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    „Man sieht mir die Erkrankung heute stundenweise nicht mehr an“

    Nadine Mattes ist 36 Jahre und Mutter einer Tochter, als sie die Diagnose „Parkinson“ bekommt. Heute macht sie mit der von ihr gegründeten Selbsthilfegruppe Parkinson Youngsters Radtouren durch ganz Deutschland. Im Interview erzählt sie, was die Diagnose für sie bedeutet und wie sie damit umgeht.

    „Sie haben Parkinson.“ Dieser Satz hat Ihr Leben von einem auf den anderen Moment verändert. Was waren Ihre ersten Gedanken? 

    Was ist mit meinem Kind? Das war mein erster Gedanke. Meine Tochter war acht Jahre alt, als ich die Diagnose bekam.

    Hat sich die Erkrankung schon länger angekündigt?

    Bei mir ging das Zittern mit etwa 14 Jahren los, kein Arzt konnte mir helfen. Der Tremor wird mit den Jahren schlimmer, das Zittern war schließlich so stark ausgeprägt, dass ich kein Butterbrot mehr schmieren konnte. Die Diagnose kam dann von einem jungen Assistenzarzt aus Afghanistan, der neu in Deutschland war und fast nur Englisch sprach. Das werde ich nie vergessen – im positiven Sinne. 

    Wie sind Sie in dem jungen Alter damit umgegangen?

    Die Diagnose hat mein Leben verändert. Mit den Medikamenten hat der Tremor aufgehört – nach über 18 Jahren! Dass das Zittern weg war und jemand einen Namen dafür gefunden hat, was ich hatte, das war für mich ein Geschenk. Natürlich war die Diagnose an sich eine schreckliche, aber jetzt wusste ich endlich, was los ist. 

    Gibt es bei Ihrer Parkinsonerkrankung in so jungen Jahren einen Unterschied zur Erkrankung, die eher die ältere Bevölkerung betrifft? 

    Wenn man die Diagnose mit 80 bekommt, hat man sein Arbeitsleben hinter sich, die Kinder sind schon groß. Wenn man jung ist, geht es um Fragen wie die Finanzierung eines Hauses, Arbeit, Kinder … Bis ich 80 bin, dauert es noch 40 Jahre. 

    Sie leben mit Ihrer Tochter zusammen, die Ihre Symptome bereits von Geburt an kennt. Wie geht sie damit um?

    Meine Tochter kennt zwar das Zittern bei mir von Beginn an, aber auch für sie hat die Krankheit erst seit der Diagnose einen Namen. Das hilft, um besser damit umzugehen. Als wir kurz nach der Diagnose zusammen auf einer Mutter-Kind-Kur waren, hörten wir die anderen Mütter tuscheln „Die hat ein Alkoholproblem, die säuft, das arme Kind.“ Da hat sich meine Tochter in die Mitte gestellt und gesagt „Meine Mama trinkt keinen Alkohol, meine Mama hat Parkinson.“ Sie geht offen damit um. Ihre Freunde wissen es, sie macht kein Geheimnis daraus. Sie hat auch mit an einer Präsentation gearbeitet, die Kindern bildlich erklärt, was Parkinson ist.

    Zur Behandlung von Parkinson gibt es unterschiedliche Therapieansätze. Was hilft Ihnen?

    Sehr wichtig ist Bewegung. Auch Medikamente und das Angebot einer Tagesklinik mit einer Spezialambulanz sind gut für mich. Mir hilft auch sehr, mich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Und dann sollte man etwas finden, was einem Freude macht. Bei mir ist es Fotografieren. Ich liebe Sonnenaufgänge oder das Licht im Wald – das gibt mir Kraft. 

    Mit der Gründung von Parkinson Youngsters haben Sie einen Platz zum Austausch für Betroffene geschaffen. Wie kam es dazu?

    Als ich nach der Diagnose in eine Selbsthilfegruppe ging, hatte ich tausend Fragen, traf dort aber nur Menschen, die wesentlich älter waren als ich und in einer ganz anderen Lebenssituation. Da konnte kein Austausch stattfinden. Den Impuls, die Selbsthilfegruppe Parkinson Youngsters zu gründen, gab eine Freundin, der ich davon erzählte. Es ist ein wunderbares Gefühl, nicht alleine zu sein, Menschen zu haben, die die Situation verstehen. Wertschätzung zu erfahren, das kann keine Karriere der Welt ersetzen. 

    Was geben Sie anderen Betroffenen mit? 

    Bewege dich und glaube fest daran, dass es besser werden kann. Ich war schon fast am Rollator, heute sieht man mir stundenweise meine Krankheit nicht mehr an.

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