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    Willkommen zurück im Leben

    Foto: Medtech THAI STUDIO LAB 249 via Shutterstock

    Interview mit Prof. Dr. med. Philipp le Coutre über zielgerichtete Therapien bei Chronischer Myeloischer Leukämie (CML).

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    Prof. Dr. med. Philipp le Coutre

    Oberarzt und Leiter des Hämatologischen Labors an der Charité Campus Mitte, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie

    Wer stellt in der Regel als Erster die Diagnose?

    Da ein kleines Blutbild bereits reicht, um der CML auf die Spur zu kommen, ist es meist der Hausarzt oder eventuell der Betriebsarzt, dem es verdächtig vorkommt, wenn die Zahl der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) auf 300.000 oder höher steigt. Oder der Internist entdeckt – alarmiert durch Verdauungsbeschwerden – im Ultraschall eine vergrößerte Milz. Endgültig stellen wir Hämatologen dann in der Klinik beziehungsweise niedergelassen in der Praxis nach weiteren Tests die Diagnose.

    Wie kommt es zur CML?

    Das wissen wir zum Glück seit über einem halben Jahrhundert ziemlich genau. Im Rahmen der Blutbildung werden bei der Teilung der Blutzellen im Zellkern die Chromosomen 9 und 22 vertauscht zusammengebaut. Chromosom 9 wird ein Stück länger, Chromosom 22 erheblich kürzer. Auf letzterem – dem „Philadelphia-Chromosom“ – entsteht ein neues Gen namens BCR-ABL. Es liefert unglücklicherweise den Bauplan für einen funktionierenden Zellbotenstoff BCR-ABL, der das Fehlsignal zur ungehemmten Zellteilung liefert.

    Was macht diese Entdeckung für die Therapie so wichtig?

    Nach Beschreibung des Philadelphia-Chromosoms ging es in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren darum, wie man seine Aktivität hemmen kann. 2001 wurde in Europa die erste Generation eines ganz neuen Krebsmedikaments zugelassen. Die Tyrosinkinase-Inhibitoren (kurz TKIs) blockieren zielgerichtet die Energieversorgung des Zellbotenstoffs BCR-ABL, der für die ungehemmte Zellteilung verantwortlich ist. Die Leukämie kommt hierdurch nicht nur zum Stillstand, sondern die kranken Zellen verschwinden nach und nach, bis sie vielfach molekulargenetisch nicht mehr nachweisbar sind. Wir vermuten, dass in diesem Stadium der „Remission“ das körpereigene Immunsystem wieder stark genug ist, den Blutkrebs selbst in Schach zu halten. Deshalb kam man sogar auf die Idee, die Medikamente kontrolliert abzusetzen.

    Wieso ist das Erreichen der Meilensteine dafür so wichtig?

    Dank der neuen Therapien entspricht die Lebenserwartung eines CML-Patienten heute annähernd der der gesunden Bevölkerung. Unser ärztliches Ziel ist dank der neuen Tyrosinkinase-Inhibitoren sehr ambitioniert: Wir wollen nicht nur, dass das Blutbild wieder normal wird, sondern wir wollen den Blutkrebs unterhalb der Nachweisbarkeit bringen. Ob wir dabei auf die richtige Therapie setzen, sagen uns die Laboruntersuchungen drei, sechs und zwölf Monate nach der Diagnose.

    Weshalb sollten die Patienten auch nach Absetzen der Therapie in medizinischer Betreuung bleiben?

    Leider können wir bislang nicht genau vorhersagen, ob das Nachlassen der Krankheitssymptome – die Remission – dauerhaft oder nur vorübergehend ist. Um ein neuerliches Voranschreiten der CML frühzeitig medikamentös zu hemmen, ist die regelmäßige Kontrolle wichtig. So ist die Chance am größten, die nächste Remission zu erreichen.

    Warum sind Studien weiterhin wichtig?

    Wir wissen inzwischen viel über CML, haben aber weitere Fragen – zum Beispiel zum Absetzen. Momentan ist es so, dass jeder zweite Patient, der die Therapie nach Erreichen eines tiefen Ansprechens über einen längeren Zeitraum abgesetzt hat, längerfristig ohne Medikamente bleiben kann. Ein Forschungsthema aktuell ist die Suche nach „Biomarkern“, die eine Vorhersage erlauben, welcher Patient eine besonders gute Prognose hat, ohne TKIs dauerhaft in der Remission zu bleiben.

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