dass sie mit ihrer Krankheit nicht allein sind. Hört auf euren Körper! Es zählt nicht, was die anderen sagen, sondern nur das, was du dir selbst sagst. Willst du etwas machen und bist der festen Überzeugung, dass du das kannst, dann mach es einfach! Egal, was die anderen dazu sagen oder davon halten. Hört auf euer Herz und auf euer Bauchgefühl, denn manchmal ist das, was Euch wirklich weiterbringt das, vor dem Euch alle warnen. In dem Sinne „Just Do It!“

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    Verfolgen Sie seinen inspirierenden Weg auf Instagram via @rheuma_phil

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