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    Punktlandung in der Parkinsonbekämpfung

    In Kooperation mit
    Foto: Privat
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    Prof. Dr. med. Daniela Berg

    Direktorin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel und Mitglied des Beirates der Parkinson Stiftung

    Seit einigen Jahren gibt es Hoffnung für medikamentenresistente Parkinson-Patienten, vor allem was den Tremor betrifft. Außerdem engagiert sich die Parkinson Stiftung seit 2019 im Kampf gegen die Krankheit. Bereits sehr lange zugelassen zur Behandlung von Tremor ist das Verfahren der Tiefen Hirnstimulation (THS). Durch einen operativen Eingriff werden Elektroden im Gehirn platziert und versorgen dieses mit kleinen Stromstößen, der Tremor nimmt ab. Trotzdem kostet diese THS Behandlung viel Überwindung: Der operative Eingriff direkt am Gehirn, die ständig verbleibende implantierte Elektrode oder auch der unter der Haut sitzende Schrittmacher, halten viele Patienten/innen von einer THS-Behandlung ab. Eine neue Technologie ohne operativen Eingriff verspricht große Hoffnung für alle Betroffenen: Gebündelte Ultraschallwellen werden unter MRT Kontrolle ohne den Schädel öffnen zu müssen, auf den Zielpunkt in der Tiefe des Gehirns fokussiert. Am Zielpunkt und nur dort wird die Schallenergie in thermische Energie in einem millimetergroßen Bereich mit scharfen Grenzen umgewandelt. Dieser sogenannte MRT-gesteuerte fokussierte Ultraschall (MRgFUS) ist bereits zugelassen in Europa zur Behandlung des tremordominanten Morbus Parkinson, des Essentiellen Tremors und für neuropathische Schmerzen. Die Vorteile der MRgFUS Therapie sind, dass das Verfahren nebenwirkungsärmer ist und die Behandlung in einer Sitzung abgeschlossen ist mit sofortigem Behandlungsresultat. Weltweit wurden bereits über 4.000 Patienten/innen mit dieser MRgFUS Technologie erfolgreich behandelt.

    Frau Prof. Dr. Berg, Sie engagieren sich neben Ihrem Beruf als Direktorin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel für die Parkinson Stiftung – warum?

    D. Berg: Zum einen besteht noch viel Unwissenheit über die Parkinsonerkrankung. Betroffene fühlen sich von ihrer Umwelt oft nicht verstanden, haben Sorge, ihre Erkrankung öffentlich zu machen, sehen sich regelrecht stigmatisiert. Auch bezüglich der Behandlungsoptionen besteht oft Unklarheit. Hier können wir mit der Parkinson Stiftung zur Aufklärung beitragen, was nicht nur für die Betroffenen und ihre Familien, sondern auch für unsere ganze Gesellschaft bedeutsam ist. Zum anderen gibt es viele Aspekte der Erkrankung, die trotz intensiver Forschung und den dadurch verbesserten Therapiemöglichkeiten noch unklar sind und weitere Forschung bedürfen. Hier sind die Forscher dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen, zu der die Stiftung beitragen kann. Ich bin sehr froh, dass es diese Stiftung nun gibt und es ist mir ein großes Anliegen, sie zu unterstützen. 

    Frank Elstner

    Gründungsmitglied der Parkinson Stiftung

    „Wenn wir es gemeinsam mit den klügsten Köpfen in der Forschung anpacken, werden wir den Parkinson besiegen können.“

    Wie bewerten Sie neue Parkinson-Behandlungs-Optionen, wie den MRT-gesteuerten fokussierten Ultraschall (MRgFUS)?

