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    „Ein Alptraum, aus dem man leider nicht erwacht“

    Edward Labus
    Edward Labus
    Foto von privat

    Edward Labus (62) war ein lebensfroher, unternehmungslustiger Mann. Zusammen mit seiner Frau genoss er das Leben. Dann der Wendepunkt: Vorhofflimmern, Schlaganfall. Wie er diese Zeit erlebte, erzählt er im Interview.

    Herr Labus, hatten Sie Vorerkrankungen, gab es Risikofaktoren?

    Nein, ich war 28 Jahre lang nicht einmal beim Arzt – das sagt alles, oder? Ich habe immer gesund gelebt und auf mich geachtet. Ich war topfit.

    Wann hat sich das verändert?

    Mit 60 Jahren war ich bei einer routinemäßigen Vorsorgeuntersuchung im Krankenhaus. Bei der Gastroskopie ist das Vorhofflimmern zum ersten Mal vorgekommen. Doch durch die Sedierung habe ich das nur nebenbei wahrgenommen und einfach ignoriert.

    Kam der Moment, an dem Sie es nicht mehr ignorieren konnten?

    Ja, leider kam dieser ein paar Wochen später. Meine Frau und ich waren an der Ostsee. Auf dem Rückweg bekam ich während der Fahrt Schweißaus- brüche. Ich habe angehalten und nach ein paar Minuten war es wieder verschwunden. Okay, dachte ich, so schlimm war es dann doch nicht. Einmal ist keinmal. Ich habe es also wieder verdrängt. Rund zwei Monate später war ich auf dem Weg zur Arbeit und auf der Autobahn be- kam ich wieder diese Beschwer- den, nur viel, viel schlimmer als davor. Mir war sehr übel, der Schweiß lief mir an Stirn und Rücken herunter, ich hatte Schüttelfrost und mein Herz drohte aus der Brust zu platzen, so hoch war die Herzfrequenz. Da bekam ich Angst.

    Wie ging es weiter?

    Als es besser wurde, bin ich noch zu meiner Arbeitsstelle gefahren und dort zum Werksarzt gegangen. Der hat sofort einen Krankenwagen gerufen und ich kam ins Krankenhaus. Dort kam dann die Diagnose Vorhofflimmern und ich habe zum ersten Mal richtig realisiert, was ich habe. Es folgten einige Untersuchungen und Aufklärungsgespräche. Ich bekam Medikamente und mir wurde nahegelegt, eine Ablation, also einen Eingriff am Herzen, bei dem überzählige oder krank- hafte Leitungsbahnen und Erregungsherde verödet werden, machen zu lassen, wenn die Medikamente nicht mehr helfen.

    Wie sind Sie mit der Erkrankung umgegangen?

    Ich habe versucht, damit zu leben, doch es fiel mir von Monat zu Monat schwerer. Immer wieder hatte ich Attacken, die auch immer schlimmer wurden, und mein Leben fühlte sich nicht mehr so an wie vorher. Ich entschied mich für die Ablation, in der Hoffnung, mein altes, gesundes Leben zurückzubekommen.

    Wann haben Sie die Operation durchführen lassen?

    Im Januar letzten Jahres war ich beim Aufklärungsgespräch und im April sollte die Operation stattfinden. Durch Corona wurde das immer wieder verschoben. Am 14. Juli sollte es dann so weit sein. Drei Wochen vorher konnte ich plötzlich nicht mehr gehen und mir ging es schlecht. Mein Arzt schickte mich ins Krankenhaus und die diagnostizierten eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs im rechten Ohr. Mir kam das suspekt vor und ich fragte mehrfach nach, ob es wirklich kein Schlaganfall war. Dies wurde immer verneint und ich wurde entlassen. Zwei Tage lang habe ich nur gelegen und geschlafen, mir war speiübel und ich hatte einen starken Linksdrang beim Gehen. Dann ging plötzlich gar nichts mehr, meine Frau rief die 112 an und ich kam wieder ins Krankenhaus. Da kam dann die Diagnose Schlaganfall. Dann begann die Odyssee.

    Bitte gehen Sie näher darauf ein.

    Wenn Sie aufwachen und gar nichts mehr selbstständig können, ist das ein wahr gewordener Albtraum. Ich konnte mir nicht mal meine Zähne putzen. Zwei Wochen Krankenhausaufenthalt auf der Stroke Unit folgten und bei der vierwöchigen Reha danach haben sie mich bestmöglich wiederhergestellt. Drei Monate nach dem Schlaganfall wurde die Ablation gemacht und das Vorhofflimmern ist seitdem weg. Doch wahrscheinlich als Folge des Schlaganfalls habe ich eine chronische Erkrankung bekommen, eine Trigeminusneuralgie. Das ist eine chronische Schmerzerkrankung des Gesichts, der Schleimhäute in Mund und Nase und der Hornhaut. Ich habe also jeden Tag fast unerträgliche Schmerzen. Wenn ich nicht täglich Morphindosen zu mir nehmen würde, die sogar einen Elefanten umhauen würden, könnte ich es nicht ertragen. Die meisten Menschen mit dieser unheilbaren Erkrankung nehmen sich das Leben. Aber keine Angst, so weit bin ich noch nicht.

    Ihr Leben hat sich innerhalb von drei Jahren komplett verändert. Wie gehen Sie damit um?

    Ich versuche, stark zu bleiben und mich daran zu erfreuen, dass ich noch lebe. Es gibt vier Gruppen von Schlaganfallpatienten: Die erste Gruppe merkt davon gar nichts, die zweite ist sofort tot, die dritte ist ein Leben lang ein Pflegefall und die vierte Gruppe bekommt man durch Physiotherapie, Logopädie und Krankengymnastik einigermaßen wieder hin. Dazu gehöre ich. Doch mein Leben kann man nicht mehr mit dem vor drei Jahren vergleichen. Von heute auf morgen hat es sich komplett verändert – ein Albtraum, aus dem man leider nicht erwacht.

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