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    Ich dachte, irgendwann werde ich schon einen Arzt finden, der „die Schmerzen wegmacht“

    Nach einem – erst einmal gar nicht so spektakulären – Unfall begann die lange Suche nach Linderung. Erst nach unzähligen Arztbesuchen und über 90 (!) Operationen hat Heike Norda, heute im Vorstand des SchmerzLos e. V., Hilfe gefunden.

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    Heike Norda

    Vorstand SchmerzLOS e. V.

    Sie wurden nach einem Unfall am Knie operiert – was ist passiert?

    Ich wurde 1982 als Radfahrerin auf dem Heimweg von der Uni von einem Auto angefahren. Die Autofahrerin beging zunächst Unfallflucht, wurde aber ermittelt – hat sich aber nie bei mir gemeldet oder entschuldigt.

    Wie ging es nach dem Unfall weiter?

    Ich ging zu einem Orthopäden, der meinte, dass nach ein paar Tagen Bettruhe alles gut sein würde. Dann wurden aber doch erhebliche Verletzungen im Knie festgestellt, und ich wurde mehrfach am Knie operiert. Bei einer OP wurde ein Nerv geschädigt. Die Schmerzen – Nervenschmerzen, nicht Wundschmerzen –, die ich nach der OP hatte, wurden von den Ärzten nicht ernst genommen.

    Das klingt unglaublich. Aber anscheinend gibt es das öfter, als man glauben würde.

    Allerdings! Danach begann für mich das sogenannte „Ärztehopping“. Ich dachte damals, irgendwann werde ich schon einen Arzt finden, der mir endgültig „die Schmerzen wegmacht“. Erst nach mehreren Jahren stand die Diagnose „Chronische Schmerzen durch eine Nervschädigung“ fest. In der Folge wurde ich von mehreren Ärzten zur Schmerzlinderung etwa 75-mal kleineren OPs unterzogen. Diese hatten aber immer nur kurzzeitige Erfolge. Insgesamt bin ich am verletzten Knie bis heute wohl etwa 90-mal operiert worden.

    Das wird ja immer unglaublicher. Was wurde denn sonst noch probiert?

    Zum Beispiel eine multimodale Schmerztherapie, die Schmerzlinderung für jeweils etwa sechs bis zwölf Monate brachte. Ich habe auch gelernt, mir ein örtlich betäubendes Mittel in den Oberschenkel zu spritzen, und wurde etwas unabhängiger von den Ärzten.

    Das geht bestimmt nicht spurlos an einem vorbei.

    Nee. Ich entwickelte Selbstmitleid – „Warum gerade ich?“ – und kapselte mich von vielen Freunden ab. Die Tatsache, dass die Schmerzen mich mein weiteres Leben lang begleiten werden, konnte ich damals nicht akzeptieren. Außerdem wurde ich beruflich wegen meiner schmerzbedingten Fehlzeiten von einer Vorgesetzten gemobbt, was mir auch zu schaffen machte.

    Wie konnten Sie sich schließlich davon befreien?

    Zwei Dinge haben die weitere Entwicklung positiv verändert: Ich erlebte in der Schmerzklinik, wie wohltuend die Teilnahme an einer Schmerz-Selbsthilfegruppe ist. So gründete ich 2004 die Selbsthilfegruppe Chronischer Schmerz in Neumünster, die mir und den anderen bis heute hilft und Halt gibt.

    Daraus ging zusammen mit Hartmut Wahl die Gründung der bundesweit arbeitenden Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland (UVSD SchmerzLOS e. V.) hervor. Wir wurden zu Experten unserer eigenen Erkrankung und arbeiten heute erfolgreich beispielsweise mit der Deutschen Schmerzgesellschaft zusammen. Außerdem habe ich mir nach langen Überlegungen 2012 einen Neurostimulator implantieren lassen. Dieser hat das Niveau meiner Schmerzen deutlich reduzieren können.

    Wie funktioniert so ein Neurostimulator?

    Der Neurostimulator sendet elektrische Impulse aus, die ein eher angenehmes Kribbeln erzeugen. Dafür wurden zwei Elektroden in das schmerzhafte Gebiet im Bein gelegt. Dadurch werden die Nervenschmerzen überlagert – und im Ergebnis gedämpft. Ich bin froh, dass das alles von einem Arzt durchgeführt wird, der sehr viel Erfahrung damit hat und mit dem ich auch sehr gut über alles sprechen kann.

    Hilft das auch bei anderen Beschwerden?

    Soweit ich weiß, hilft eine Neurostimulation auch bei anderen neuropathischen Schmerzen. Vorher wird aber geschaut, inwieweit die Psyche an der Schmerzwahrnehmung beteiligt ist.

    Was machen Sie sonst gegen die Schmerzen?

    Ich mache regelmäßig meine Entspannungsübungen. Außerdem bewege ich mich regelmäßig. In den Therapien habe ich gelernt, dass es kontraproduktiv ist, wenn man sich zu sehr schont. In der Schmerzklinik lernte ich zum Beispiel Wassergymnastik kennen, die ich auch heute noch mit viel Freude ausübe.

    Was können Sie Menschen mit ähnlichen Beschwerden raten?

    Machen Sie sich zum Experten Ihrer Erkrankung, begeben Sie sich in fachlich gute Behandlung, suchen Sie Unterstützung bei Betroffenen, werden Sie aktiv, üben Sie eine ehrenamtliche Tätigkeit aus und bewegen Sie sich!

    INFORMATION

    Informationen zu den Selbsthilfegruppen der SchmerzLOS e.V. finden Sie hier unter: www.schmerzlos-ev.de.

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