Bei Morbus Parkinson handelt es sich um eine langsam voranschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems. Obwohl sich die Krankheit von Patient zu Patient sehr unterschiedlich gestaltet, stellen besonders Bewegungsstörungen wie zum Beispiel das Zittern typische Symptome dar. Auch wenn Parkinson derzeit noch als unheilbar gilt, stehen Betroffenen verschiedene Therapien zur Verfügung. Bei fortschreitender Krankheit bietet die sogenannte Tiefe Hirnstimulation, kurz THS, Patienten die Chance, einen Teil ihrer Lebensqualität zurückzubekommen. Interview mit Prof. Dr. med. Sergiu Groppa, Leiter der Sektion Bewegungsstörungen und Neurostimulationan der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Prof. Dr. med. Sergiu Groppa
Leiter der Sektion Bewegungsstörungen und Neurostimulation, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Gibt es eine universelle Therapiestrategie für Parkinson-Erkrankte?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen, denn eine Parkinsonerkrankung verläuft von Patient zu Patient unterschiedlich. Damit geht auch das Problem einher, dass viele Betroffene erst nach einigen Jahren eine korrekte Diagnose erhalten und damit auch die Chance auf eine individualisierte Therapie haben. Wir als verantwortliche Mediziner können auf eine Vielzahl an Maßnahmen zurückgreifen, um die Symptome der Erkrankung zu lindern. Parkinson kann jedoch bis heute nicht geheilt werden. Das Fundament bildet in der Regel die Einnahme von Medikamenten. Bei der Wahl der Präparate müssen neben dem Krankheitsstadium auch das Beschwerdebild, das Alter und die Aktivität des Patienten berücksichtigt werden. Zudem spielt die Verträglichkeit eine große Rolle. Erfahrungsgemäß wird die Einstellung der Symptome im Laufe der Jahre schwieriger.
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Verringert sich die Lebensqualität des Patienten durch die Abnahme der Medikamentenwirksamkeit oder treten Symptome wie das Zittern oder Wirkschwankungen auf, die mit Medikamenten nicht gut einstellbar sind, kann die Tiefe Hirnstimulation als Therapie infrage kommen. Häufig verwenden Mediziner neben der Abkürzung THS auch den englischen Begriff Deep Brain Stimulation, kurz DBS. Dabei werden im wachen Zustand oder unter Vollnarkose dünne Kabel, die Elektroden, an zuvor genau berechnete Stellen im Gehirn gesetzt. Sie werden mit einem Neurostimulator, einem Herzschrittmacher-ähnlichen Implantat, verbunden, der sanfte, aber kontinuierliche elektrische Impulse an die Elektroden abgibt. Durch diesen Vorgang werden die entsprechenden Gehirnareale stimuliert, die die Symptome unterdrücken und die Beschwerden so lindern. Nach dem heutigen Wissensstand sorgen sie darüber hinaus dafür, dass verschiedene Gehirnregionen natürlicher sprich normaler funktionieren.
Im Alltag bieten bestimmte THS-Systeme den Vorteil, dass der Schrittmacher individuell programmierbar ist, wodurch der Patient selbst Einstellungen vornehmen kann. Seit drei Jahren haben wir aufgrund von sogenannten segmentierten Elektroden zudem die Möglichkeit, die Stimulation gezielt anzupassen und nur einige für die Wirkung zuständigen Gebiete zu erreichen. In diesen Fällen sprechen wir von einer direktionalen Stimulation. Dabei werden anstelle von vier ansteuerbaren Kontakten acht auf den Sonden angebracht.
Die Vorteile des Systems wurden in einer groß angelegten Studie aufgezeigt, an der wir auch teilgenommen haben. So sind beispielsweise nur noch kleinere Ströme notwendig, um das gleiche Ergebnis zu erzielen.