    D. Berg: Mit dem MRT-gesteuerten fokussierten Ultraschall (MRgFUS; auch als HiFU  – Hochintensiver fokussierter Ultraschall  – bezeichnet) wird das therapeutische Spektrum für Parkinsonpatienten maßgeblich erweitert. Aktuell ist es für Patienten mit einem im Vordergrund stehenden Zittern etabliert. Derzeit wird nur eine Körperseite behandelt, d.h., es kommen besonders Patienten mit einer starken Seitenbetonung der Symptomatik in Frage. Die beidseitige Behandlung wird aber bereits in Studien untersucht. Der MRgFUS erweitert die Behandlungsmöglichkeiten für Parkinson-Patienten, die sich z.B. aus Angst vor der Tiefen Hirnstimulationsoperation dieser nicht unterziehen möchten, oder sich der THS nicht unterziehen können, weil es Gegenanzeigen gegen den neurochirurgischen Eingriff gibt, wie
    z. B. ein Blutgefäß im geplanten Verlauf der Elektrode. Auch kann die MRgFUS noch im höheren Lebensalter angewendet werden.

    Wie läuft eine MRgFUS-Behandlung ab?

    D. Berg: Vor der Behandlung müssen die Haare rasiert werden, damit die Ultraschallwellen den Schädel der Planung entsprechend durchdringen können und ein Metallring der als Koordinatensystem dient, gut am Kopf fixiert werden kann. Im nächsten Schritt wird das Hirngewebe am Zielpunkt probeweise erwärmt. Zeigt sich ein guter Effekt und treten keine störenden Nebenwirkungen auf, kann der Zielpunkt so erhitzt werden, dass eine ganz kleine Narbe entsteht. Der Effekt auf das Zittern ist unmittelbar nach der Behandlung vorhanden. Abschließend werden die Parkinsonmedikamente angepasst.

    Wo sehen Sie die Vorteile der Behandlung mit dem fokussierten Ultraschall?

    D. Berg: Der wesentliche Vorteil der MRgFUS-Behandlung ist die geringere Invasivität: der Schädel muss nicht eröffnet und auch kein Fremdmaterial/Elektroden eingebracht werden. Es besteht somit kein Blutungs- oder Infektionsrisiko. Nebenwirkungen können durch Testerwärmungen vermieden werden. Auch kann das Verfahren bei älteren, allgemein vorerkrankten Patienten angewendet werden. Darüber hinaus sind in der Weiterbehandlung, anders als bei der Tiefen Hirnstimulation, keine wiederholten Anpassungen der Stimulationsparameter notwendig.

    Wie sehen Sie die Zukunft der MRgFUS Technologie in der Parkinson Therapie?

    Der MRgFUS wird eine zunehmende Rolle in der Behandlung von Parkinsonpatienten spielen. Zuvor nicht behandelbare Patienten können nun eine gut wirksame Therapie erhalten. Gerade für Patienten, bei denen das Zittern im Vordergrund steht, ist dies eine sehr bedeutsame Möglichkeit, weil das Zittern bei Parkinson medikamentös oft nur unzureichend therapiert werden kann. Die beidseitige Behandlung wird aktuell in Studien untersucht. Die Ergebnisse werden aufzeigen, welches Verfahren – die Tiefe Hirnstimulation oder der fokussierte Ultraschall – das bessere Verhältnis von Nutzen und Risiko aufweisen wird. Hierbei wird sich ein dezidiertes Indikationsprofil ergeben.

    Wenn ich mich für die Therapie/Studie interessiere: Welche Möglichkeiten gibt es, mehr über neue Behandlungsmethoden zu erfahren?

    D. Berg: Informationen zum fokussierten Ultraschall finden sich z. B. auf den Webseiten der Krankenhäuser (z. B. www. uksh.de/neurologie-kiel/ MRT-gesteuerter fokussierter Ultraschall (uksh.de)) und dem Hersteller (www.essential-tremor.com/about-neuravive-treatment). Ansprechpartner unserer Klinik (UKSH, Campus Kiel) ist Dr. Steffen Paschen, Kontakt über [email protected] .

    Die Studien werden vor Beginn in den entsprechenden Studienregistern registriert (www.drks.de). Weitere Informationen erhalten die Patienten auch von ihren behandelnden ärztlichen KollegInnen vor Ort.

    Sie möchten mehr erfahren?

    Besuchen Sie die Website parkinsonstiftung.de/die-stiftung und informieren Sie sich weiter!

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