Eberhard Jordan hat COPD im vierten Stadium. Anfangs nahm der Wiener seine Erkrankung nicht ernst. Welche dramatischen Folgen das hatte und warum er in diesem Jahr 843 Stufen erklimmen möchte, erzählt er im Interview.
Die meisten Patienten nehmen die Symptome einer COPD nicht ernst. Was hat Sie damals bewogen, zum Arzt zu gehen?
Mir ging es einfach nicht gut. Meine Leistungsfähigkeit nahm rapide ab, ich kam mit den anderen einfach nicht mehr mit und wurde immer kurzatmiger. Der Arzt teilte mir dann mit, dass ich eine COPD habe. Das war vor 21 Jahren.
Haben Sie nach Ihrer Diagnose aktiv etwas an Ihrem Lebensstil geändert?
Nein, ich habe das schlichtweg ignoriert. Das ist, meiner Meinung nach, die typische Reaktion von 90 Prozent der COPD-Patienten. Natürlich weiß man, dass man anfangen sollte, Sport zu machen und nicht mehr zu rauchen. Das habe ich alles nicht gemacht – ich habe weiter geraucht und Sport war nach wie vor ein Fremdwort für mich. Ich war der Meister der Ausreden, um es nicht tun zu müssen (lacht). Natürlich war mir bewusst, dass ich was tun müsste, doch ich habe es einfach nicht geschafft. Zudem bekommt man einfach nicht die Hilfe, die man eigentlich bräuchte.
Welche Hilfe hätten Sie sich gewünscht?
Ich hätte gern eine ambulante Reha gemacht, doch es gab Kommunikationsprobleme mit meinem Arzt, und so blieb mir diese leider verwehrt.
Gab es dann diesen einen Moment, in dem Sie dachten, „jetzt muss ich etwas ändern“?
Den gab es.
Was ist passiert?
Ich bin 2014 auf der Intensivstation gelandet. Mein Körper hat damals beschlossen, dass es reicht. Und als ich das Krankenhaus verlassen habe, konnte ich ohne Begleitung meiner Kinder oder meiner Freunde nicht das Haus verlassen. Es stand sehr schlecht um mich, und das hat mein Denken komplett verändert. Das war der Wendepunkt in meinem Leben. Hätte ich das nicht geschafft, wäre ich heute tot. Ich habe aufgehört zu rauchen und angefangen zu trainieren.
Wie ging es weiter?
Ich habe mich mit zunächst kleinen Zielen, wie den kurzen Fußweg von zu Hause zur Bushaltestelle zu schaffen, zurück ins Leben gekämpft.
Wie meistern Sie heute Ihren Alltag mit COPD?
Ich versuche, mir nicht so viele Gedanken darum zu machen. Ja, ich habe COPD und die werde ich auch nicht mehr los, aber ich versuche, zu leben und alles zu machen, was noch geht. Ich habe eine chronische Erkrankung und mit der muss ich leben.
Sie sind der Initiator der myCOPD-Challenge. Was hat es damit auf sich und was hat Sie dazu bewogen, diese Challenge ins Leben zu rufen?
Seit 2018 stelle ich mir jedes Jahr eine persönliche sportliche Herausforderung. Damit kämpfe ich nicht nur gegen das Fortschreiten meiner Erkrankung an, ich möchte auch mehr Aufmerksamkeit für die schwere, chronische Lungenerkrankung erreichen. Obwohl in Deutschland 6.000.000, in Österreich 400.000 und in der Schweiz 400.000 mit der Krankheit diagnostiziert sind, kennt die Mehrheit die Erkrankung nicht oder unterschätzt die massiven Auswirkungen, die sie auf das Leben hat.
Welchen Herausforderungen haben Sie sich schon gestellt?
Treppensteigen ist eine der größten Herausforderungen für Menschen mit COPD. Also habe ich damit angefangen. 2018 bin ich den Stephansturm mit 343 Stufen raufgestiegen. 2019 bezwang ich die 776 Stufen des Wiener Donauturms. Für 2020 hatte ich die 843 Stufen des Millennium Tower im Visier. Doch wegen Corona hat das nicht geklappt. Das werde ich aber dieses Jahr noch nachholen. Mit all diesen Challenges möchte ich beweisen, dass man auch mit COPD im Endstadium ein aktives Leben führen kann.
COPD-Patienten geraten gerade beim Treppensteigen oft in Atemnot. Was raten Sie COPD-Patienten?
Mit kleinen Schritten beginnen, so wie ich es vor sieben Jahren getan habe. Mit akuter Atemnot ist es nicht leicht, sich aufzuraffen, doch das ist die einzige Möglichkeit. Also, lauft los und lasst euch Zeit dabei. Und wenn es am Anfang nur zwei, drei Stufen in fünf Minuten sind, egal. Es werden immer mehr, glaubt mir.