Dr. Ralph von Kiedrowski
Mitglied im Vorstand des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen
Jöck (Jucken) es schlimmer als Ping (Schmerz)“, heißt es im Rheinland. Tatsächlich steht Studien zufolge für viele Menschen mit Neurodermitis oder Schuppenflechte (Psoriasis) beispielsweise das Ausschalten des Juckreizes auf Platz eins der Therapieziele, noch vor dem Verschwinden entstellender Entzündungsareale an den Händen oder im Gesicht.
Ständiger Juckreiz bei einer solchen chronischen – das heißt lebenslangen! – Erkrankung macht physisch wie psychisch mürbe. Und nicht nur das: die ganzkörperliche Entzündungsreaktion des entgleisten Immunsystems wird bei schwereren Verlaufsformen zum Beispiel der Schuppenflechte zugleich zum Auslöser für eine Vielzahl weiterer Erkrankungen: Gelenkentzündungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen wie Adipositas oder Diabetes, um nur einige zu nennen.
„An einer Hauterkrankung stirbt man nicht“, lautet eine andere, eindeutig falsche Spruchweisheit: Zwar nicht sofort, aber eher, zeigt der Faktencheck. Mittelschwere bis schwere Verlaufsformen einer Psoriasis beispielsweise verkürzen die durchschnittliche Lebenserwartung um fünf bis sechs Jahre wegen eines erhöhten Auftretens von Schlaganfall und/oder Herzinfarkt.
Hautarzt bin ich – gleichfalls chronisch – für mein Leben gerne. Unsere Generation wird Zeitzeuge eines revolutionären Wandels in der Therapie. Wir sind heute in der Lage, mit innovativen Medikamenten unsere chronisch hautkranken Patienten – ob gesetzlich oder privat krankenversichert – mit einer Dauermedikation über lange Zeiträume ihres Lebens weitgehend erscheinungsfrei zu halten. Die heftigen Nebenwirkungen herkömmlicher Therapien, wie sie vor zehn bis 15 Jahren noch zum Alltag gehörten, sehen wir heute nicht mehr in dieser Häufigkeit. Und zum ersten Mal erscheint im Rahmen der laufenden Forschung eine weitreichende und nachhaltige Krankheitskontrolle in den Horizont unserer zukünftigen Möglichkeiten zu gelangen.
Eines hat sich über die Jahre in unserem Gesundheitswesen jedoch leider nicht geändert: Die Versorgung chronisch Kranker ist in der gesetzlichen Krankenversicherung „Resteversorgung“. Für unsere Chroniker – wir reden über schätzungsweise sechs bis acht Millionen Bundesbürger mit allergischen Erkrankungen, chronischen Formen des hellen Hautkrebses, bestimmten Formen der Akne, Neurodermitis, Psoriasis, Ichthyose und einer Reihe anderer seltener Erkrankungen – bleibt in dieser Systematik oft viel zu wenig Zeit, aber auch Geld über. Wir können den erhöhten Gesprächs- und Betreuungsbedarf nicht angemessen abbilden. Einzelne Verträge zum besonderen Versorgungsbedarf bei mittelschwerer bis schwerer Schuppenflechte oder bei Psoriasis-Arthritis gehen zwar in die richtige Richtung, werden aber der Größenordnung der Unterversorgung insgesamt aber nicht gerecht. Auch eine noch effizientere Organisation des Medizinbetriebs in unseren Praxen wird dieses Problem nicht lösen. Wir benötigen heute dringender denn je mehr junge Menschen, die mit Begeisterung Arzt werden wollen.
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