Das Diagnostizieren von Autoimmunerkrankungen ist nicht leicht – es gibt viele unterschiedliche Symptome, viele unterschiedliche Ursachen. Die beste Lösung? Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Die Professorin an der Kinderklinik der Universität Würzburg Martina Prelog im Interview.
Prof. Dr. med Martina Prelog
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
Was macht die Diagnose von Autoimmunerkrankungen so schwierig?
Nun, eines der wesentlichen Herausforderungen bei der Diagnose von Autoimmunerkrankungen ist dabei, dass so viele verschiedene Krankheitssymptome auftreten können, die sehr uneinheitlich sind.
Zum Beispiel bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen präsentieren sich die Patienten mit unspezifischen Symptomen wie Bauchschmerzen oder Durchfällen – das wird dann oft als „Reizdarm“ missinterpretiert. Oder Fälle von Rückenschmerzen, oder Rheumaformen bei Kindern, da können Sie sich vorstellen, dass man da nicht automatisch auf eine Autoimmunerkrankung kommt, wenn ein Kind zum Beispiel mal etwas weinerlich ist und nicht mehr Laufen will.
Andere Patienten haben vielleicht einen Ausschlag im Gesicht, das klassische „Schmetterlingserythem“ beim Lupus erythematodes, aber der wird dann nicht als Zeichen einer systemischen Erkrankung verstanden, sondern eben als irgendein Ausschlag oder als allergische Reaktion. Ich könnte noch lange so weitermachen – der Punkt ist, dass Autoimmunkrankheiten sich in so vielen Präsentationsformen zeigen, die es oft schwierig machen, überhaupt darauf zu kommen.
Wie groß ist denn das Bewusstsein dafür bei den Ärzten generell? Das klingt ja so, als würde die größte Herausforderung erstmal eine flächendeckende Aufklärung sein.
Ich bin davon überzeugt, dass dazu noch viel getan werden kann. Auch in der Bevölkerung sind ja Autoimmunerkrankungen nicht so bekannt. Man kennt vielleicht das Rheuma; aber auch da ist die landläufige Meinung ja eher: „Das haben alte Menschen, da tun die Gelenke weh.“
Aber das ist eben meistens gar kein Rheuma, gerade bei älteren Menschen sind das oft eben einfach Abnutzungserscheinungen. Das ist wirklich eine tiefsitzende Fehlinterpretation – hinter dem Begriff „Rheuma“ versteckt sich in Wirklichkeit eine große Gruppe von Autoimmunerkrankungen, die im Prinzip eine „Fehlschaltung“ des ganzen Immunsystems darstellen, sodass körpereigene Strukturen und Zellbestandteile angegriffen und nicht als „Selbst“ toleriert werden.
Das ist wie gesagt generell das Problem mit den Autoimmunerkrankungen: sie zeigen sich nicht nur in unglaublich vielen verschiedenen Formen, sondern haben auch viele verschiedene Ursachen, und können die verschiedensten Organsystem betreffen.
Wonach wir bei der Diagnose genau geschaut?
Ganz wesentlich ist die Krankengeschichte. Da muss man ganz spezifische Fragen stellen, zum Beispiel nach Morgensteifigkeit der Gelenke oder Lichtempfindlichkeit; man muss ganz genau nachfragen, wann Schmerzen auftreten, wo sie auftreten. Auch Kieferschmerzen beim Kauen oder entzündete Augen können Indikatoren für Autoimmunerkrankungen sein.
Der zweite wichtige Punkt ist daher eine gründliche klinische Untersuchung, die einen kompletten internistischen und neurologischen Status als auch eine genaue Gelenksuntersuchung beinhaltet.
Dann kommt dem Labor eine wesentliche Bedeutung zu, wichtig sind das Blutbild und die Differenzierung der weißen Blutkörperchen, die Organparameter, Antikörper, Entzündungsfaktoren im Blut oder zum Beispiel im Stuhl, und so weiter. Bildgebende und apparative Untersuchungen unterstützen die Diagnosefindung. Welchen Weg die Diagnose nimmt, entscheidet sich also je nach „Lage der Dinge“ – im Zentrum steht immer erst einmal eine intensive Patient-Arzt-Kommunikation.
Nicht alle dieser Anzeichen laufen zwangsläufig auf die Diagnose Autoimmunerkrankung hinaus.
Nein, und das ist mir auch ein wichtiges Anliegen. Viele Symptome haben ihre Ursache zum Beispiel in Infektionen, oder treten nach Infektionen auf, in Verletzungen oder orthopädischen Ursachen, , oder entstehen durch bösartige Erkrankungen. Man muss da wirklich ein bisschen detektivisch unterwegs sein und sehr aufmerksam zuhören. Eine Autoimmunerkrankung zu diagnostizieren ist ein wenig wie einen Kriminalfall lösen.
Was kann denn der Patient für eine schnelle Diagnose tun?
Ich denke, man sollte einfach aufmerksam sein. Viele der besprochenen Symptome sind ja nicht besonders „spektakulär“, zum Beispiel die Morgensteifigkeit der Gelenke oder chronische Durchfälle, für den Patienten aber sehr belastend. Da kann man sich als Patient beobachten und zum Beispiel einen Symptomkalender führen, den man mit dem Arzt bespricht. Oft gibt es auch Hinweise aus einer familiären Häufung.
Immerwieder leiden Patienten lange Zeit unter „kleineren Beschwerden“, bis die Entzündungsreaktion fortschreitet und dann schließlich eine Autoimmunerkrankung erkannt wird. Was nämlich auch – leider, muss man sagen – typisch ist: Autoimmunerkrankungen zeigen sich oft in Schüben. Das macht es natürlich nicht einfacher.