Ob sich die Tiefe Hirnstimulation für einen Patienten eignet, kann ich nur durch weitere Untersuchungen entscheiden, da ein Patient körperlich und psychisch in der Lage sein muss, den Eingriff gut durchzustehen. Die obere Altersgrenze liegt derzeit bei 80 Jahren. Wie immer im Leben bestimmen aber auch hier Ausnahmen die Regel, unser jüngster Patient war beispielsweise 33 und unser ältester Patient 83 Jahre alt. Stellt die Tiefe Hirnstimulation eine Option für den Patienten dar, empfehle ich die Entscheidung für oder gegen den Eingriff gründlich vorzubereiten und zu durchdenken, aber trotzdem zeitnah eine Entscheidung zu treffen. Da die Erkrankung stetig fortschreitet, ist das Zeitfenster begrenzt. Erkrankte, die sich für eine derartige Therapie entscheiden, erfahren in den meisten Fällen eine enorme Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Unabhängig von der Art der Therapie sollten Parkinsonerkrankte stets auf eine optimale Einstellung achten und auf eine physio- und ergotherapeutische sowie logopädische Betreuung zurückgreifen, um die eigene Beweglichkeit und auch die Reaktionsfähigkeit bestmöglich zu erhalten.
Welche Systeme gibt es für die Tiefe Hirnstimulation?
Auf dem Markt sind derzeit sowohl aufladefreie als auch wiederaufladbare Systeme erhältlich, die natürlich beide ihre Berechtigung haben. Die aufladefreien Systeme haben eine Lebensdauer zwischen vier und sechs Jahren, dann müssen sie ausgetauscht werden. Doch auch ein wiederaufladbares Produkt kann nicht für immer im Körper verweilen. Das lässt sich gut mit einem Handy-Akku vergleichen: Je länger ich das Gerät benutze und beispielsweise Einstellungen der Stimulation vornehme, umso häufiger muss ich es aufladen.
Das führt dazu, dass sich der Patient immer häufiger mit dem System und folglich auch mit seiner Erkrankung beschäftigen muss. Dann tauchen Fragen auf wie: Habe ich noch genug Akku? Reicht er bis zum Ende des Tages? Hinzu kommt, dass bei vielen Patienten die kognitiven Fähigkeiten im Laufe der Jahre nachlassen und sie vergessen, den Akku zu laden.
Aufladefreie Produkte bieten hinsichtlich beruflicher oder Freizeitaktivitäten oftmals mehr gedankliche Freiheit. Zudem können diese Systeme auch nach der Implantation mit Softwareupdates versorgt werden. Diese ermöglichen gelegentlich sogar neue Funktionen, wie eine MRT-Fähigkeit.
Wie lange halten die Batterien eines aufladefreien Systems?
In der Praxis stellen mir Patienten immer wieder die Frage, ob sie bei aufladefreien Systemen informiert werden, wenn das Gerät keine Batterieleistung mehr hat. Vielfach wird befürchtet, dass es einfach ausgeht. Das passiert natürlich nicht. So wird das DBS-System beispielsweise mit einem Apple iPod geliefert, über den der Patient nicht nur den Stimulationszustand abfragen kann, sondern auch sieht, wann sich die Lebensdauer einer Batterie langsam dem Ende zuneigt und der Neurostimulator ausgetauscht werden muss. Wie bereits erwähnt reden wir in diesem Fall aber von einer Zeitspanne von vier bis sechs Jahren nach der Implantation. Es muss also nicht täglich ein Blick auf die Anzeige geworfen werden, es sei denn, es verschafft dem Betroffenen Sicherheit.
Wie läuft ein Generatortausch ab?
Es ist wichtig zu betonen, dass ein Generatortausch sich nur auf den Neurostimulator bezieht und nicht auf die Elektroden. Der Eingriff findet in der Regel unter Lokalanästhesie statt und dauert ungefähr 15 Minuten. Im Anschluss bleiben die Patienten in den meisten Fällen noch eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus.
Ich verstehe die Sorge von Betroffenen vor solch einem Eingriff aus menschlicher Sicht. Als Mediziner kann ich jedoch sagen, dass sie das Prozedere nicht fürchten müssen. Sie können es sogar als Chance betrachten. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass das System in der Zwischenzeit weiterentwickelt wurde und Patienten von technischen Neuerungen profitieren.