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    Breite Auswahl an Akutmedikation bietet neue Chancen für Migräne-Betroffene 

    FOTO: fizkes via shutterstock.com

    Im Dezember 2022 wurde die neue Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur Akutbehandlung und Prophylaxe der Migräne vorgestellt.

    Migräne ist die Kopfschmerzerkrankung, die am häufigsten zum Arztbesuch führt. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Meist kommt es zu halbseitigen, starken pochenden Kopfschmerzen begleitet von Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie Übelkeit. Die Attacken können bis zu drei Tage andauern. Immer noch gibt es Betroffene, die ihre starken Migräneattacken nicht gut in den Griff bekommen, dabei haben sich die Möglichkeiten der Akuttherapie deutlich verbessert und werden durch neu zugelassene Medikamente, von denen eines seit dem 1. März 2023 auch in Deutschland erhältlich ist, verbessert.

    Priv.-Doz. Dr. med. Charly Gaul

    Generalsekretär der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) c/o Kopfschmerzzentrum Frankfurt

    Viele Betroffene kommen mit Schmerzmitteln wie Ibuprofen, ASS oder der Kombination aus ASS, Paracetamol und Coffein, wenn diese ausreichend hoch dosiert sind und frühzeitig bei einem Anfall eingenommen werden, gut zurecht. Reichen diese nicht aus, kann ein Triptan (Migränemittel) eingenommen werden. Frei verkäuflich stehen in der Apotheke mittlerweile drei Triptane (Sumatriptan in der 50-mg-Dosierung, Almotriptan 12,5 mg, Naratriptan 2,5 mg) zur Verfügung, sodass Migränebetroffene auch selbstständig Erfahrungen mit einem Migränemittel sammeln können. Alle sieben weltweit verfügbaren Triptane sind auch in Deutschland erhältlich. Vorteilhaft ist, dass diese als Tabletten und Schmelztablette (Zolmitriptan und Rizatriptan) sowie als Nasenspray (Sumatriptan und Zolmitriptan) und zur Injektion unter die Haut (Sumatriptan 3 mg oder 6 mg) zur Verfügung stehen. Durch das Ausprobieren mehrerer Triptane auch in den unterschied- lichen Darreichungsformen kann die Mehrzahl der Betroffenen ihre Migräne gut behandeln.

    Triptane können jedoch nicht eingesetzt werden, wenn Herz- Kreislauf-Erkrankungen (zum Beispiel ein Myokardinfarkt oder ein Schlaganfall) bestehen. Außerdem vertragen manche Menschen Triptane nicht gut. Seit 1. März 2023 ist nun Lasmiditan in der Apotheke verfügbar. Dieses Medikament kann in verschiedenen Dosierungen zur Akutbehandlung der Migräne eingesetzt werden. Da es keine Wirkung auf die Gefäßweite hat, kann es auch von Patienten mit Gefäßerkrankungen wie koronarer Herzerkrankung eingenommen werden. Darüber hinaus sprechen möglicherweise auch Betroffene auf das Medikament an, die von einem Triptan keine gute Wirkung erfahren haben. Bei der Mehrzahl der Betroffenen ist das Medikament gut verträglich, da es jedoch zu Benommenheit und Schwindel führen kann, darf in den acht Stunden nach der Einnahme kein Kraftfahrzeug geführt werden.

    Zugelassen ist außerdem Rimegepant, welches ebenfalls Betroffenen helfen kann, die mit einem Triptan nicht zurechtkommen, dieses Medikament ist jedoch noch nicht in Deutschland in der Apotheke erhältlich.

    Weitere Neuigkeiten sind im Bereich der Prophylaxe zu verzeichnen. So kann einer der monoklonalen Antikörper (Erenumab), der sich gegen den CGRP-Rezeptor richtet, nun frühzeitiger eingesetzt werden, und ein weiterer monoklonaler Antikörper, der sich direkt gegen CGRP richtet (Eptinezumab) ist seit Herbst 2022 auch in Deutschland verfügbar. Dieses Medikament wird alle drei Monate als Infusion verabreicht und ist durch einen raschen Eintritt der prophylaktischen Wirkung gekennzeichnet.

    Die neue Migräneleitlinie stellt auch die etablierten Möglichkeiten nicht-medikamentöser Therapieverfahren vor. Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson und Methoden der Verhaltenstherapie wie der Umgang mit Alltagsstress, aber auch Psychotherapie können ebenso wie Biofeedback helfen, die Kopfschmerzhäufigkeit zu reduzieren. Auch Ausdauersport zeigt eine migräne-prophylaktische Wirkung. Sinnvoll ist es hier, das Training zunächst mit niedriger Intensität, dafür aber regelmäßig (zum Beispiel dreimal pro Woche) zu beginnen, da für Untrainierte ungewohnte Überanstrengung auch mit dem Auslösen von Attacken einhergehen kann. Ein weiteres nicht-medikamentöses Verfahren ist die elektrische Stimulation von Nervenendästen des N. trigeminus (Gesichtsnerven) an der Stirn, ein Verfahren, für dessen Einsatz mittlerweile Studiendaten sowohl zur Akutbehandlung als auch zur vorbeugenden Therapie der Migräne vorliegen.


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