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    Leben mit chronischen Schmerzen in Zeiten der Corona-Pandemie

    Foto: Halfpoint via Shutterstock

    Mehr als 23 Millionen Menschen leiden in Deutschland unter chronischen Schmerzen unterschiedlichster Ursachen, darunter 3,4 Millionen mit einer sogenannten schwerwiegenden Schmerzkrankheit, deren Behandlung nicht nur medizinisch (multimodal und interdisziplinär), sondern vor allem auch ganzheitlich unter Einbeziehung der körpereigenen Ressourcen erfolgt.

    PD Dr. med. Michael A. Überall

    Präsident DSL – Deutsche Schmerzliga e.V. 

    Die Betroffenen leiden nicht (mehr) nur unter körperlichen (sogenannten biologisch begründeten) Beschwerden, sondern darüber hinaus auch unter einer Vielzahl psychologisch/seelischer Probleme sowie gravierenden sozialen Beeinträchtigungen. Viele sind in ihren Lebensumständen schwer beeinträchtigt, können den eigenen Ansprüchen und denen ihrer Bezugspersonen im privaten/familiären und sozialen wie beruflichen Umfeld nicht mehr gerecht werden und fallen durch jede Form sozialer Sicherungssysteme.

    Kernelement der ganzheitlichen Behandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen – bei denen die konventionellen schulmedizinischen Verfahren in aller Regel versagt haben – ist die Stärkung körpereigener Ressourcen und das Erlernen krankheits-/beschwerdemindernder Verhaltensweisen im Sinne des sog. Empowerments, bei dem Betroffene nicht nur sich selbst, sondern vor allem auch anderen – zum Beispiel in Selbsthilfegruppen – dabei helfen, Wege aus der nicht nur die Lebensqualität, sondern in erschreckendem Maße auch die Lebensquantität beschränkenden Schmerzkrisen zu finden.

    Doch gerade diese wirksam(st)e, nebenwirkungsfreie und kostengünstig(st)e Form der Behandlung schwerstkranker Schmerzpatienten wird durch die infolge der Angst vor dem SARS-CoV-2-Virus beschlossenen Maßnahmen des Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen unmöglich gemacht. Nicht nur die politische Entscheidung, dass Patienten mit einer schulmedizinisch nicht lebensbedrohlichen Organerkrankung in den vergangenen Monaten nicht mehr stationär und nur eingeschränkt ambulant behandelt werden durften/konnten, macht diesen Menschen zu schaffen, sondern gerade auch der Umstand, dass die für viele Betroffenen im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendigen Treffen im Kreise Gleichgesinnter und Gleichbetroffener untersagt wurden, bereitet große Probleme.

    Angst, Furcht, Depressivität, Hilflosigkeit und Isolation treiben Betroffene ohne die Möglichkeit kompensierender Selbsthilfegruppentreffen immer weiter/tiefer in eine existenziell lebensbedrohliche Krise. Eine Gefahr, der auch durch virtuelle Alternativtreffen unter Verwendung moderner Kommunikationstechnologien und sogenannter sozialer Medien nicht wirklich begegnet werden kann und deren Bedingungsgefüge Betroffene wie in einem Teufelskreis immer stärker beeinträchtigt.

    Welche Konsequenzen die politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie für Menschen mit chronischen Schmerzen haben, wird – ganz im Gegensatz zu den konkreten Fallzahlen CoV-2-infizierter Menschen – wohl nie ganz genau benannt werden können. Alleine, es steht zu befürchten, dass der Preis, den diese Menschen in der sozialen Isolation für die erzwungene Infektionsfreiheit bezahlen müssen, deutlich höher sein wird als landläufig angenommen.

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