Home » Luft und Lunge » Screening auf Lungenkrebs 
  • Luft und Lunge

    Screening auf Lungenkrebs 

    Weiterhin erkranken jährlich in Deutschland knapp 60.000 Menschen an Lungenkrebs. Damit ist Lungenkrebs bei Männern nach Prostatakrebs die zweithäufigste Krebsneuerkrankung, bei Frauen nach Brust- und Dickdarmkrebs die dritthäufigste. Trotz vieler bahnbrechender Neuerungen bei der Diagnostik und Therapie in den letzten zehn Jahren ist der Lungenkrebs die Tumorart mit den meisten Todesfällen pro Jahr – 44.881 Tote im Jahr 2019 in Deutschland. Lungenkrebs wird nämlich in mehr als der Hälfte der Fälle in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, das nicht mehr heilbar ist.

    Dr. Torsten Gerriet Blum

    Oberarzt der Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, Helios Klinikum Emil von Behring

    Prof. Dr. Torsten Bauer

    Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. und Chefarzt der Lungenklinik Heckeshorn, Helios Klinikum Emil von Behring

    Lungenkrebs bei Risikogruppen frühzeitig erkennen

    Große kontrollierte Studien konnten hingegen zeigen, dass ein Screening mittels Niedrigdosis-Computertomographie (CT) in Risikopersonen Lungenkrebs in früheren, potenziell heilbaren Stadien entdeckt und damit die Sterblichkeit durch Lungenkrebs signifikant senkt.

    Lungenkrebs-Screeningprogramme mit jährlicher Niedrigdosis CT in Australien, Europa und Amerika werden derzeit nur in Bevölkerungsgruppen mit einem hohen Risiko für Lungenkrebs durchgeführt. Ein hohes Lungenkrebsrisiko wird hierbei in der Regel durch ein höheres Alter von minimal 50-55 Jahren und maximal 75-80 Jahren sowie gleichzeitig einen starken Tabakkonsum von 20 bis 30 Packungsjahren in aktiven bzw. ehemaligen Rauchern definiert. Ein Packungsjahr bemisst die Zahl der konsumierten Zigaretten, also eine Packung Zigaretten täglich über ein Jahr ergeben ein Packungsjahr. Mit diesen beiden Risikokriterien Alter und Tabakkonsum können über die Hälfte aller Fälle von Lungenkrebs frühzeitig durch Screening entdeckt werden. Leider werden damit aber nicht Lungenkrebsfälle bei Personen erfasst, die nie oder nur wenig geraucht haben. Denn würden wir alle Personen ab einem bestimmten Alter unabhängig vom Tabakkonsum in ein CT-basiertes Lungenkrebs-Screeningprogramm einschließen, überwiegen Risiken und Kosten dessen Nutzen.

    Lungenkrebs-Screening rettet Menschenleben!

    Anzeige

    Chancen und Risiken des Lungenkrebs-Screenings

    Die größte europäische Lungenkrebs-Screeningstudie NELSON mit 13.195 Risikopersonen, die ein Screening mit Niedrigdosis CT gegen kein Screening als Kontrolle verglich, konnte in der Screeninggruppe eine signifikante Verringerung der Lungenkrebssterblichkeit um 33 % bei Frauen und 24 % bei Männern zeigen. Ein vergleichbarer Effekt konnte bereits zuvor in der US-amerikanischen Studie NSLT mit über 53.000 Teilnehmern demonstriert werden. Beide Studien wiesen ursächlich in den CT-Screeninggruppen einen Stadienshift hin zu den frühen, operablen Stadien auf.

    Mehrere Studien konnten belegen, dass Raucherent- wöhnung in einem Screeningprogramm deutlich erfolgreicher als außerhalb ist. Darüber hinaus schluss- folgerten gesundheitsökonomische Studien für mehrere Länder, so auch für Deutschland, aus ihren Modellen eine Kosteneffektivität von CT-basierten Lungenkrebs-Screeningprogrammen.

    Falsch-positive Befunde stellen hingegen ein ernst zu nehmendes Risiko dar. Hierunter werden CT-Befunde verstanden, die radiologisch zunächst als verdächtig auf ein Lungenkarzinom befunden, nach weiterer Abklärung aber als gutartig eingestuft werden, insbesondere wenn die Abklärung mit vermeidbaren invasiven Eingriffen einhergeht.

    Ein weiteres Risiko stellen Überdiagnosen dar. Hierunter versteht man, dass ein Lungenkrebs mittels CT entdeckt wird, der bei der betreffenden Person zu Lebzeiten zu keinerlei Symptomen oder Komplikationen geführt hätte, nun aber unnötige, belastende Behandlungen nach sich ziehen kann. Moderne strukturierte Niedrigdosis-CT-Lungenkrebs-Screeningprogramme reduzieren beide Risiken auf ein normales Maß durch eine sorgfältige Auswahl der Risikopersonen sowie strikte Algorithmen zur Abklärung von verdächtigen CT-Befunden.

    Das Risiko für strahlungsbedingte Folgeschäden ist auch bei dem Einsatz der Niedrigdosis-CT-Technik in Personen mit dem o.g. Risikoprofil gegeben, wird aber durch das höhere Lungenkrebsrisiko gerechtfertigt. Ebenso eine psychische Belastung von Screeningteilnehmern, die aber innerhalb von Studien in der Regel tolerabel war und sonst durch psychologische Unterstützung gelindert werden konnte.

    Lungenkrebs-Screening mittels Niedrigdosis-CT rettet Menschenleben und ist unter Beachtung der genannten Risiken im Rahmen eines strukturierten, qualitätsgesicherten Programms wirksam, sicher und kosteneffektiv – dies ist wissenschaftlich unstrittig. Der Beginn eines solchen Programms sollte daher nicht verzögert werden.

    Ein Ausblick: Deutschland im internationalen Vergleich

    Einerseits laufen bereits weltweit in einigen Ländern nationale Lungenkrebs-Screeningprogramme, beispielsweise in der EU seit mehr als zwei Jahren erfolgreich in Kroatien und neu in Polen und der Tschechischen Republik. Andererseits hat die Mehrzahl der europäischen Länder noch kein eigenes nationales Programm.

    Moderne strukturierte Niedrigdosis-CT-Lungenkrebs-Screeningprogramme reduzieren das Risiko falsch-positiver Befunde oder von Überdiagnosen.

    In Deutschland sind aktuell Gesetzgeber und Kostenträger in Zusammenarbeit mit den medizinischen Fachgesellschaften dabei, ein entsprechendes strukturiertes und gleichzeitig qualitätsgesichertes Programm aufzubauen. Hierzu ist trotz der gebotenen Zeit eine sorgfältige Planung notwendig.

    Anzeige
    Nächster Artikel