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Krebs

„Ich möchte den offenen Austausch zu Lungenkrebs ermöglichen“

Foto: Shutterstock, 2229048487

Im Jahr 2005 bekam Annette Hans eine Diagnose, die ihr den Boden unter den Füßen wegzog: Lungenkrebs. Ihre Überlebenschancen waren sehr gering, doch sie hat es geschafft und konnte den Krebs besiegen. Warum der Austausch mit anderen Betroffenen ein wichtiger Faktor in ihrem Kampf ums Überleben war, und warum sich die Bundesverdienstkreuz-Trägerin unermüdlich für Prävention und die Selbsthilfe stark macht, erzählte sie uns im Interview.

Annette Hans

Lungenkrebs-Betroffene und Mitgründerin des Bundesverbandes Selbsthilfe Lungenkrebs e. V.

Frau Hans, 2005 war ein Jahr, das bei Ihnen alles veränderte: Sie bekamen die Diagnose Lungenkrebs. Wie kam es zur Diagnose, welche Beschwerden hatten Sie?

Es begann im Winter 2004 mit Schmerzen im rechten Oberarm. Da ich damals in einem Lager arbeitete und schwer heben musste, dachte ich, dass ich mir einen Nerv eingeklemmt habe. Mehrere Termine in der Orthopädie blieben ohne Ergebnis, ich bekam Krankengymnastik und später starke Schmerzmittel verschrieben. Doch die Schmerzen wurden immer schlimmer und es wurde ein Bandscheibenvorfall vermutet, ein MRT wurde gemacht. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich vor Schmerzen kaum noch richtig auf dem Rücken liegen. Nach dem MRT hat sich ein Bandscheibenvorfall an zwei Stellen bestätigt. Ich hatte aber das große „Glück“, dass auf einem der MRT-Bilder auch ein kleines Stück der Lungenspitze zu sehen war und der Arzt sofort erkannte, dass dort ein Gebilde zu sehen war, was dort nicht hingehörte.

Was ging nach der Diagnose in Ihnen vor?

Nach meinem MRT habe ich meinen Arzt halb spaßig gefragt:

Habe ich jetzt Lungenkrebs?

Der Arzt meinte daraufhin: „Ich muss mir das bei Ihnen nochmal ganz genau anschauen und möchte ihnen weder falsche Hoffnung noch unbegründete Angst machen.“

Es wurde ein CT der Lunge gemacht. Nach dem CT war ich 3 Tage im Ungewissen, und meine Gedanken kreisten nur um eines: Was ist, wenn es wirklich Lungenkrebs ist und ich sterben muss? Anfang September 2005 stand es dann fest: Ich hatte Lungenkrebs. Ich war zwar Raucherin, hatte aber keine Atemprobleme, keinen Husten oder andere Beschwerden. Das war also ein absoluter Zufallsbefund.

Wie ging es danach weiter?

Damals wusste ich eigentlich nichts über Lungenkrebs. Ich wusste nur, dass er sehr gefährlich ist und oft tödlich endet. Ich hatte große Angst um mein Leben. Dass es verschiedene Lungenkrebsarten gibt, war mir überhaupt nicht bewusst. Mein Hausarzt bat mich, in der Thoraxklinik in Heidelberg einen Termin zu vereinbaren, wo mich eine Ärztin eine Woche später darüber aufklärte, dass es verschiedene Arten von Krebs gibt, dass meine Krebsform eine besondere ist, sich daran auch die Behandlung ausrichte und ich für die weitere Diagnostik eine Woche stationär aufgenommen werden müsse. Das Ergebnis war, dass ich ein Adenokarzinom im Stadium IIB hatte: eine Krebsform, die nicht nur wächst und größer wird, sondern sich ausbreitet wie eine Hand und sich in alles „frisst“, was sie erwischen kann. Bei mir hatte sich der Krebs bereits in Rippen, Knochen und im Brustgewebe ausgebreitet und drückte auf die Nervenbahnen – woher auch meine anfänglichen Schmerzen kamen. Ich bekam dann insgesamt 20 Bestrahlungen und eine Chemotherapie, da mein Krebs zu diesem Zeitpunkt noch zu groß für eine operative Entfernung war.

Was hat Ihnen dabei geholfen, mit Ihrer Krebserkrankung und der Behandlung umzugehen, und welche Rolle spielte der Austausch mit anderen Betroffenen?

Mir Wissen über meine Erkrankung anzueignen und mich mit anderen Betroffenen darüber auszutauschen, hat mir sehr geholfen, mit meiner Diagnose umzugehen. In einer Selbsthilfegruppe erfuhr ich, dass Krebs heute kein Todesurteil mehr sein muss und es sich lohnt, zu kämpfen. Das hat mir den Mut gegeben, dranzubleiben und nicht die Flinte ins Korn zu werfen.

Mein Körper sprach tatsächlich gut auf die Bestrahlung und Chemotherapie an und der Tumor wurde im Verlauf der Bestrahlung kleiner. Nach der Bestrahlung entschied mein Arzt, den restlichen Teil meines Krebses operativ zu entfernen. Eine Woche später, im November 2005, wurde mir das Tumorgewebe in der Lunge, der rechte obere Lungenlappen, zweieinhalb Rippen und noch betroffenes Brustgewebe entfernt. Nach der OP bekam ich nochmals 10 Bestrahlungen.

Seitdem gelte ich als krebsfrei, auch wenn ich natürlich engmaschig zur Nachsorge gehe.

Sie haben recht schnell begonnen, sich aktiv für den Patientenaustausch und präventive Programme zu engagieren. Was war und ist Ihr Antrieb für dieses Engagement?

Da ich zu Beginn noch nicht viel über Lungenkrebs wusste, habe ich mir Tipps von Mitpatienten geholt, die mir Mut machten. Im nächsten Schritt fing ich bei Präventionsveranstaltungen an, Schülern meine Geschichte zu erzählen, um sie vor den Gefahren des Rauchens zu warnen. Vom Verantwortlichen dieser Veranstaltungen wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, eine Selbsthilfegruppe (SHG) mitzugründen, was wir dann 2009 machten. Denn ich fand die Fragen der Schüler und auch die meiner Mitpatienten interessant, da ich damals die selben Fragen und Ängste hatte. Da es damals noch keine solche Organisation gab, gründeten wir 2011 dann den Landesverband BW für Lungenkrebskranke, um beim Aufbau weiterer SHGs zu unterstützen. 2013 gründeten wir den Bundesverband Selbsthilfe Lungekrebs e. V.

Mitpatienten haben mir Mut gemacht und Lebenswille gegeben.

Mit meiner Aktivität in der Selbsthilfe konnte ich Betroffenen etwas zurück geben. Das ist auch heute noch mein Motto: „Reden Hilft“! Dabei entstand auch zunehmend ein Austausch zwischen uns in der Selbsthilfe tätigen Personen und dem medizinischen Personal. Ärzte übernehmen die medizinische Betreuung, während wir in der Selbsthilfe die psychische Begleitung übernehmen können: Die Zusammenarbeit von Arzt und Selbsthilfe sollte meines Erachtens generell viel mehr Hand in Hand gehen. Dabei können wir dem medizinischen Personal auch die Patientenperspektive aufzeigen und dabei unterstützen, den Patienten mit Empathie und Verständnis zu begegnen. Da Ärzte und Pflegepersonal oft wenig Zeit haben, kann die Selbsthilfe diese Lücke füllen und so auch das Klinikpersonal entlasten, indem wir uns die Zeit nehmen, mit den Betroffenen intensiv ins Gespräch zu gehen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Bundesverbandes Selbsthilfe Lungenkrebs:

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