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    Kernsätze & Einführung zum Lipödem

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    Dr. med. Gabriele Faerber

    Phlebologin, Lymphologin, Ernährungsmedizinerin, Wissenschaftl. Beirat der DGPL, Koordinatorin der neuen Lipödem-Leitlinie

    Das Lipödem ist eine schmerzhafte, symmetrische, disproportionale Fettverteilungsstörung, die fast ausschließlich bei Frauen vorkommt und sich meistens in Phasen hormoneller Veränderungen wie Pubertät, nach Schwangerschaften oder in den Wechseljahren manifestiert. Man nimmt eine autosomal- dominante Vererbung an. Sie betrifft nur die Extremitäten, das heißt von den beiden Hüften abwärts, beide Oberschenkel und Unterschenkel, an der oberen Extremität entsprechend die Oberarme oder Unterarme. Die Füße bzw. Hände sind nicht betroffen, ebenso, und das ist wichtig zu betonen, weder Rumpf, Kopf noch Hals. Für die Entwicklung eines Lipödems an anderen Körperregionen, gibt es keinerlei wissenschaftliche Evidenz, weder vor einer Liposuktion noch danach.  Diese schmerzhafte Fettvermehrung kann sich homogen, quasi säulenartig, über das gesamte Bein erstrecken, angefangen vom Gesäß über Ober- und Unterschenkel bzw. Ober- und/oder Unterarm, oder nur die Hüftregion, die Ober- oder Unterschenkel bzw. die Oberarme betreffen. Eine Form, die nur die Unterarme betrifft, wird nicht beobachtet.

    Voraussetzung für die Diagnose eines Lipödems ist also ganz klar das Vorliegen einer im Vergleich mit dem Stamm disproportionalen Fettgewebsvermehrung der Beine und/oder der Arme bei gleichzeitig vorliegenden Beschwerden in den betroffenen Arealen. Das Ausmaß der Fettvermehrung kann sehr unterschiedlich sein, von kaum sicht- oder tastbar bis so extrem, dass die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt wird. Bei den Beschwerden handelt es sich um schmerzhafte Empfindungen wie Druckschmerz, Berührungsempfindlichkeit, Spontanschmerz sowie Schweregefühl und, gerade an den Armen, schnelle Ermüdbarkeit. Die Intensität der Schmerzen wird von den Patientinnen sehr unterschiedlich wahrgenommen. Beschrieben werden die Schmerzen meistens als dumpf, drückend oder ziehend.

    Eine disproportionale Fettgewebsvermehrung ohne entsprechende Beschwerden wird hingegen als Lipohypertrophie bezeichnet. Sie tritt die typischerweise vor allem am Gesäß und an den Oberschenkeln auf.

    Enorm wichtig ist es, gerade den jungen Frauen klar zu machen, dass im Gegensatz zu einer verbreiteten, auch von Ärzten häufig vertretenen Betrachtungsweise das Lipödem zwar eine chronische, aber nicht prinzipiell progrediente, also fortschreitende Erkrankung ist. Damit nimmt man ihnen die Angst, einmal zwangsläufig so auszusehen, wie sie das im Internet bei älteren sehr adipösen Frauen sehen. Mit einem gesunden Lebensstil mit viel Bewegung und einer geeigneten Ernährung kann der Zustand über viel Jahre oder Jahrzehnte stabil bleiben. Richtig ist, dass Gewichtszunahme in Bezug auf das Beinvolumen zur Verschlechterung führt, die Intensität der Beschwerden steigt aber eben nicht mit der Ausprägung der Disproportion bzw. der Zunahme des Unterhautfettgewebes an. Schlanke Patientinnen mit geringer Disproportion können stärkere Beschwerden haben als solche mit sehr viel Fettgewebe. Es gibt allerdings weitere Trigger, die zu einer Verstärkung der Beschwerden führen können, z.B. hormonelle Faktoren oder auch schwere psychische Belastungen.

    Weder wird das Lipödem durch Übergewicht oder eine Adipositas bedingt, noch bedingt es seinerseits eine Adipositas. Allerdings ist ein erheblicher Anteil der betroffenen Frauen übergewichtig oder adipös. Die Adipositas ist jedoch proportional, betrifft also auch den Körperstamm, weshalb es sinnvoll ist, neben dem BMI immer auch das Verhältnis zwischen Taillenumfang und Körpergröße zu bestimmen, um eine Adipositas zu erkennen oder auszuschließen. Bei stark vermehrtem Fettgewebe an den Beinen überschätzt der BMI nämlich die Adipositas, was therapeutisch in die falsche Richtung führen kann. Eine Magenoperation zur Gewichtsreduktion wäre bei einem normalen Taillen-Größenverhältnis nicht indiziert und würde die Beschwerden nicht reduzieren. Andererseits, und auch das ist wichtig zu beachten, ist eine Liposuktion bei Adipositas ebenfalls nicht sinnvoll, da hier die Adipositas zuerst behandelt werden muss.

    Die Liposuktion ist keine Methode zur Gewichtsreduktion, sondern zur Behandlung der Krankheit Lipödem.

    Sie wurde 1997 von Cornely eingeführt, der sie zur Unterscheidung von der ästhetischen Liposuktion als lymphologische Liposkulptur bezeichnete. Bis dahin wurde das Lipödem nur konservativ mit Kompression und Lymphdrainagen behandelt, wenn es denn überhaupt erkannt wurde. Das Krankheitsbild war damals vielen Ärzten nicht bekannt, die Dunkelziffer entsprechend hoch. Heute sehen wir hingegen häufig die Fehldiagnose Lipödem, wenn tatsächlich eine Lipohypertrophie oder, was sehr häufig der Fall ist, eine Adipositas mit zwar massiver, aber eben proportionaler Zunahme des Fettgewebes ohne Beschwerden vorliegt. Leider werden dann bei vielen Patientinnen unter hohem Kostenaufwand auf unseriöse Weise Liposuktionen durchgeführt, die natürlich nicht zielführend sind, weil sie das Grundproblem nicht lösen können. Das gleiche gilt für Liposuktionen im Gesicht oder an anderen Körperstellen, wenn sie unter der Diagnose Lipödem durchgeführt werden.

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